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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Gin Ereignis in meinem Berufsleben

das Herz bis zum Halse hinaus, jedesmal glaubte ich, daß meine Pflegemutter
käme, um mich wieder zu holen. Der Glaube, daß Gott meine täglichen Gebete
erhöre und meinen Pflegeeltern auf irgendeine Weise Kunde von meinem trostlosen
Leben geben müsse, war so stark in mir, daß ich sogar Sonntags nach getaner
Arbeit, anstatt mit andern Kindern umherzulaufen und zu spielen, zu Hause blieb,
immer mit der geheimen, gläubigen Hoffnung: Heute kommen sie ganz gewiß.
Aber Woche um Woche, Monat um Monat verstrich, und niemand kümmerte sich
um mich. Da wurde ich langsam gleichgiltig, und langsam schwand in mir das
große Entsetzen vor dem schamlosen Treiben um mich herum. So wuchs ich heran,
trotz der schlechten Pflege und vielleicht gerade durch die harte Arbeit, kräftig und
gesund. Als ich vierzehn Jahre alt war, kam ich aus der Schule, und von diesem
Tage an wurde ich nicht mehr hinausgejagt, wenn sich lichtscheues Gesinde! in
unsrer Wohnung sammelte, im Gegenteil ich wurde dazu gerufen, um die scham¬
losesten Dinge kennen zu lernen. Meine Mutter nahm mich außerdem mit in die
Warenhäuser, um mich in die Schliche der Ladendiebinnen einzuweihen. Mit
fünfzehn Jahren verbüßte ich die erste Gefängnisstrafe wegen eines Taschen¬
diebstahls. Man hatte mich hiernach eigentlich in Zwangserziehung geben wollen,
meine Mutter erreichte es aber, wodurch, weiß ich nicht, daß man mich noch
einmal laufen ließ. Und dann kam das Letzte! Ich war gerade sechzehn Jahre
alt geworden, als meine Mutter es auf jede mögliche Weise versuchte, mich dem
Laster in die Arme zu treiben. Noch war das Schamgefühl in mir nicht ganz
erstorben, und ich wehrte mich, soweit es in meinen Kräften stand. Hunger und
Schläge aber sind hart und doppelt schmerzhaft für den, der um sich prasselt und
verschwenden sieht. So bin ich denn unterlegen, um meiner Mutter eine gehor¬
same Tochter zu werden. Wenn ich aber auch schlecht geworden bin und trotzig
und roh, o glauben Sie mir, Fräulein, daß es immer für mich Stunden gegeben
hat, wo ich den Tag meiner Geburt verwünschte, und wo ich mich voller Ver¬
zweiflung fragte, weshalb hat man mich als Kind gehegt und gepflegt, um mich
dem Elend preiszugeben, weshalb hat man mich nicht sterben lassen.

So, nun wissen Sie alles, und wenn Sie jetzt noch glauben, daß eine Hilfe
für mich möglich ist, dann will ich den mir gewiesnen Weg gerne gehn.

Ich hielt es nun nach diesem langen und ernsten Bekenntnis für meine
Pflicht, sie auf den Geistlichen unsrer Anstalt zu verweisen, indem ich ihr sagte,
daß es meine feste Überzeugung sei, daß nur von dieser Seite ihr Hilfe werden
könnte. Ich versprach ihr selbst mit dem Geistlichen zu sprechen, und da es spät
geworden war, verließ ich, nachdem ich noch eine kurze Zeit ernst und freundlich
mit ihr über ihr bisheriges Leben gesprochen hatte, ihre Zelle mit dem Hinweis
auf die tröstenden Worte, die Christus uns zugerufen hat: Ich bin ein Arzt der
Kranken und nicht der Gesunden.

Hedwig R. hatte noch einige Wochen Strafe zu verbüßen, und als die
Stunde ihrer Freiheit schlug, war ihr auf ihren ausdrücklichen Wunsch in einem
Fürsorgeheim für entlassene Strafgefangne ein Platz gesichert. Mit der festen Ab¬
sicht, ein andres Leben anzufangen, ging sie in ihre neue Heimat.

