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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Jesuiten in Deutschland

gehalten. Die Jesuitenkollegien, die ich kenne, sind großrciumig und bequem
eingerichtet und befriedigen auch in ästhetischer Beziehung.) In dem Kapitel
über die Schriftstellers der Jesuiten interessiert besonders, daß ihnen der Index
der verbotnen Bücher sehr unbequem war, daß sie die Undurchführbarkeit der
Jndexvorschriften nachgewiesen und oft anf Milderung gedrungen haben. Unter
den Druckwerken von deutschen Jesuiten im sechzehnten Jahrhundert werden
unter anderen die ^roMinimsiimw latina des Jakob Pontalt erwähnt. Es sind
Dialoge über allerlei Gegenstände in reinem Latein. Einen besondern langen
Dialog hat der Verfasser dem Preise des deutschen Vaterlands gewidmet, seines
milden Klimas, seiner herrlichen Gärten, fruchtbaren Felder, fischreichen Seen
und Flüsse, hohen Gebirge, heilkräftigen Bäder. "Nicht genug kann er preisen
die zahlreichen blühenden Städte, Dörfer und Weiler, die vielen herrlichen Gottes¬
häuser. Begeistert schildert er die deutsche Ehrlichkeit und Offenheit; nichts liege
dem Deutschen so sehr am Herzen als Wahrheit, Treue, freundliche Zuvor¬
kommenheit. Zürnen sie einmal, so kennen sie nicht unversöhnliche Rache. Gegen
die Notleidenden sind die Deutschen überaus barmherzig, daher die reichen
Almosen, in allen Städten Armen- und Krankenhäuser. Die deutsche Gastfreund¬
schaft ist ja seit Tacitus sprichwörtlich geworden. Die schweren Strafen, die von
alters her auf dem Ehebruch stehn, und die Schande ob der Verlornen Ehre zeigen,
wie hoch die Sittenreinheit geschätzt wird. In der Gelehrsamkeit braucht Deutsch¬
land vor keinem andern Lande zurückzutreten. Wenn man aber gar auf die
herrlichen Taten schaut, welches Volk kann da wohl den Vergleich mit den
Deutschen aushalten? Die größten Erfindungen, die des Pulvers und der
Vuchdruckerkunst, sind von Deutschland ausgegangen, in den Künsten, im Kunst¬
gewerbe welche Leistungen! Die Tapferkeit der Deutschen mußten selbst ihre
Todfeinde preisen. Schon Tacitus hat hervorgehoben, es habe noch jeden gereut,
sich mit den Deutschen in einen Krieg eingelassen zu haben. Kein römischer
Kaiser hat sie auf die Dauer bezwingen können. Durch Gemalt können sie nicht
bezwungen werden, wohl aber durch Güte." Und durch ihre eigne Zwietracht,
wie der Pater vielleicht hinzugefügt haben würde, wenn er fünfzig Jahre später
geschrieben Hütte.

In dem Kapitel "An den Fürstenhöfen" wird nachgewiesen, wie die Obern
des Ordens gegen die Hineinziehung der fürstlichen Beichtväter in die Hofgesell¬
schaft und den Hofklatsch gearbeitet und gegen die Verwendung von Jesuiten
zu diplomatischen Sendungen protestiert haben, ohne das aus diesen gefährlichen
Stellungen hervorgehende Unheil völlig abwenden zu können. Dabei wird denn
auch, wie schon in frühern Kapiteln einigemal, die Gegenreformation gestreift.
Man habe die seelsorgerliche Wirksamkeit der Jesuiten in Deutschland vielfach
so dargestM, als habe sie hauptsächlich in der Bekehrung von Protestanten
bestanden. Das sei aber bei der Menge von Arbeit, die die Seelsorge bei den
Katholiken forderte, gar nicht möglich gewesen. Aus den Berichten lasse sich
das Mermäßig nachweisen; neben der gewaltigen Zahl von Beichten und


