Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.Johann Friedrich von Schulte Haupttür und hörte, wie der Rektor Nählowski tschechisch in ganz unwürdiger Weise Schwarzenberg verkehrte immer, auch noch nach der 1870 eingetretnen Johann Friedrich von Schulte Haupttür und hörte, wie der Rektor Nählowski tschechisch in ganz unwürdiger Weise Schwarzenberg verkehrte immer, auch noch nach der 1870 eingetretnen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0642" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311053"/> <fw type="header" place="top"> Johann Friedrich von Schulte</fw><lb/> <p xml:id="ID_3307" prev="#ID_3306"> Haupttür und hörte, wie der Rektor Nählowski tschechisch in ganz unwürdiger Weise<lb/> die Tumultuanten flehentlich bat, ruhig zu sein. Mit Gewalt machte ich mir Platz,<lb/> drang bis zur Treppe vor, rief laut: „ich befehle, sofort das Karolinum zu ver¬<lb/> lassen", faßte zwei Rechtshörer, die tschechisch opponierten, bei den Armen und schob<lb/> sie in den Vorraum des Sitzungssaales mit dem Bemerken: „Sie bleiben hier, ich<lb/> werde mit Ihnen ein Protokoll aufnehmen", drängte die Tumultuanten auseinander,<lb/> hatte die Satisfaktion, daß das Gebäude in fünf Minnten geleert war und der<lb/> klägliche Rektor allein dastand; ich ließ die Tür schließen, ging ins Sitzungszimmer<lb/> und fand dort Höfler zitternd und bebend. In der nächsten Nummer des MroÄni<lb/> 1i8t^ stand, ich hätte brutal zwei Studenten mit den Köpfen zusammengestoßen und<lb/> die Treppe hinuntergeworfen. Meine Kollegen meinten, das müsse ich in derselben<lb/> Zeitung berichtigen. Gott bewahre, erklärte ich: wenn mir die Tschechen solche Kraft<lb/> zutrauen, mich für so verwegen und für fähig halten, das zu tun, obwohl die<lb/> Treppe so voll war, daß kein Apfel zur Erde konnte, so werde ich mich hüten,<lb/> diese gute Meinung, die mau von mir hegt, zu zerstören.</p><lb/> <p xml:id="ID_3308" next="#ID_3309"> Schwarzenberg verkehrte immer, auch noch nach der 1870 eingetretnen<lb/> Spaltung, sehr freundschaftlich mit Schulte, doch sah dieser sich einmal ver¬<lb/> anlaßt, einen Plan des Kardinals zu vereiteln. Schwarzenberg schlug in einer<lb/> Eingabe an den Kaiser die Säkularisierung der Prämonstratenserstifte Tepl und<lb/> Seelau vor; die Stiftsgüter sollten zur Dotierung neuer Bistümer verwandt<lb/> werden, die sehr nötig seien. Schulte organisierte und leitete den Widerstand<lb/> der Stiftsherren, denen er wohlwollte, weil sie liberal waren und mit Schnl-<lb/> gründungen, Wohltätigkeit, Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts (auch der<lb/> Kurort Marienbad ist eine Schöpfung des Stiftes Tepl) gemeinnützig wirkten.<lb/> (Seitdem sind die alten Prümonstratenser- und Benediktinerstifte im römischen<lb/> Sinne „reformiert" worden.) Nicht neue Bistümer, meinte Schulte, sondern<lb/> mehr Pfarreien seien notwendig. Außerdem wußte er, daß beabsichtigt war,<lb/> das Stiftsvermögen auch zur Gründung von Knabenseminarien zu verwenden,<lb/> und daß die Zöglinge der schon vorhandnen bischöflichen Seminarien tschechisiert<lb/> wurden. Neue Bistümer in den deutschen Teilen Böhmens würden demnach die<lb/> Tschechisierung zunächst des Klerus dieser Gegenden bedeutet haben. „Dieser<lb/> und der Drillung des Klerus aus aller Kraft entgegenzutreten, hielt ich für<lb/> Pflicht." Wie streng katholisch jedoch Schulte trotz solchem Widerstand gegen<lb/> übermäßige Klerikalisierung noch in den sechziger Jahren war, geht aus folgendem<lb/> hervor. Auch der Wiener Erzbischof, Kardinal Rauscher, dessen absolutes Regiment<lb/> von den übrigen österreichischen Bischöfen, sogar von Schwarzenberg, als ein<lb/> Joch empfunden wurde, verkehrte freundschaftlich mit Schulte, der oft nach<lb/> Wien kam. Im Sommer 1860 nun ließ ihn Rauscher durch seinen Sekretär<lb/> um Material bitten zur Beantwortung der Frage, wie in Preußen die Parität<lb/> gehandhabt werde. Schulte antwortete im März 1861, auf sein Gesuch seien<lb/> der Geheimrat Aulicke (Vorsitzender der katholischen Abteilung des Kultus¬<lb/> ministeriums), der Oberregierungsrat Osterrath und der Kreisgerichtsrat Robben,<lb/> „die drei tüchtigsten und kompetentesten katholischen Laien in Preußen", zu¬<lb/> sammengetreten, um Material zu liefern, das zur Abwehr von Angriffen auf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0642]
