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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

in monarchisch gesinnten Kreisen dahin aufgefaßt worden war, daß der Kaiser die
öffentliche Meinung richtig verstanden habe, ergab sich von selber daraus die
Forderung, zu dem guten konstitutionellen Brauch zurückzukehren und den Kaiser
sowie das Vergangne aus den Debatten möglichst auszuscheiden. Es lag keine
sachliche Notwendigkeit mehr vor, die Kritik der Handlungsweise des Monarchen
fortzusetzen, vielmehr erkannten alle besonnenen Elemente die Gefahr, die für die
weitere Gestaltung unsrer politischen Zustände in der Fortsetzung dieser Kritik und
ihrer leicht möglichen Ausartung in eine gewisse Zügellosigkeit gelegen hätte.
Leider mußte man die Erfahrung machen, daß dieser besonnenen und ans rein
vaterländischen Empfinden hervorgehenden Zurückhaltung eine falsche Deutung ge¬
geben und damit Mißbrauch getrieben wurde. Von gewisser Seite wurde die
Lage so dargestellt, als ob die monarchisch gesinnten Kreise nachträglich inne ge¬
worden wären, daß sie dem Kaiser unrecht getan hätten, und als ob nun alles
beim alten bleiben könne. Es heißt natürlich die Beweggründe kaisertreuer Kreise
vollständig verkeimen, wenn man glauben machen will, daß ihre Kritik nur einer
augenblicklichen Erregung und Übereilung entsprungen sei. Die Leute, die diese
Auffassung zu vertreten unternehmen, übersehen offenbar dabei, daß sie den Kaiser
selbst herabziehen, wenn sie glauben machen, er habe nicht aus freier Einsicht in
die begangnen Fehler gehandelt, sondern sich durch die Erregung sonst loyaler
Kreise in der Schätzung der Tragweite der Sache irreführen lassen. Man könnte
darüber hinweggehn und die kleinen Geister, die ihre höfischen Interessen und An¬
schauungen in dieser ziemlich erbärmlichen Weise zu verfolgen suchen, sich selbst überlassen,
wenn die Sache nicht eine sehr ernste Seite hätte. Es fehlt leider nicht an An¬
zeichen, daß eine höfische Clique dahinter steckt, die diese Darstellung der Krisis
braucht, um den Kaiser in die Meinung zu versetzen, daß er ganz und gar im
Rechte gewesen und die ganze Erregung der Patrioten überflüssig und unberechtigt
gewesen sei. Das würde ihn natürlich zu der weitern Schlußfolgerung hinüber¬
leiten, daß der Reichskanzler ihn über die Stimmung des Volkes und die Trag¬
weite der ganzen Sache falsch unterrichtet und ihm dadurch gewissermaßen eine
Demütigung bereitet habe. Es handelt sich also um eine gewissenlose Maulwnrfs-
nrbeit von Leute", die den Kaiser gegen den Kanzler verstimmen und dadurch im
Sinne ihrer eigennützigen höfischen Interessen Unheil stiften wollen. Freilich scheinen
diese Leute die Zeitumstände recht schlecht begriffen zu haben, sonst würden sie nicht
annehmen können, auf diesem Wege ans Ziel zu kommen. Und wir meinen, daß
sie sich doch auch einer sehr starken Unterschätzung der Persönlichkeit des Kaisers
schuldig gemacht haben, der in Wahrheit besser, als sie glauben, über die
Stimmung unterrichtet war und seinem monarchischen Selbstgefühl sicherlich nie¬
mals dieses Opfer gebracht hätte, wenn er auch nur mit der Möglichkeit hätte
rechnen müssen, daß ihm Fürst Bülow etwas "vorredete". Ist aber die Erklärung
vom 17. November, wie wir annehmen müssen, der Ausdruck einer vielleicht
schwer und mit äußerster Selbstüberwindung gewonnenen Überzeugung des Kaisers,
so wird man darauf rechnen dürfen, daß byzantinische Einflüsterungen so durch¬
sichtiger Art nach all den Erfahrungen der letzten Jahre nicht geeignet sind, ein
Kaiserwort zu erschüttern oder den Kaiser von einem erprobten Ratgeber zu trennen.
Freilich darf -- nicht dem Kaiser, wohl aber den im Dunkeln schleichenden Nänke-
spinnern gegenüber -- kein Zweifel gelassen werden, daß die Lehren der No¬
vemberkrisis bei den Besten unsers Volkes unvergessen bleiben müssen.