Die Jesuiten in Deutschland

gehalten. Die Jesuitenkollegien, die ich kenne, sind großrciumig und bequem
eingerichtet und befriedigen auch in ästhetischer Beziehung.) In dem Kapitel
über die Schriftstellers der Jesuiten interessiert besonders, daß ihnen der Index
der verbotnen Bücher sehr unbequem war, daß sie die Undurchführbarkeit der
Jndexvorschriften nachgewiesen und oft anf Milderung gedrungen haben. Unter
den Druckwerken von deutschen Jesuiten im sechzehnten Jahrhundert werden
unter anderen die ^roMinimsiimw latina des Jakob Pontalt erwähnt. Es sind
Dialoge über allerlei Gegenstände in reinem Latein. Einen besondern langen
Dialog hat der Verfasser dem Preise des deutschen Vaterlands gewidmet, seines
milden Klimas, seiner herrlichen Gärten, fruchtbaren Felder, fischreichen Seen
und Flüsse, hohen Gebirge, heilkräftigen Bäder. „Nicht genug kann er preisen
die zahlreichen blühenden Städte, Dörfer und Weiler, die vielen herrlichen Gottes¬
häuser. Begeistert schildert er die deutsche Ehrlichkeit und Offenheit; nichts liege
dem Deutschen so sehr am Herzen als Wahrheit, Treue, freundliche Zuvor¬
kommenheit. Zürnen sie einmal, so kennen sie nicht unversöhnliche Rache. Gegen
die Notleidenden sind die Deutschen überaus barmherzig, daher die reichen
Almosen, in allen Städten Armen- und Krankenhäuser. Die deutsche Gastfreund¬
schaft ist ja seit Tacitus sprichwörtlich geworden. Die schweren Strafen, die von
alters her auf dem Ehebruch stehn, und die Schande ob der Verlornen Ehre zeigen,
wie hoch die Sittenreinheit geschätzt wird. In der Gelehrsamkeit braucht Deutsch¬
land vor keinem andern Lande zurückzutreten. Wenn man aber gar auf die
herrlichen Taten schaut, welches Volk kann da wohl den Vergleich mit den
Deutschen aushalten? Die größten Erfindungen, die des Pulvers und der
Vuchdruckerkunst, sind von Deutschland ausgegangen, in den Künsten, im Kunst¬
gewerbe welche Leistungen! Die Tapferkeit der Deutschen mußten selbst ihre
Todfeinde preisen. Schon Tacitus hat hervorgehoben, es habe noch jeden gereut,
sich mit den Deutschen in einen Krieg eingelassen zu haben. Kein römischer
Kaiser hat sie auf die Dauer bezwingen können. Durch Gemalt können sie nicht
bezwungen werden, wohl aber durch Güte." Und durch ihre eigne Zwietracht,
wie der Pater vielleicht hinzugefügt haben würde, wenn er fünfzig Jahre später
geschrieben Hütte.

In dem Kapitel „An den Fürstenhöfen" wird nachgewiesen, wie die Obern
des Ordens gegen die Hineinziehung der fürstlichen Beichtväter in die Hofgesell¬
schaft und den Hofklatsch gearbeitet und gegen die Verwendung von Jesuiten
zu diplomatischen Sendungen protestiert haben, ohne das aus diesen gefährlichen
Stellungen hervorgehende Unheil völlig abwenden zu können. Dabei wird denn
auch, wie schon in frühern Kapiteln einigemal, die Gegenreformation gestreift.
Man habe die seelsorgerliche Wirksamkeit der Jesuiten in Deutschland vielfach
so dargestM, als habe sie hauptsächlich in der Bekehrung von Protestanten
bestanden. Das sei aber bei der Menge von Arbeit, die die Seelsorge bei den
Katholiken forderte, gar nicht möglich gewesen. Aus den Berichten lasse sich
das Mermäßig nachweisen; neben der gewaltigen Zahl von Beichten und


