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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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j)käme für eine australische Wehrmacht

steht und fällt mit der Seeherrschaft der britischen Flotte. Für absehbare Zeit
wird diese der entscheidende Faktor bleiben, aber Australien fühlt mehr und
mehr, daß es besondre Aufgaben zu erfüllen hat, Aufgaben ähnlich denen der
andern großen Staaten am Pazifik, bei deren Lösung es mit diesen zusammen¬
arbeiten oder auf sich selbst stehn muß, da fremde Hilfe zu spät eintreffe" könnte.

Das Commonwealth nimmt eine Lage innerhalb des britischen Weltreichs
ein, die grundverschieden ist von der der andern Teile. Es liegt bisher (eine
Änderung wird sich mit der Vollendung des Pcmnmakanals vollziehn) ziemlich
außerhalb der großen Welthandelsstraßen, weit entfernt von Europa (Dampf¬
strecke etwa fünfunddreißig bis vierzig Tage). Andrerseits ist es Südvstasien
benachbart, sieben Tage von Indien, zehn von China, zwölf bis vierzehn von
Japan entfernt. Der Nordküste entlang zieht sich der Sundaarchipel, und zwar
so dicht, daß ein Übergreifen der Asiaten auf den australischen Kontinent kaum
als Auswcmdrung bezeichnet werden könnte, es wäre nur ein natürlicher Vor¬
gang, zumal da die nördlichen Teile dünn oder gar nicht bevölkert sind. Ein
Umstand kommt hinzu, nämlich der, daß im Mutterlande bisher wenig Ver¬
ständnis und Sympathie für das Bestreben Australiens herrschte, das Land
frei von Asiaten zu halten. Das Mutterland verlangte, unter Hinweis auf
den Schutz der britischen Flotte, daß Australien die lokalen Interessen den
Reichsintercssen unterordnete. Diese Reichsinteressen gebieten in bezug auf
Indien, Japan und zum Teil auch China eine gewisse Rücksicht. Weiter ver¬
langt das Mutterland für sich das Recht, seine Flotten in kritischen Zeiten an
von ihm selbst bestimmten strategischen Punkten vereinigen zu können (Singapore
ist die strategische Basis für den Osten), indem es betont, daß es nnr so die
ganzen Reichsintercssen wirksam schützen könne, lokale Rücksichten müssen zurück-
stehn; bei Australien kann eine zeitweilige Entblößung der Küsten eintreten,
was die Bevölkerung beunruhigt.*) Der Nationalreichtum der Föderation wird
auf zwanzig bis dreißig Milliarden geschätzt.

Dies erklärt den ungeheuern Enthusiasmus, mit dem das amerikanische
Geschwader in Australien und Neuseeland empfangen worden ist, und der in
England einiges Erstaunen hervorgerufen hat. Man muß dabei nicht vergessen,
daß Großbritannien seine Seestreitkrüfte im fernen Osten auf ein Minimum
verringert hat, um die Konzentration aller irgendwie verfügbaren Kräfte in den
Heimatsgewässern, vornehmlich mit Rücksicht auf die Verstärkung der deutschen
Flotte und der damit verbundnen vermeintlichen Drohung zu ermöglichen.

Die Sparsamkeitstheorie des liberalen Kabinetts, die in dem Satze
gipfelte: lZooiwin^ tua Mvieney, wirkte ebenfalls mit. Die Folgen dieser
gewagten Politik üben jetzt ihre Wirkung uns die australische Bevölkerung aus.



Nachrichten zufolge scheint eine Verständigung mit der britischen Admiralität bevor¬
zustehen, indem die meisten Vorschläge Mr. Dentins angenommen werde". Zwei moderne Kreuzer
sollen Australien zu Ausbildungszwecken gestellt werden. Die Admiralität gibt ihren ablehnenden
Standpunkt auf.
j)käme für eine australische Wehrmacht

steht und fällt mit der Seeherrschaft der britischen Flotte. Für absehbare Zeit
wird diese der entscheidende Faktor bleiben, aber Australien fühlt mehr und
mehr, daß es besondre Aufgaben zu erfüllen hat, Aufgaben ähnlich denen der
andern großen Staaten am Pazifik, bei deren Lösung es mit diesen zusammen¬
arbeiten oder auf sich selbst stehn muß, da fremde Hilfe zu spät eintreffe» könnte.

Das Commonwealth nimmt eine Lage innerhalb des britischen Weltreichs
ein, die grundverschieden ist von der der andern Teile. Es liegt bisher (eine
Änderung wird sich mit der Vollendung des Pcmnmakanals vollziehn) ziemlich
außerhalb der großen Welthandelsstraßen, weit entfernt von Europa (Dampf¬
strecke etwa fünfunddreißig bis vierzig Tage). Andrerseits ist es Südvstasien
benachbart, sieben Tage von Indien, zehn von China, zwölf bis vierzehn von
Japan entfernt. Der Nordküste entlang zieht sich der Sundaarchipel, und zwar
so dicht, daß ein Übergreifen der Asiaten auf den australischen Kontinent kaum
als Auswcmdrung bezeichnet werden könnte, es wäre nur ein natürlicher Vor¬
gang, zumal da die nördlichen Teile dünn oder gar nicht bevölkert sind. Ein
Umstand kommt hinzu, nämlich der, daß im Mutterlande bisher wenig Ver¬
ständnis und Sympathie für das Bestreben Australiens herrschte, das Land
frei von Asiaten zu halten. Das Mutterland verlangte, unter Hinweis auf
den Schutz der britischen Flotte, daß Australien die lokalen Interessen den
Reichsintercssen unterordnete. Diese Reichsinteressen gebieten in bezug auf
Indien, Japan und zum Teil auch China eine gewisse Rücksicht. Weiter ver¬
langt das Mutterland für sich das Recht, seine Flotten in kritischen Zeiten an
von ihm selbst bestimmten strategischen Punkten vereinigen zu können (Singapore
ist die strategische Basis für den Osten), indem es betont, daß es nnr so die
ganzen Reichsintercssen wirksam schützen könne, lokale Rücksichten müssen zurück-
stehn; bei Australien kann eine zeitweilige Entblößung der Küsten eintreten,
was die Bevölkerung beunruhigt.*) Der Nationalreichtum der Föderation wird
auf zwanzig bis dreißig Milliarden geschätzt.

Dies erklärt den ungeheuern Enthusiasmus, mit dem das amerikanische
Geschwader in Australien und Neuseeland empfangen worden ist, und der in
England einiges Erstaunen hervorgerufen hat. Man muß dabei nicht vergessen,
daß Großbritannien seine Seestreitkrüfte im fernen Osten auf ein Minimum
verringert hat, um die Konzentration aller irgendwie verfügbaren Kräfte in den
Heimatsgewässern, vornehmlich mit Rücksicht auf die Verstärkung der deutschen
Flotte und der damit verbundnen vermeintlichen Drohung zu ermöglichen.

Die Sparsamkeitstheorie des liberalen Kabinetts, die in dem Satze
gipfelte: lZooiwin^ tua Mvieney, wirkte ebenfalls mit. Die Folgen dieser
gewagten Politik üben jetzt ihre Wirkung uns die australische Bevölkerung aus.



Nachrichten zufolge scheint eine Verständigung mit der britischen Admiralität bevor¬
zustehen, indem die meisten Vorschläge Mr. Dentins angenommen werde». Zwei moderne Kreuzer
sollen Australien zu Ausbildungszwecken gestellt werden. Die Admiralität gibt ihren ablehnenden
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/62>, abgerufen am 22.07.2024.