Die Arbeiten der Reichstagskommission zur Vorberatung der Reichsfinanz¬
reform haben keinen erfreulichen Anfang genommen. Die Kommission hat von der
Bedarfsberechnung der Regierungsvorlage 144 Millionen gestrichen. Das sind die
den Einzelstaaten gestundeten Matrikularbeiträge aus den beiden letzten Jahren.
In der Streichung dieser Summe von dem Bedarf des Reichs gibt sich die Meinung


Grenzboten IV 1908 82
Maßgebliches und Unmaßgebliches

in monarchisch gesinnten Kreisen dahin aufgefaßt worden war, daß der Kaiser die
öffentliche Meinung richtig verstanden habe, ergab sich von selber daraus die
Forderung, zu dem guten konstitutionellen Brauch zurückzukehren und den Kaiser
sowie das Vergangne aus den Debatten möglichst auszuscheiden. Es lag keine
sachliche Notwendigkeit mehr vor, die Kritik der Handlungsweise des Monarchen
fortzusetzen, vielmehr erkannten alle besonnenen Elemente die Gefahr, die für die
weitere Gestaltung unsrer politischen Zustände in der Fortsetzung dieser Kritik und
ihrer leicht möglichen Ausartung in eine gewisse Zügellosigkeit gelegen hätte.
Leider mußte man die Erfahrung machen, daß dieser besonnenen und ans rein
vaterländischen Empfinden hervorgehenden Zurückhaltung eine falsche Deutung ge¬
geben und damit Mißbrauch getrieben wurde. Von gewisser Seite wurde die
Lage so dargestellt, als ob die monarchisch gesinnten Kreise nachträglich inne ge¬
worden wären, daß sie dem Kaiser unrecht getan hätten, und als ob nun alles
beim alten bleiben könne. Es heißt natürlich die Beweggründe kaisertreuer Kreise
vollständig verkeimen, wenn man glauben machen will, daß ihre Kritik nur einer
augenblicklichen Erregung und Übereilung entsprungen sei. Die Leute, die diese
Auffassung zu vertreten unternehmen, übersehen offenbar dabei, daß sie den Kaiser
selbst herabziehen, wenn sie glauben machen, er habe nicht aus freier Einsicht in
die begangnen Fehler gehandelt, sondern sich durch die Erregung sonst loyaler
Kreise in der Schätzung der Tragweite der Sache irreführen lassen. Man könnte
darüber hinweggehn und die kleinen Geister, die ihre höfischen Interessen und An¬
schauungen in dieser ziemlich erbärmlichen Weise zu verfolgen suchen, sich selbst überlassen,
wenn die Sache nicht eine sehr ernste Seite hätte. Es fehlt leider nicht an An¬
zeichen, daß eine höfische Clique dahinter steckt, die diese Darstellung der Krisis
braucht, um den Kaiser in die Meinung zu versetzen, daß er ganz und gar im
Rechte gewesen und die ganze Erregung der Patrioten überflüssig und unberechtigt
gewesen sei. Das würde ihn natürlich zu der weitern Schlußfolgerung hinüber¬
leiten, daß der Reichskanzler ihn über die Stimmung des Volkes und die Trag¬
weite der ganzen Sache falsch unterrichtet und ihm dadurch gewissermaßen eine
Demütigung bereitet habe. Es handelt sich also um eine gewissenlose Maulwnrfs-
nrbeit von Leute», die den Kaiser gegen den Kanzler verstimmen und dadurch im
Sinne ihrer eigennützigen höfischen Interessen Unheil stiften wollen. Freilich scheinen
diese Leute die Zeitumstände recht schlecht begriffen zu haben, sonst würden sie nicht
annehmen können, auf diesem Wege ans Ziel zu kommen. Und wir meinen, daß
sie sich doch auch einer sehr starken Unterschätzung der Persönlichkeit des Kaisers
schuldig gemacht haben, der in Wahrheit besser, als sie glauben, über die
Stimmung unterrichtet war und seinem monarchischen Selbstgefühl sicherlich nie¬
mals dieses Opfer gebracht hätte, wenn er auch nur mit der Möglichkeit hätte
rechnen müssen, daß ihm Fürst Bülow etwas „vorredete". Ist aber die Erklärung
vom 17. November, wie wir annehmen müssen, der Ausdruck einer vielleicht
schwer und mit äußerster Selbstüberwindung gewonnenen Überzeugung des Kaisers,
so wird man darauf rechnen dürfen, daß byzantinische Einflüsterungen so durch¬
sichtiger Art nach all den Erfahrungen der letzten Jahre nicht geeignet sind, ein
Kaiserwort zu erschüttern oder den Kaiser von einem erprobten Ratgeber zu trennen.
Freilich darf — nicht dem Kaiser, wohl aber den im Dunkeln schleichenden Nänke-
spinnern gegenüber — kein Zweifel gelassen werden, daß die Lehren der No¬
vemberkrisis bei den Besten unsers Volkes unvergessen bleiben müssen.

