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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Germanische Aunst für unser Volk in Waffen

schrecken erzeugt. Die beiden Ulanen, die dem Unteroffizier folgen und gerade
die Hürde nehmen, sind von jenem bartlosen germanischen Bravjungentypus,
der schon vor achtzehnhundert Jahren den Neid der Römer erweckt hat. Der
eine gleitet, ein bißchen phlegmatisch in der Haltung, wie ein Triton auf dem
Scheitel der weichen Pferdewelle über das Hindernis. Der andre folgt mit
aufmerksamen Augen der Bewegung seines Dunkelbraunen, der sich gerade zum
Sprung erhebt. Über eine fahle Heide huscht das Weiß, Falb und Dunkelbraun
der Rosse, das mit Karmoisiu, Gelb, Weiß und Blau durchzeichnete Dunkel¬
grün der Reiter und ihrer Waffen unter einem grauen Vorfrühlingshimmel
dahin, in den drüben rechts die Türme und Firste der Altenburg bei Bamberg
ragen. Das verweilende, in die Formen und Farben dringende Auge findet
allerlei schlichte Schönheiten: die glückliche Verbindung der Gesichtsformen mit
dem Tschapka, dessen germanisierte Formenschönheit ganz erfaßt ist, die Bewegung
der Fangschnüre und der Sübelriemeu, der weißblaue Fleck der Quaste des Faust¬
riemens über dem Weiß des Schimmels auf dem Falb des zweiten Pferdes.

Besser noch ist dem Künstler das Diplom gelungen, das er im laufenden
Jahre für das erste und zweite bayrische Schwere Reiterregiment zeichnete. Das
Diplom ist für die beiden Regimenter gleich, das für das zweite wird dadurch her¬
gestellt, daß die Borten, Knöpfe und Helmbeschläge, die beim ersten weiß sind,
einfach gelb getönt werden. Jarl zeichnet gern Schimmelreiter, wohl nicht nur
der dankbaren Farbe und der seinen Formen des weißen Pferdes wegen. Auf
fünfundzwanzig Pferdebildern, die ich von ihm in der "Jugend" sah, waren
vierzehn Schimmel. Keiner von seinen Schimmelreitcrn ist ihm besser geglückt
als der Unteroffizier auf dem Diplom der schweren Reiter. Der Reiter blau,
das Roß weiß, auf dem matten Grün des Gefildes und auf dem weichen Grau
der Luft, der Farbenklang tut wohl, auch wenn die Augen und Herzen, die
er grüßt, nicht bayrisch sind. Er ist nicht dünn und kalt, er ist weich und
warm. Die graue Modellierung des Schimmels, das braune Zaumzeug, die
Decke, die Packtasche, die Fouragierleine, das Kochgeschirr, das gelbe Gefäß
des Pallaschs bewirken, daß das Weiß und Blan nicht kalt wirkt wie Winter¬
blau über Schneegefild, sondern warm wie Frühlingswolken im Frühlingsblau.
Das Blau der Waffenröcke ist auf diesem Bilde weicher und wohltuender als
auf dem Dragonerdiplom. Verstärkt durch das Blau der Lanzenfähnchen be¬
herrscht es das Bild und adelt die fast übertrieben schlichte Uniform der beiden
Reiterregimenter, die nur durch den Pallasch als schwere Kavallerie charakterisiert
werden. Wenn das Bild erst in viele Hochlandbauernstuben voll Brot- und
Schweißduft leuchtet, wird es für die einfachen Menschen, die es in ihrer Ruhe
grüßt, ein Sinnbild des engern und des weitern Vaterlandes sein, so anmutig
und so verstündlich wie das Bild des greisen Landesvaters.

Der Unteroffizier und der Reiter, der außer ihm noch sorgfältig gezeichnet
ist, haben wieder das Bravjungengesicht, der Unteroffizier mit einem besonders
feinen, ernsten Zug.