Monate sind hiernach ins Land gegangen, ab und zu kam ein Brief von
Hedwig R. voller Dankbarkeit und freudiger Hoffnung. In uns allen lebte
die Überzeugung, daß sie nun das Schwerste überwunden habe. Da plötzlich
blieben ihre Briefe aus, und dann traf uns wie ein Blitz die Nachricht, daß
Hedwig R. von einem andern Mädchen des Diebstahls an einer wertlosen Brosche
bezichtigt worden war, und obwohl die Vorsteherin ihr die Versicherung gab, daß
niemand sie dieser Tat für fähig halte, hat sie dennoch eines Tages die Anstalt
heimlich verlassen, und niemand weiß, wo sie geblieben ist. Bald darauf hat sich


Gin Ereignis in meinem Berufsleben

das Herz bis zum Halse hinaus, jedesmal glaubte ich, daß meine Pflegemutter
käme, um mich wieder zu holen. Der Glaube, daß Gott meine täglichen Gebete
erhöre und meinen Pflegeeltern auf irgendeine Weise Kunde von meinem trostlosen
Leben geben müsse, war so stark in mir, daß ich sogar Sonntags nach getaner
Arbeit, anstatt mit andern Kindern umherzulaufen und zu spielen, zu Hause blieb,
immer mit der geheimen, gläubigen Hoffnung: Heute kommen sie ganz gewiß.
Aber Woche um Woche, Monat um Monat verstrich, und niemand kümmerte sich
um mich. Da wurde ich langsam gleichgiltig, und langsam schwand in mir das
große Entsetzen vor dem schamlosen Treiben um mich herum. So wuchs ich heran,
trotz der schlechten Pflege und vielleicht gerade durch die harte Arbeit, kräftig und
gesund. Als ich vierzehn Jahre alt war, kam ich aus der Schule, und von diesem
Tage an wurde ich nicht mehr hinausgejagt, wenn sich lichtscheues Gesinde! in
unsrer Wohnung sammelte, im Gegenteil ich wurde dazu gerufen, um die scham¬
losesten Dinge kennen zu lernen. Meine Mutter nahm mich außerdem mit in die
Warenhäuser, um mich in die Schliche der Ladendiebinnen einzuweihen. Mit
fünfzehn Jahren verbüßte ich die erste Gefängnisstrafe wegen eines Taschen¬
diebstahls. Man hatte mich hiernach eigentlich in Zwangserziehung geben wollen,
meine Mutter erreichte es aber, wodurch, weiß ich nicht, daß man mich noch
einmal laufen ließ. Und dann kam das Letzte! Ich war gerade sechzehn Jahre
alt geworden, als meine Mutter es auf jede mögliche Weise versuchte, mich dem
Laster in die Arme zu treiben. Noch war das Schamgefühl in mir nicht ganz
erstorben, und ich wehrte mich, soweit es in meinen Kräften stand. Hunger und
Schläge aber sind hart und doppelt schmerzhaft für den, der um sich prasselt und
verschwenden sieht. So bin ich denn unterlegen, um meiner Mutter eine gehor¬
same Tochter zu werden. Wenn ich aber auch schlecht geworden bin und trotzig
und roh, o glauben Sie mir, Fräulein, daß es immer für mich Stunden gegeben
hat, wo ich den Tag meiner Geburt verwünschte, und wo ich mich voller Ver¬
zweiflung fragte, weshalb hat man mich als Kind gehegt und gepflegt, um mich
dem Elend preiszugeben, weshalb hat man mich nicht sterben lassen.

So, nun wissen Sie alles, und wenn Sie jetzt noch glauben, daß eine Hilfe
für mich möglich ist, dann will ich den mir gewiesnen Weg gerne gehn.

Ich hielt es nun nach diesem langen und ernsten Bekenntnis für meine
Pflicht, sie auf den Geistlichen unsrer Anstalt zu verweisen, indem ich ihr sagte,
daß es meine feste Überzeugung sei, daß nur von dieser Seite ihr Hilfe werden
könnte. Ich versprach ihr selbst mit dem Geistlichen zu sprechen, und da es spät
geworden war, verließ ich, nachdem ich noch eine kurze Zeit ernst und freundlich
mit ihr über ihr bisheriges Leben gesprochen hatte, ihre Zelle mit dem Hinweis
auf die tröstenden Worte, die Christus uns zugerufen hat: Ich bin ein Arzt der
Kranken und nicht der Gesunden.

Hedwig R. hatte noch einige Wochen Strafe zu verbüßen, und als die
Stunde ihrer Freiheit schlug, war ihr auf ihren ausdrücklichen Wunsch in einem
Fürsorgeheim für entlassene Strafgefangne ein Platz gesichert. Mit der festen Ab¬
sicht, ein andres Leben anzufangen, ging sie in ihre neue Heimat.

