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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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die er ansprach, Aufmerksamkeit zu bezeigen. Manche Äußerungen konnten
schroff erscheinen. Eine einzige Dame, Frau Präsident vou der Recke, machte
eine Ausnahme; als er hörte, daß sie aus Erfurt sei, sagte er ihr: Ich hätte
nicht geglaubt, daß es in Erfurt so schöne Frauen gibt. Aber sind Sie denn
auch eine geborne Erfnrterin? -- Nein, Sire, ich bin zu Stettin geboren! -- Also
Preußin? -- Ja, Sire, Preußin von Herz und Seele! -- Gut, man muß seinem
Naterlaud anhängen! Und mit verbindlichem Gruß wandte er sich ab. Henriette
von Knebel erzählt sein Gespräch mit der Oberstin Egloffstein: Sie stund da
mit Frau von Spiegel, die er fragte: Tanzen die Damen? Frau vou Spiegel
antwortet: Was mich betrifft, Sire, ja, aber Frau von Egloffstein tanzt nicht
(weil sie nämlich guter Hoffnung ist). Darauf fragt er Frau von Egloffstein:
Woher sind Sie? -- Aus dem Elsaß, eine geborne Waldner. Er: Waldner, ich
erinnere mich des Namens, Rapp hat ihn mir genannt. Ich Hütte nicht gedacht,
daß Sie so alt sind. Sie dürften doch nicht über die Zwanziger sein? Sie: Ich habe
sie hinter mir. Er: Ach, jetzt sehe ich, was Sie so alt macht. Und so ging er
weiter. Erst unhöflich und dann französisch ungeniert. Das Gespräch mit Fran
von der Recke wurde als Ausnahme gekennzeichnet, das zweite wäre demnach
die Regel.

Am 7. Oktober fand der Ausflug nach Jena statt. Die ganze Gesellschaft
der Herren brach um 3 Uhr zu Wagen auf und kam um 10 Uhr auf dem
Landgrafenberg an, wo eine große schaulustige Menge sie grüßte mit: Es leben die
Kaiser! Auf dem Windtnollcn, "jetzt Napoleonsberg genannt", hatte der Herzog
einen dorischen Tempel errichten lassen, Hofrat Eichstädt hatte die lateinische
Inschrift verfaßt: ?ra<zsentes clivos usw., deutsch:


Mächtige -- oder göttliche -- Herrscher hat jetzt das alte Thüringen vereinet.
Neue Liebe wird nun einen die staunende Welt.

Napoleon betrat trotz wiederholter Einladung den Tempel nicht, aus Furcht
vor einem Attentat, wie man sagt. Karl August übergibt ihm -- wie eine
Abbildung im Prachtwerk darstellt -- einen Plan der Umgegend, Napoleon
zeigt Alexander die Gegend, dann geht es hinab auf das Plateau, wo Napo¬
leon 1806 biwakierte, hier sind Zelte errichtet, ein Frühstück wird eingenommen,
Deputationen der Universität und der Stadt Jena werden empfangen. Napoleon
hat infolge deren 300000 Franken Entschädigungen verwilligt, 194000 zum
Wiederaufbau der zwanzig abgebrannten Häuser, 40000 für Lazarettkosten,
24000 für die katholische Kirche, 1200 für die evangelische, 8000 für den
Pfarrer Putsche in Weuigenjena usw., ferner der katholischen Kirche das Gut
Mohrenthal, der Universität eine Domäne, genannt Wiese im Leidenstock in der
Grafschaft Blankenhain. Das Nähere darüber ist nach dem Jenaer Stadtarchiv
von Ernst Devrient ausführlich geschildert in dem Katalog der Hundertjahr¬
ausstellung 1806, interessant insbesondre, wie nach vielen Verhandlungen endlich
im Dezember 1810 die Jenaer Bürger Beyer und Hehdenreich das Geld in


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die er ansprach, Aufmerksamkeit zu bezeigen. Manche Äußerungen konnten
schroff erscheinen. Eine einzige Dame, Frau Präsident vou der Recke, machte
eine Ausnahme; als er hörte, daß sie aus Erfurt sei, sagte er ihr: Ich hätte
nicht geglaubt, daß es in Erfurt so schöne Frauen gibt. Aber sind Sie denn
auch eine geborne Erfnrterin? — Nein, Sire, ich bin zu Stettin geboren! — Also
Preußin? — Ja, Sire, Preußin von Herz und Seele! — Gut, man muß seinem
Naterlaud anhängen! Und mit verbindlichem Gruß wandte er sich ab. Henriette
von Knebel erzählt sein Gespräch mit der Oberstin Egloffstein: Sie stund da
mit Frau von Spiegel, die er fragte: Tanzen die Damen? Frau vou Spiegel
antwortet: Was mich betrifft, Sire, ja, aber Frau von Egloffstein tanzt nicht
(weil sie nämlich guter Hoffnung ist). Darauf fragt er Frau von Egloffstein:
Woher sind Sie? — Aus dem Elsaß, eine geborne Waldner. Er: Waldner, ich
erinnere mich des Namens, Rapp hat ihn mir genannt. Ich Hütte nicht gedacht,
daß Sie so alt sind. Sie dürften doch nicht über die Zwanziger sein? Sie: Ich habe
sie hinter mir. Er: Ach, jetzt sehe ich, was Sie so alt macht. Und so ging er
weiter. Erst unhöflich und dann französisch ungeniert. Das Gespräch mit Fran
von der Recke wurde als Ausnahme gekennzeichnet, das zweite wäre demnach
die Regel.

Am 7. Oktober fand der Ausflug nach Jena statt. Die ganze Gesellschaft
der Herren brach um 3 Uhr zu Wagen auf und kam um 10 Uhr auf dem
Landgrafenberg an, wo eine große schaulustige Menge sie grüßte mit: Es leben die
Kaiser! Auf dem Windtnollcn, „jetzt Napoleonsberg genannt", hatte der Herzog
einen dorischen Tempel errichten lassen, Hofrat Eichstädt hatte die lateinische
Inschrift verfaßt: ?ra<zsentes clivos usw., deutsch:


Mächtige — oder göttliche — Herrscher hat jetzt das alte Thüringen vereinet.
Neue Liebe wird nun einen die staunende Welt.

Napoleon betrat trotz wiederholter Einladung den Tempel nicht, aus Furcht
vor einem Attentat, wie man sagt. Karl August übergibt ihm — wie eine
Abbildung im Prachtwerk darstellt — einen Plan der Umgegend, Napoleon
zeigt Alexander die Gegend, dann geht es hinab auf das Plateau, wo Napo¬
leon 1806 biwakierte, hier sind Zelte errichtet, ein Frühstück wird eingenommen,
Deputationen der Universität und der Stadt Jena werden empfangen. Napoleon
hat infolge deren 300000 Franken Entschädigungen verwilligt, 194000 zum
Wiederaufbau der zwanzig abgebrannten Häuser, 40000 für Lazarettkosten,
24000 für die katholische Kirche, 1200 für die evangelische, 8000 für den
Pfarrer Putsche in Weuigenjena usw., ferner der katholischen Kirche das Gut
Mohrenthal, der Universität eine Domäne, genannt Wiese im Leidenstock in der
Grafschaft Blankenhain. Das Nähere darüber ist nach dem Jenaer Stadtarchiv
von Ernst Devrient ausführlich geschildert in dem Katalog der Hundertjahr¬
ausstellung 1806, interessant insbesondre, wie nach vielen Verhandlungen endlich
im Dezember 1810 die Jenaer Bürger Beyer und Hehdenreich das Geld in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/634>, abgerufen am 22.07.2024.