Johann Friedrich von Schulte
Haupttür und hörte, wie der Rektor Nählowski tschechisch in ganz unwürdiger Weise
die Tumultuanten flehentlich bat, ruhig zu sein. Mit Gewalt machte ich mir Platz,
drang bis zur Treppe vor, rief laut: „ich befehle, sofort das Karolinum zu ver¬
lassen", faßte zwei Rechtshörer, die tschechisch opponierten, bei den Armen und schob
sie in den Vorraum des Sitzungssaales mit dem Bemerken: „Sie bleiben hier, ich
werde mit Ihnen ein Protokoll aufnehmen", drängte die Tumultuanten auseinander,
hatte die Satisfaktion, daß das Gebäude in fünf Minnten geleert war und der
klägliche Rektor allein dastand; ich ließ die Tür schließen, ging ins Sitzungszimmer
und fand dort Höfler zitternd und bebend. In der nächsten Nummer des MroÄni
1i8t^ stand, ich hätte brutal zwei Studenten mit den Köpfen zusammengestoßen und
die Treppe hinuntergeworfen. Meine Kollegen meinten, das müsse ich in derselben
Zeitung berichtigen. Gott bewahre, erklärte ich: wenn mir die Tschechen solche Kraft
zutrauen, mich für so verwegen und für fähig halten, das zu tun, obwohl die
Treppe so voll war, daß kein Apfel zur Erde konnte, so werde ich mich hüten,
diese gute Meinung, die mau von mir hegt, zu zerstören.
Schwarzenberg verkehrte immer, auch noch nach der 1870 eingetretnen
Spaltung, sehr freundschaftlich mit Schulte, doch sah dieser sich einmal ver¬
anlaßt, einen Plan des Kardinals zu vereiteln. Schwarzenberg schlug in einer
Eingabe an den Kaiser die Säkularisierung der Prämonstratenserstifte Tepl und
Seelau vor; die Stiftsgüter sollten zur Dotierung neuer Bistümer verwandt
werden, die sehr nötig seien. Schulte organisierte und leitete den Widerstand
der Stiftsherren, denen er wohlwollte, weil sie liberal waren und mit Schnl-
gründungen, Wohltätigkeit, Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts (auch der
Kurort Marienbad ist eine Schöpfung des Stiftes Tepl) gemeinnützig wirkten.
(Seitdem sind die alten Prümonstratenser- und Benediktinerstifte im römischen
Sinne „reformiert" worden.) Nicht neue Bistümer, meinte Schulte, sondern
mehr Pfarreien seien notwendig. Außerdem wußte er, daß beabsichtigt war,
das Stiftsvermögen auch zur Gründung von Knabenseminarien zu verwenden,
und daß die Zöglinge der schon vorhandnen bischöflichen Seminarien tschechisiert
wurden. Neue Bistümer in den deutschen Teilen Böhmens würden demnach die
Tschechisierung zunächst des Klerus dieser Gegenden bedeutet haben. „Dieser
und der Drillung des Klerus aus aller Kraft entgegenzutreten, hielt ich für
Pflicht." Wie streng katholisch jedoch Schulte trotz solchem Widerstand gegen
übermäßige Klerikalisierung noch in den sechziger Jahren war, geht aus folgendem
hervor. Auch der Wiener Erzbischof, Kardinal Rauscher, dessen absolutes Regiment
von den übrigen österreichischen Bischöfen, sogar von Schwarzenberg, als ein
Joch empfunden wurde, verkehrte freundschaftlich mit Schulte, der oft nach
Wien kam. Im Sommer 1860 nun ließ ihn Rauscher durch seinen Sekretär
um Material bitten zur Beantwortung der Frage, wie in Preußen die Parität
gehandhabt werde. Schulte antwortete im März 1861, auf sein Gesuch seien
der Geheimrat Aulicke (Vorsitzender der katholischen Abteilung des Kultus¬
ministeriums), der Oberregierungsrat Osterrath und der Kreisgerichtsrat Robben,
„die drei tüchtigsten und kompetentesten katholischen Laien in Preußen", zu¬
sammengetreten, um Material zu liefern, das zur Abwehr von Angriffen auf
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