Monate sind hiernach ins Land gegangen, ab und zu kam ein Brief von
Hedwig R. voller Dankbarkeit und freudiger Hoffnung. In uns allen lebte
die Überzeugung, daß sie nun das Schwerste überwunden habe. Da plötzlich
blieben ihre Briefe aus, und dann traf uns wie ein Blitz die Nachricht, daß
Hedwig R. von einem andern Mädchen des Diebstahls an einer wertlosen Brosche
bezichtigt worden war, und obwohl die Vorsteherin ihr die Versicherung gab, daß
niemand sie dieser Tat für fähig halte, hat sie dennoch eines Tages die Anstalt
heimlich verlassen, und niemand weiß, wo sie geblieben ist. Bald darauf hat sich


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[0653] Gin Ereignis in meinem Berufsleben das Herz bis zum Halse hinaus, jedesmal glaubte ich, daß meine Pflegemutter käme, um mich wieder zu holen. Der Glaube, daß Gott meine täglichen Gebete erhöre und meinen Pflegeeltern auf irgendeine Weise Kunde von meinem trostlosen Leben geben müsse, war so stark in mir, daß ich sogar Sonntags nach getaner Arbeit, anstatt mit andern Kindern umherzulaufen und zu spielen, zu Hause blieb, immer mit der geheimen, gläubigen Hoffnung: Heute kommen sie ganz gewiß. Aber Woche um Woche, Monat um Monat verstrich, und niemand kümmerte sich um mich. Da wurde ich langsam gleichgiltig, und langsam schwand in mir das große Entsetzen vor dem schamlosen Treiben um mich herum. So wuchs ich heran, trotz der schlechten Pflege und vielleicht gerade durch die harte Arbeit, kräftig und gesund. Als ich vierzehn Jahre alt war, kam ich aus der Schule, und von diesem Tage an wurde ich nicht mehr hinausgejagt, wenn sich lichtscheues Gesinde! in unsrer Wohnung sammelte, im Gegenteil ich wurde dazu gerufen, um die scham¬ losesten Dinge kennen zu lernen. Meine Mutter nahm mich außerdem mit in die Warenhäuser, um mich in die Schliche der Ladendiebinnen einzuweihen. Mit fünfzehn Jahren verbüßte ich die erste Gefängnisstrafe wegen eines Taschen¬ diebstahls. Man hatte mich hiernach eigentlich in Zwangserziehung geben wollen, meine Mutter erreichte es aber, wodurch, weiß ich nicht, daß man mich noch einmal laufen ließ. Und dann kam das Letzte! Ich war gerade sechzehn Jahre alt geworden, als meine Mutter es auf jede mögliche Weise versuchte, mich dem Laster in die Arme zu treiben. Noch war das Schamgefühl in mir nicht ganz erstorben, und ich wehrte mich, soweit es in meinen Kräften stand. Hunger und Schläge aber sind hart und doppelt schmerzhaft für den, der um sich prasselt und verschwenden sieht. So bin ich denn unterlegen, um meiner Mutter eine gehor¬ same Tochter zu werden. Wenn ich aber auch schlecht geworden bin und trotzig und roh, o glauben Sie mir, Fräulein, daß es immer für mich Stunden gegeben hat, wo ich den Tag meiner Geburt verwünschte, und wo ich mich voller Ver¬ zweiflung fragte, weshalb hat man mich als Kind gehegt und gepflegt, um mich dem Elend preiszugeben, weshalb hat man mich nicht sterben lassen. So, nun wissen Sie alles, und wenn Sie jetzt noch glauben, daß eine Hilfe für mich möglich ist, dann will ich den mir gewiesnen Weg gerne gehn. Ich hielt es nun nach diesem langen und ernsten Bekenntnis für meine Pflicht, sie auf den Geistlichen unsrer Anstalt zu verweisen, indem ich ihr sagte, daß es meine feste Überzeugung sei, daß nur von dieser Seite ihr Hilfe werden könnte. Ich versprach ihr selbst mit dem Geistlichen zu sprechen, und da es spät geworden war, verließ ich, nachdem ich noch eine kurze Zeit ernst und freundlich mit ihr über ihr bisheriges Leben gesprochen hatte, ihre Zelle mit dem Hinweis auf die tröstenden Worte, die Christus uns zugerufen hat: Ich bin ein Arzt der Kranken und nicht der Gesunden. Hedwig R. hatte noch einige Wochen Strafe zu verbüßen, und als die Stunde ihrer Freiheit schlug, war ihr auf ihren ausdrücklichen Wunsch in einem Fürsorgeheim für entlassene Strafgefangne ein Platz gesichert. Mit der festen Ab¬ sicht, ein andres Leben anzufangen, ging sie in ihre neue Heimat. Monate sind hiernach ins Land gegangen, ab und zu kam ein Brief von Hedwig R. voller Dankbarkeit und freudiger Hoffnung. In uns allen lebte die Überzeugung, daß sie nun das Schwerste überwunden habe. Da plötzlich blieben ihre Briefe aus, und dann traf uns wie ein Blitz die Nachricht, daß Hedwig R. von einem andern Mädchen des Diebstahls an einer wertlosen Brosche bezichtigt worden war, und obwohl die Vorsteherin ihr die Versicherung gab, daß niemand sie dieser Tat für fähig halte, hat sie dennoch eines Tages die Anstalt heimlich verlassen, und niemand weiß, wo sie geblieben ist. Bald darauf hat sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/653>, abgerufen am 22.07.2024.