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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Pläne für eine australische Wehrmacht

Das Commonwealth fühlt, daß es selbst in militärischer Beziehung zu handeln
gezwungen sei, aber es wäre falsch, anzunehmen, daß es in bittender Weise den
Amerikanern die Hände entgegenstreckt, es steht da als Kamerad und Bluts¬
verwandter in der Verteidigung einer guten Sache. Das Beispiel Amerikas
feuert zur Nacheiferung an.

Auch in England hat man die Folgen der Konzentrationspolitik jetzt
klar erkannt; die Bemühungen, mit Deutschland zu einer Verständigung über
die maritimen Rüstungen zu kommen, dienten vor allem dem Zweck, Teile der
Flotte wieder zur Verwendung auf außereuropäischen Stationen, vor allem dem
Osten, freizumachen. Nachdem die Verständigung nicht im gewünschten Sinne
erreicht worden ist, wird die große Anleihe für Marinezwecke, die auch für das
liberale Kabinett bcschlvßne Sache ist, keinerlei Widerstand begegnen und un¬
bedingte Annahme finden.

Die großen Gemeinwesen jenseits der Ozeane mit Selbstregierung ent¬
wachsen der direkten Kontrolle des Mutterlandes immer mehr, und während
man in England noch nach einer Formel und den leitenden Grundsätzen sucht,
nach denen das Weltreich zusammengehalten werden soll, sind sich die führenden
Geister in Kanada, Australien und Südafrika darüber einig, daß sie keinen
untergeordneten Status irgendwelcher Art im Reiche mehr annehmen könnten,
sondern sich nur als gleich an Art, wenn auch noch nicht gleich an Macht
betrachtet wissen wollen. Einer der bedeutendsten Vorkämpfer und Förderer des
großbritischen Imperialismus -- Lord Milner -- sieht die Lösung der Frage
in einer Union unabhängiger und gleicher Staaten, jeder solle autonom sein,
und die Autonomie solle die Grundlage ihrer Handlungen, aber als Bindeglied
zwischen ihnen die britische Krone (und vorläufig die Flotte) sein.

Die Frage der Rcichsverteidigung unter den heutigen Verhältnissen ist
äußerst schwierig. Die Kolonien, besonders Australien, haben dem Mutter¬
lande bei verschiednen Gelegenheiten wirksame Hilfe geleistet, zum Beispiel
als sie 1881 in Ägypten und im südafrikanischen Kriege fern von ihren Küsten
kämpften, aber stillschweigend war dabei ihre eigne Sicherheit durch die Flotte
des Mutterlandes garantiert. Mehr und mehr aber erkennt man, daß sich
eine solche Position in dem Maße überlebt, wie die Nationen in ihrem Neife-
prozeß fortschreiten und zu nationalem Bewußtsein gelangen. Das Beispiel
der Vereinigten Staaten Amerikas, die eine so gewaltige Flotte in wenigen
Jahren organisiert haben, dient ihnen als Fingerzeig. Auch Australien erwägt
seit einiger Zeit den Bau einer Marine zu Küstenverteidigungszwecken und
hat die allgemeine Wehrpflicht im Prinzip angenommen; der Besuch der
amerikanischen Flotte hat den Bestrebungen einen mächtigen Antrieb gegeben.
Der Premierminister gibt den Wünschen und Gefühlen der Australier Aus¬
druck, wenn er bei Gelegenheit des amerikanischen Flottenbesuchs sagt, in
seinen Verhandlungen mit der britischen Admiralität über die Seestrcitkräfte
in australischen Gewässern halte er an dem Grundsatze direkter Ausgaben und


Pläne für eine australische Wehrmacht

Das Commonwealth fühlt, daß es selbst in militärischer Beziehung zu handeln
gezwungen sei, aber es wäre falsch, anzunehmen, daß es in bittender Weise den
Amerikanern die Hände entgegenstreckt, es steht da als Kamerad und Bluts¬
verwandter in der Verteidigung einer guten Sache. Das Beispiel Amerikas
feuert zur Nacheiferung an.

Auch in England hat man die Folgen der Konzentrationspolitik jetzt
klar erkannt; die Bemühungen, mit Deutschland zu einer Verständigung über
die maritimen Rüstungen zu kommen, dienten vor allem dem Zweck, Teile der
Flotte wieder zur Verwendung auf außereuropäischen Stationen, vor allem dem
Osten, freizumachen. Nachdem die Verständigung nicht im gewünschten Sinne
erreicht worden ist, wird die große Anleihe für Marinezwecke, die auch für das
liberale Kabinett bcschlvßne Sache ist, keinerlei Widerstand begegnen und un¬
bedingte Annahme finden.

Die großen Gemeinwesen jenseits der Ozeane mit Selbstregierung ent¬
wachsen der direkten Kontrolle des Mutterlandes immer mehr, und während
man in England noch nach einer Formel und den leitenden Grundsätzen sucht,
nach denen das Weltreich zusammengehalten werden soll, sind sich die führenden
Geister in Kanada, Australien und Südafrika darüber einig, daß sie keinen
untergeordneten Status irgendwelcher Art im Reiche mehr annehmen könnten,
sondern sich nur als gleich an Art, wenn auch noch nicht gleich an Macht
betrachtet wissen wollen. Einer der bedeutendsten Vorkämpfer und Förderer des
großbritischen Imperialismus — Lord Milner — sieht die Lösung der Frage
in einer Union unabhängiger und gleicher Staaten, jeder solle autonom sein,
und die Autonomie solle die Grundlage ihrer Handlungen, aber als Bindeglied
zwischen ihnen die britische Krone (und vorläufig die Flotte) sein.