Germanische Aunst für unser Volk in Waffen

schrecken erzeugt. Die beiden Ulanen, die dem Unteroffizier folgen und gerade
die Hürde nehmen, sind von jenem bartlosen germanischen Bravjungentypus,
der schon vor achtzehnhundert Jahren den Neid der Römer erweckt hat. Der
eine gleitet, ein bißchen phlegmatisch in der Haltung, wie ein Triton auf dem
Scheitel der weichen Pferdewelle über das Hindernis. Der andre folgt mit
aufmerksamen Augen der Bewegung seines Dunkelbraunen, der sich gerade zum
Sprung erhebt. Über eine fahle Heide huscht das Weiß, Falb und Dunkelbraun
der Rosse, das mit Karmoisiu, Gelb, Weiß und Blau durchzeichnete Dunkel¬
grün der Reiter und ihrer Waffen unter einem grauen Vorfrühlingshimmel
dahin, in den drüben rechts die Türme und Firste der Altenburg bei Bamberg
ragen. Das verweilende, in die Formen und Farben dringende Auge findet
allerlei schlichte Schönheiten: die glückliche Verbindung der Gesichtsformen mit
dem Tschapka, dessen germanisierte Formenschönheit ganz erfaßt ist, die Bewegung
der Fangschnüre und der Sübelriemeu, der weißblaue Fleck der Quaste des Faust¬
riemens über dem Weiß des Schimmels auf dem Falb des zweiten Pferdes.

Besser noch ist dem Künstler das Diplom gelungen, das er im laufenden
Jahre für das erste und zweite bayrische Schwere Reiterregiment zeichnete. Das
Diplom ist für die beiden Regimenter gleich, das für das zweite wird dadurch her¬
gestellt, daß die Borten, Knöpfe und Helmbeschläge, die beim ersten weiß sind,
einfach gelb getönt werden. Jarl zeichnet gern Schimmelreiter, wohl nicht nur
der dankbaren Farbe und der seinen Formen des weißen Pferdes wegen. Auf
fünfundzwanzig Pferdebildern, die ich von ihm in der „Jugend" sah, waren
vierzehn Schimmel. Keiner von seinen Schimmelreitcrn ist ihm besser geglückt
als der Unteroffizier auf dem Diplom der schweren Reiter. Der Reiter blau,
das Roß weiß, auf dem matten Grün des Gefildes und auf dem weichen Grau
der Luft, der Farbenklang tut wohl, auch wenn die Augen und Herzen, die
er grüßt, nicht bayrisch sind. Er ist nicht dünn und kalt, er ist weich und
warm. Die graue Modellierung des Schimmels, das braune Zaumzeug, die
Decke, die Packtasche, die Fouragierleine, das Kochgeschirr, das gelbe Gefäß
des Pallaschs bewirken, daß das Weiß und Blan nicht kalt wirkt wie Winter¬
blau über Schneegefild, sondern warm wie Frühlingswolken im Frühlingsblau.
Das Blau der Waffenröcke ist auf diesem Bilde weicher und wohltuender als
auf dem Dragonerdiplom. Verstärkt durch das Blau der Lanzenfähnchen be¬
herrscht es das Bild und adelt die fast übertrieben schlichte Uniform der beiden
Reiterregimenter, die nur durch den Pallasch als schwere Kavallerie charakterisiert
werden. Wenn das Bild erst in viele Hochlandbauernstuben voll Brot- und
Schweißduft leuchtet, wird es für die einfachen Menschen, die es in ihrer Ruhe
grüßt, ein Sinnbild des engern und des weitern Vaterlandes sein, so anmutig
und so verstündlich wie das Bild des greisen Landesvaters.

Der Unteroffizier und der Reiter, der außer ihm noch sorgfältig gezeichnet
ist, haben wieder das Bravjungengesicht, der Unteroffizier mit einem besonders
feinen, ernsten Zug.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/595>, abgerufen am 22.07.2024.