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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Germanische Kunst für unser Volk in Waffen

Auf einem Titelblatt des Jahrgangs 1900 der Jugend hat er unbewußt in
der Darstellung der wehrhaften Kraft des germanischen Weibes die Personi¬
fikation seiner eignen Kunst zu schaffen begonnen. Er bildete dann den
modernen Walkürentypus aus, zeichnete und malte schlanke, starke Walküren
im Reitkleid und übertrug etwas von der Frische der germanischen Reiterinnen
auch auf die ernste Patronin seiner Waffe, die heilige Barbara, die er im
Kasino seines Regiments, des ersten bayrischen Feldartillerieregiments, in einem
roten Kleid, auf einem schweren Rosse, zwei Feldgeschützrohre unter den Armen,
darstellte.

Der Künstler ist durch die Stadtende Schule des Heeres gegangen und
hat dort Gesundheit und Kraft gewonnen für sich und für seine Kunst. Man
merkt es seiner Kunst an. Er ist die gesündeste künstlerische Individualität,
die in der "Jugend" debütiert hat. Wenn mir die Zeitschrift begegnet, suche
ich darin seinen frischen Strich und freue mich, wenn ich Reiter und Rosse
von ihm finde.

,i - Ludwig Thoma hat im "März" erzählt, daß Wilhelm von Diez im
Herbste 1867 vom Kommando des ersten bayrischen Armeekorps die Erlaubnis
erhielt, das Manöver mitzumachen. Ein Lieblingswunsch wurde dem Künstler
damit erfüllt, er hing sich an die Ulanenbrigade und trank "was die Wimper
hielt" von dem Überfluß der Formenwelt des Heeres. Drei Skizzenbücher
voll brachte er heim. Aber seine meisterhaften Skizzen machen doch den
Eindruck, als seien sie schüchtern aus der Ferne einem geliebten und doch
fremden Objekt abgenommen. Das war in der Zeit, als die Künstler noch
nicht durch die Schule des Heeres gehn mußten.

Wenn Jarl Soldaten zeichnet, sieht man den Bildern an, daß sie Pro¬
dukte jahrelanger Beobachtung und engster Vertrautheit sind. So ein Soldaten¬
bild von Zanks Hand mutet einen an wie ein tüchtiges Stück Kommißbrot,
das der Künstler aus dem eignen Brodsack holt und einem hinreicht. Es
geht ein kräftiger Brotgeruch von diesen Zeichnungen ans. Es lebt Liebe
in ihnen, Bruderliebe zu den zweibeinigen und vierbeinigen Kameraden, wie
sie in zwanzig Jahren der Zusammengehörigkeit wächst. Es lebt Dank darin,
Dank für die Gesundheit, Körper- und Seelenkraft, die neunzehn Jahre Dienst
in der Reserve geben. Und aus dem Gefühl des Dankes wächst die Tat,
der Künstler gibt dem Heere die Wohltaten beim, die es ihm erwiesen hat.
Gesundheit um Gesundheit, Kraft um Kraft. '

Vor zwei Jahren an einem Wintermorgen zahlte ich im Leichenwärtcr-
hause hinter dem Friedhof die Beerdigungskosten für eine liebe Tote, die
vierzehn Tage vorher gestorben und nun in ihrer Heimat zur Ruhe gebracht
worden war. Sie hatte eine Nacht die Gastfreundschaft dieses Friedhofs genossen.
Als ich in das Häuschen trat, hatte die junge Frau des Leichenwärters
gerade ihr Kind" einen kräftigen Jungen, gebadet. Nun saß er auf dem Tisch,
lockig wie' Siegfried in seiner Kindheit, und war des Abtrvcknens gewärtig.


Germanische Kunst für unser Volk in Waffen

Auf einem Titelblatt des Jahrgangs 1900 der Jugend hat er unbewußt in
der Darstellung der wehrhaften Kraft des germanischen Weibes die Personi¬
fikation seiner eignen Kunst zu schaffen begonnen. Er bildete dann den
modernen Walkürentypus aus, zeichnete und malte schlanke, starke Walküren
im Reitkleid und übertrug etwas von der Frische der germanischen Reiterinnen
auch auf die ernste Patronin seiner Waffe, die heilige Barbara, die er im
Kasino seines Regiments, des ersten bayrischen Feldartillerieregiments, in einem
roten Kleid, auf einem schweren Rosse, zwei Feldgeschützrohre unter den Armen,
darstellte.