Die Frage der Rcichsverteidigung unter den heutigen Verhältnissen ist
äußerst schwierig. Die Kolonien, besonders Australien, haben dem Mutter¬
lande bei verschiednen Gelegenheiten wirksame Hilfe geleistet, zum Beispiel
als sie 1881 in Ägypten und im südafrikanischen Kriege fern von ihren Küsten
kämpften, aber stillschweigend war dabei ihre eigne Sicherheit durch die Flotte
des Mutterlandes garantiert. Mehr und mehr aber erkennt man, daß sich
eine solche Position in dem Maße überlebt, wie die Nationen in ihrem Neife-
prozeß fortschreiten und zu nationalem Bewußtsein gelangen. Das Beispiel
der Vereinigten Staaten Amerikas, die eine so gewaltige Flotte in wenigen
Jahren organisiert haben, dient ihnen als Fingerzeig. Auch Australien erwägt
seit einiger Zeit den Bau einer Marine zu Küstenverteidigungszwecken und
hat die allgemeine Wehrpflicht im Prinzip angenommen; der Besuch der
amerikanischen Flotte hat den Bestrebungen einen mächtigen Antrieb gegeben.
Der Premierminister gibt den Wünschen und Gefühlen der Australier Aus¬
druck, wenn er bei Gelegenheit des amerikanischen Flottenbesuchs sagt, in
seinen Verhandlungen mit der britischen Admiralität über die Seestrcitkräfte
in australischen Gewässern halte er an dem Grundsatze direkter Ausgaben und


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[0063] Pläne für eine australische Wehrmacht Das Commonwealth fühlt, daß es selbst in militärischer Beziehung zu handeln gezwungen sei, aber es wäre falsch, anzunehmen, daß es in bittender Weise den Amerikanern die Hände entgegenstreckt, es steht da als Kamerad und Bluts¬ verwandter in der Verteidigung einer guten Sache. Das Beispiel Amerikas feuert zur Nacheiferung an. Auch in England hat man die Folgen der Konzentrationspolitik jetzt klar erkannt; die Bemühungen, mit Deutschland zu einer Verständigung über die maritimen Rüstungen zu kommen, dienten vor allem dem Zweck, Teile der Flotte wieder zur Verwendung auf außereuropäischen Stationen, vor allem dem Osten, freizumachen. Nachdem die Verständigung nicht im gewünschten Sinne erreicht worden ist, wird die große Anleihe für Marinezwecke, die auch für das liberale Kabinett bcschlvßne Sache ist, keinerlei Widerstand begegnen und un¬ bedingte Annahme finden. Die großen Gemeinwesen jenseits der Ozeane mit Selbstregierung ent¬ wachsen der direkten Kontrolle des Mutterlandes immer mehr, und während man in England noch nach einer Formel und den leitenden Grundsätzen sucht, nach denen das Weltreich zusammengehalten werden soll, sind sich die führenden Geister in Kanada, Australien und Südafrika darüber einig, daß sie keinen untergeordneten Status irgendwelcher Art im Reiche mehr annehmen könnten, sondern sich nur als gleich an Art, wenn auch noch nicht gleich an Macht betrachtet wissen wollen. Einer der bedeutendsten Vorkämpfer und Förderer des großbritischen Imperialismus — Lord Milner — sieht die Lösung der Frage in einer Union unabhängiger und gleicher Staaten, jeder solle autonom sein, und die Autonomie solle die Grundlage ihrer Handlungen, aber als Bindeglied zwischen ihnen die britische Krone (und vorläufig die Flotte) sein. Die Frage der Rcichsverteidigung unter den heutigen Verhältnissen ist äußerst schwierig. Die Kolonien, besonders Australien, haben dem Mutter¬ lande bei verschiednen Gelegenheiten wirksame Hilfe geleistet, zum Beispiel als sie 1881 in Ägypten und im südafrikanischen Kriege fern von ihren Küsten kämpften, aber stillschweigend war dabei ihre eigne Sicherheit durch die Flotte des Mutterlandes garantiert. Mehr und mehr aber erkennt man, daß sich eine solche Position in dem Maße überlebt, wie die Nationen in ihrem Neife- prozeß fortschreiten und zu nationalem Bewußtsein gelangen. Das Beispiel der Vereinigten Staaten Amerikas, die eine so gewaltige Flotte in wenigen Jahren organisiert haben, dient ihnen als Fingerzeig. Auch Australien erwägt seit einiger Zeit den Bau einer Marine zu Küstenverteidigungszwecken und hat die allgemeine Wehrpflicht im Prinzip angenommen; der Besuch der amerikanischen Flotte hat den Bestrebungen einen mächtigen Antrieb gegeben. Der Premierminister gibt den Wünschen und Gefühlen der Australier Aus¬ druck, wenn er bei Gelegenheit des amerikanischen Flottenbesuchs sagt, in seinen Verhandlungen mit der britischen Admiralität über die Seestrcitkräfte in australischen Gewässern halte er an dem Grundsatze direkter Ausgaben und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/63>, abgerufen am 22.07.2024.