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[0133] Die Jesuiten in Deutschland gehalten. Die Jesuitenkollegien, die ich kenne, sind großrciumig und bequem eingerichtet und befriedigen auch in ästhetischer Beziehung.) In dem Kapitel über die Schriftstellers der Jesuiten interessiert besonders, daß ihnen der Index der verbotnen Bücher sehr unbequem war, daß sie die Undurchführbarkeit der Jndexvorschriften nachgewiesen und oft anf Milderung gedrungen haben. Unter den Druckwerken von deutschen Jesuiten im sechzehnten Jahrhundert werden unter anderen die ^roMinimsiimw latina des Jakob Pontalt erwähnt. Es sind Dialoge über allerlei Gegenstände in reinem Latein. Einen besondern langen Dialog hat der Verfasser dem Preise des deutschen Vaterlands gewidmet, seines milden Klimas, seiner herrlichen Gärten, fruchtbaren Felder, fischreichen Seen und Flüsse, hohen Gebirge, heilkräftigen Bäder. „Nicht genug kann er preisen die zahlreichen blühenden Städte, Dörfer und Weiler, die vielen herrlichen Gottes¬ häuser. Begeistert schildert er die deutsche Ehrlichkeit und Offenheit; nichts liege dem Deutschen so sehr am Herzen als Wahrheit, Treue, freundliche Zuvor¬ kommenheit. Zürnen sie einmal, so kennen sie nicht unversöhnliche Rache. Gegen die Notleidenden sind die Deutschen überaus barmherzig, daher die reichen Almosen, in allen Städten Armen- und Krankenhäuser. Die deutsche Gastfreund¬ schaft ist ja seit Tacitus sprichwörtlich geworden. Die schweren Strafen, die von alters her auf dem Ehebruch stehn, und die Schande ob der Verlornen Ehre zeigen, wie hoch die Sittenreinheit geschätzt wird. In der Gelehrsamkeit braucht Deutsch¬ land vor keinem andern Lande zurückzutreten. Wenn man aber gar auf die herrlichen Taten schaut, welches Volk kann da wohl den Vergleich mit den Deutschen aushalten? Die größten Erfindungen, die des Pulvers und der Vuchdruckerkunst, sind von Deutschland ausgegangen, in den Künsten, im Kunst¬ gewerbe welche Leistungen! Die Tapferkeit der Deutschen mußten selbst ihre Todfeinde preisen. Schon Tacitus hat hervorgehoben, es habe noch jeden gereut, sich mit den Deutschen in einen Krieg eingelassen zu haben. Kein römischer Kaiser hat sie auf die Dauer bezwingen können. Durch Gemalt können sie nicht bezwungen werden, wohl aber durch Güte." Und durch ihre eigne Zwietracht, wie der Pater vielleicht hinzugefügt haben würde, wenn er fünfzig Jahre später geschrieben Hütte. In dem Kapitel „An den Fürstenhöfen" wird nachgewiesen, wie die Obern des Ordens gegen die Hineinziehung der fürstlichen Beichtväter in die Hofgesell¬ schaft und den Hofklatsch gearbeitet und gegen die Verwendung von Jesuiten zu diplomatischen Sendungen protestiert haben, ohne das aus diesen gefährlichen Stellungen hervorgehende Unheil völlig abwenden zu können. Dabei wird denn auch, wie schon in frühern Kapiteln einigemal, die Gegenreformation gestreift. Man habe die seelsorgerliche Wirksamkeit der Jesuiten in Deutschland vielfach so dargestM, als habe sie hauptsächlich in der Bekehrung von Protestanten bestanden. Das sei aber bei der Menge von Arbeit, die die Seelsorge bei den Katholiken forderte, gar nicht möglich gewesen. Aus den Berichten lasse sich das Mermäßig nachweisen; neben der gewaltigen Zahl von Beichten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/133>, abgerufen am 24.07.2024.