Die Arbeiten der Reichstagskommission zur Vorberatung der Reichsfinanz¬
reform haben keinen erfreulichen Anfang genommen. Die Kommission hat von der
Bedarfsberechnung der Regierungsvorlage 144 Millionen gestrichen. Das sind die
den Einzelstaaten gestundeten Matrikularbeiträge aus den beiden letzten Jahren.
In der Streichung dieser Summe von dem Bedarf des Reichs gibt sich die Meinung


Grenzboten IV 1908 82
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[0617] Maßgebliches und Unmaßgebliches in monarchisch gesinnten Kreisen dahin aufgefaßt worden war, daß der Kaiser die öffentliche Meinung richtig verstanden habe, ergab sich von selber daraus die Forderung, zu dem guten konstitutionellen Brauch zurückzukehren und den Kaiser sowie das Vergangne aus den Debatten möglichst auszuscheiden. Es lag keine sachliche Notwendigkeit mehr vor, die Kritik der Handlungsweise des Monarchen fortzusetzen, vielmehr erkannten alle besonnenen Elemente die Gefahr, die für die weitere Gestaltung unsrer politischen Zustände in der Fortsetzung dieser Kritik und ihrer leicht möglichen Ausartung in eine gewisse Zügellosigkeit gelegen hätte. Leider mußte man die Erfahrung machen, daß dieser besonnenen und ans rein vaterländischen Empfinden hervorgehenden Zurückhaltung eine falsche Deutung ge¬ geben und damit Mißbrauch getrieben wurde. Von gewisser Seite wurde die Lage so dargestellt, als ob die monarchisch gesinnten Kreise nachträglich inne ge¬ worden wären, daß sie dem Kaiser unrecht getan hätten, und als ob nun alles beim alten bleiben könne. Es heißt natürlich die Beweggründe kaisertreuer Kreise vollständig verkeimen, wenn man glauben machen will, daß ihre Kritik nur einer augenblicklichen Erregung und Übereilung entsprungen sei. Die Leute, die diese Auffassung zu vertreten unternehmen, übersehen offenbar dabei, daß sie den Kaiser selbst herabziehen, wenn sie glauben machen, er habe nicht aus freier Einsicht in die begangnen Fehler gehandelt, sondern sich durch die Erregung sonst loyaler Kreise in der Schätzung der Tragweite der Sache irreführen lassen. Man könnte darüber hinweggehn und die kleinen Geister, die ihre höfischen Interessen und An¬ schauungen in dieser ziemlich erbärmlichen Weise zu verfolgen suchen, sich selbst überlassen, wenn die Sache nicht eine sehr ernste Seite hätte. Es fehlt leider nicht an An¬ zeichen, daß eine höfische Clique dahinter steckt, die diese Darstellung der Krisis braucht, um den Kaiser in die Meinung zu versetzen, daß er ganz und gar im Rechte gewesen und die ganze Erregung der Patrioten überflüssig und unberechtigt gewesen sei. Das würde ihn natürlich zu der weitern Schlußfolgerung hinüber¬ leiten, daß der Reichskanzler ihn über die Stimmung des Volkes und die Trag¬ weite der ganzen Sache falsch unterrichtet und ihm dadurch gewissermaßen eine Demütigung bereitet habe. Es handelt sich also um eine gewissenlose Maulwnrfs- nrbeit von Leute», die den Kaiser gegen den Kanzler verstimmen und dadurch im Sinne ihrer eigennützigen höfischen Interessen Unheil stiften wollen. Freilich scheinen diese Leute die Zeitumstände recht schlecht begriffen zu haben, sonst würden sie nicht annehmen können, auf diesem Wege ans Ziel zu kommen. Und wir meinen, daß sie sich doch auch einer sehr starken Unterschätzung der Persönlichkeit des Kaisers schuldig gemacht haben, der in Wahrheit besser, als sie glauben, über die Stimmung unterrichtet war und seinem monarchischen Selbstgefühl sicherlich nie¬ mals dieses Opfer gebracht hätte, wenn er auch nur mit der Möglichkeit hätte rechnen müssen, daß ihm Fürst Bülow etwas „vorredete". Ist aber die Erklärung vom 17. November, wie wir annehmen müssen, der Ausdruck einer vielleicht schwer und mit äußerster Selbstüberwindung gewonnenen Überzeugung des Kaisers, so wird man darauf rechnen dürfen, daß byzantinische Einflüsterungen so durch¬ sichtiger Art nach all den Erfahrungen der letzten Jahre nicht geeignet sind, ein Kaiserwort zu erschüttern oder den Kaiser von einem erprobten Ratgeber zu trennen. Freilich darf — nicht dem Kaiser, wohl aber den im Dunkeln schleichenden Nänke- spinnern gegenüber — kein Zweifel gelassen werden, daß die Lehren der No¬ vemberkrisis bei den Besten unsers Volkes unvergessen bleiben müssen. Die Arbeiten der Reichstagskommission zur Vorberatung der Reichsfinanz¬ reform haben keinen erfreulichen Anfang genommen. Die Kommission hat von der Bedarfsberechnung der Regierungsvorlage 144 Millionen gestrichen. Das sind die den Einzelstaaten gestundeten Matrikularbeiträge aus den beiden letzten Jahren. In der Streichung dieser Summe von dem Bedarf des Reichs gibt sich die Meinung Grenzboten IV 1908 82

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/617>, abgerufen am 22.07.2024.