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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros gegen Ästerreich

falls bis jetzt nur einige wenige Vorarbeiten erledigt sein können, nicht nur
weil es an Zeit und Geld für größere Bauten gefehlt hat. sondern weil die
Regierung sehr richtig erkannt hat, daß zunächst die Armee einer tüchtigen
Porbereitung bedarf, wenn man sie zu einem schlagfertigen Werkzeug in der
Hand ihrer Führer entwickeln will.

Am 10. Oktober d. I. sind Serbien und Montenegro ein Bündnis ein¬
gegangen; sie wollen einander Beistand leisten für den Fall, daß es zu einem
Kriege gegen Österreich kommen sollte. Die Thronfolger in Belgrad und
Cetinje haben ans diesem Anlaß seinerzeit Begrüßungsdepescheu in über¬
schwenglichen Worten ausgetauscht. Zugleich rief Fürst nitida die Milizen zur
Fahne und beschleunigte den begonnenen Ausbau der Festungen, die im Falle
eines Verteidigungskrieges die Hauptstützen des Landes bilden sollen. Dem
Befestigungssystem Montenegros liegt die Idee zugrunde, die kultivierten Teile
des Landes an der Zeta und Moraca (Niksie-Spuz-Podgorica), aus dene"
der Verteidiger seine Hilfsquellen schöpft, in der Hand zu behalten und die
von Ost und West dahinführenden feindlichen Einbruchslinien (Dugafnrche,
Kolasin) zu sperren und schließlich für die Abwehr von Landungsversuchen von
der Adria aus (Zabljalo-Virpazar-Sutormau Pasa) Stützpunkte zu besitzen.
Demgemäß wurden die Zeta-Moraca-Linie befestigt und die über schwierige
Gebirgspassagen führenden Einbruchswege über die Ost-, West- und Südgrenze
mit Sperrbefestigungen verlegt. Die Befestigungen stammen zum größten
Teile noch von den Türken her; es sind altartige, meist aus Bruchstein¬
mauerwerk hergestellte Sperren und Kastelle, gegen Gebirgsgeschütze wider¬
standsfähig und zum überwiegenden Teile als solche erhalten, zum Teil als
Depots adaptiert oder dem Verfalle überlassen. Außerdem finden sich zahl¬
reiche verteidigungsfähige Wachhäuser, Karaulc", Kulas; auch die im Lande
verstreuten Klöster besitzen infolge ihrer soliden Bauart einigen militärischen
Wert und haben ihre Bedeutung in den Kriegen gegen die Türkei geschichtlich
erhärtet.

Die Befestigungen von Niksic bestehen ans einem Kastell mit zwei ver¬
teidigungsfähigen Abschnitten, von denen der obere, auf einem 50 Meter hohen
Feldriegel gelegen, 4 bis 6 Meter hohe, 1,5 Meter dicke krenellierte Mauern
und mehrere Emplacements für etwa 17 Geschütze und ein starkes Neduit
besitzt, weiter aus einer Reihe von Külen, die ziemlich planlos in Niksicko
polje verstreut siud. Die Gruppe Spuz-Podgorica sichert den Manövrierraum
der Talebne von Danilowgrad-Spuz, die über 15 Kilometer lang und 3 bis
10 Kilometer breit ist und als die fruchtbarste und ressourcenreichste Gegend
des Landes gilt. Im Norden liegt das Fort Spuz, aus etwa 8 Erdwerken
und Sperren bestehend, im Süden der kleine Brückenkopf Podgorica; beide
Befestigungen haben überdies mehrere halbverfallnc Kulen; die minder bau¬
fälligen stehen als Depots in Benutzung. An der Nordwestgrenze ist der
wichtigste Einbruchsweg, der über die Dugapüsse, durch mehrere Befestigungen
gesperrt. Die Dugafurche wird von 1900 Meter hohen Mittelgebirgsrücken


Der befestigte Grenzschutz Serbiens und Montenegros gegen Ästerreich

falls bis jetzt nur einige wenige Vorarbeiten erledigt sein können, nicht nur
weil es an Zeit und Geld für größere Bauten gefehlt hat. sondern weil die
Regierung sehr richtig erkannt hat, daß zunächst die Armee einer tüchtigen
Porbereitung bedarf, wenn man sie zu einem schlagfertigen Werkzeug in der
Hand ihrer Führer entwickeln will.

Am 10. Oktober d. I. sind Serbien und Montenegro ein Bündnis ein¬
gegangen; sie wollen einander Beistand leisten für den Fall, daß es zu einem
Kriege gegen Österreich kommen sollte. Die Thronfolger in Belgrad und
Cetinje haben ans diesem Anlaß seinerzeit Begrüßungsdepescheu in über¬
schwenglichen Worten ausgetauscht. Zugleich rief Fürst nitida die Milizen zur
Fahne und beschleunigte den begonnenen Ausbau der Festungen, die im Falle
eines Verteidigungskrieges die Hauptstützen des Landes bilden sollen. Dem
Befestigungssystem Montenegros liegt die Idee zugrunde, die kultivierten Teile
des Landes an der Zeta und Moraca (Niksie-Spuz-Podgorica), aus dene»
der Verteidiger seine Hilfsquellen schöpft, in der Hand zu behalten und die
von Ost und West dahinführenden feindlichen Einbruchslinien (Dugafnrche,
Kolasin) zu sperren und schließlich für die Abwehr von Landungsversuchen von
der Adria aus (Zabljalo-Virpazar-Sutormau Pasa) Stützpunkte zu besitzen.
Demgemäß wurden die Zeta-Moraca-Linie befestigt und die über schwierige
Gebirgspassagen führenden Einbruchswege über die Ost-, West- und Südgrenze
mit Sperrbefestigungen verlegt. Die Befestigungen stammen zum größten
Teile noch von den Türken her; es sind altartige, meist aus Bruchstein¬
mauerwerk hergestellte Sperren und Kastelle, gegen Gebirgsgeschütze wider¬
standsfähig und zum überwiegenden Teile als solche erhalten, zum Teil als
Depots adaptiert oder dem Verfalle überlassen. Außerdem finden sich zahl¬
reiche verteidigungsfähige Wachhäuser, Karaulc», Kulas; auch die im Lande
verstreuten Klöster besitzen infolge ihrer soliden Bauart einigen militärischen
Wert und haben ihre Bedeutung in den Kriegen gegen die Türkei geschichtlich
erhärtet.

Die Befestigungen von Niksic bestehen ans einem Kastell mit zwei ver¬
teidigungsfähigen Abschnitten, von denen der obere, auf einem 50 Meter hohen
Feldriegel gelegen, 4 bis 6 Meter hohe, 1,5 Meter dicke krenellierte Mauern
und mehrere Emplacements für etwa 17 Geschütze und ein starkes Neduit
besitzt, weiter aus einer Reihe von Külen, die ziemlich planlos in Niksicko
polje verstreut siud. Die Gruppe Spuz-Podgorica sichert den Manövrierraum
der Talebne von Danilowgrad-Spuz, die über 15 Kilometer lang und 3 bis
10 Kilometer breit ist und als die fruchtbarste und ressourcenreichste Gegend
des Landes gilt. Im Norden liegt das Fort Spuz, aus etwa 8 Erdwerken
und Sperren bestehend, im Süden der kleine Brückenkopf Podgorica; beide
Befestigungen haben überdies mehrere halbverfallnc Kulen; die minder bau¬
fälligen stehen als Depots in Benutzung. An der Nordwestgrenze ist der
wichtigste Einbruchsweg, der über die Dugapüsse, durch mehrere Befestigungen
gesperrt. Die Dugafurche wird von 1900 Meter hohen Mittelgebirgsrücken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/628>, abgerufen am 22.07.2024.