Der Künstler ist durch die Stadtende Schule des Heeres gegangen und
hat dort Gesundheit und Kraft gewonnen für sich und für seine Kunst. Man
merkt es seiner Kunst an. Er ist die gesündeste künstlerische Individualität,
die in der „Jugend" debütiert hat. Wenn mir die Zeitschrift begegnet, suche
ich darin seinen frischen Strich und freue mich, wenn ich Reiter und Rosse
von ihm finde.

,i - Ludwig Thoma hat im „März" erzählt, daß Wilhelm von Diez im
Herbste 1867 vom Kommando des ersten bayrischen Armeekorps die Erlaubnis
erhielt, das Manöver mitzumachen. Ein Lieblingswunsch wurde dem Künstler
damit erfüllt, er hing sich an die Ulanenbrigade und trank „was die Wimper
hielt" von dem Überfluß der Formenwelt des Heeres. Drei Skizzenbücher
voll brachte er heim. Aber seine meisterhaften Skizzen machen doch den
Eindruck, als seien sie schüchtern aus der Ferne einem geliebten und doch
fremden Objekt abgenommen. Das war in der Zeit, als die Künstler noch
nicht durch die Schule des Heeres gehn mußten.

Wenn Jarl Soldaten zeichnet, sieht man den Bildern an, daß sie Pro¬
dukte jahrelanger Beobachtung und engster Vertrautheit sind. So ein Soldaten¬
bild von Zanks Hand mutet einen an wie ein tüchtiges Stück Kommißbrot,
das der Künstler aus dem eignen Brodsack holt und einem hinreicht. Es
geht ein kräftiger Brotgeruch von diesen Zeichnungen ans. Es lebt Liebe
in ihnen, Bruderliebe zu den zweibeinigen und vierbeinigen Kameraden, wie
sie in zwanzig Jahren der Zusammengehörigkeit wächst. Es lebt Dank darin,
Dank für die Gesundheit, Körper- und Seelenkraft, die neunzehn Jahre Dienst
in der Reserve geben. Und aus dem Gefühl des Dankes wächst die Tat,
der Künstler gibt dem Heere die Wohltaten beim, die es ihm erwiesen hat.
Gesundheit um Gesundheit, Kraft um Kraft. '

Vor zwei Jahren an einem Wintermorgen zahlte ich im Leichenwärtcr-
hause hinter dem Friedhof die Beerdigungskosten für eine liebe Tote, die
vierzehn Tage vorher gestorben und nun in ihrer Heimat zur Ruhe gebracht
worden war. Sie hatte eine Nacht die Gastfreundschaft dieses Friedhofs genossen.
Als ich in das Häuschen trat, hatte die junge Frau des Leichenwärters
gerade ihr Kind» einen kräftigen Jungen, gebadet. Nun saß er auf dem Tisch,
lockig wie' Siegfried in seiner Kindheit, und war des Abtrvcknens gewärtig.


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[0590] Germanische Kunst für unser Volk in Waffen Auf einem Titelblatt des Jahrgangs 1900 der Jugend hat er unbewußt in der Darstellung der wehrhaften Kraft des germanischen Weibes die Personi¬ fikation seiner eignen Kunst zu schaffen begonnen. Er bildete dann den modernen Walkürentypus aus, zeichnete und malte schlanke, starke Walküren im Reitkleid und übertrug etwas von der Frische der germanischen Reiterinnen auch auf die ernste Patronin seiner Waffe, die heilige Barbara, die er im Kasino seines Regiments, des ersten bayrischen Feldartillerieregiments, in einem roten Kleid, auf einem schweren Rosse, zwei Feldgeschützrohre unter den Armen, darstellte. Der Künstler ist durch die Stadtende Schule des Heeres gegangen und hat dort Gesundheit und Kraft gewonnen für sich und für seine Kunst. Man merkt es seiner Kunst an. Er ist die gesündeste künstlerische Individualität, die in der „Jugend" debütiert hat. Wenn mir die Zeitschrift begegnet, suche ich darin seinen frischen Strich und freue mich, wenn ich Reiter und Rosse von ihm finde. ,i - Ludwig Thoma hat im „März" erzählt, daß Wilhelm von Diez im Herbste 1867 vom Kommando des ersten bayrischen Armeekorps die Erlaubnis erhielt, das Manöver mitzumachen. Ein Lieblingswunsch wurde dem Künstler damit erfüllt, er hing sich an die Ulanenbrigade und trank „was die Wimper hielt" von dem Überfluß der Formenwelt des Heeres. Drei Skizzenbücher voll brachte er heim. Aber seine meisterhaften Skizzen machen doch den Eindruck, als seien sie schüchtern aus der Ferne einem geliebten und doch fremden Objekt abgenommen. Das war in der Zeit, als die Künstler noch nicht durch die Schule des Heeres gehn mußten. Wenn Jarl Soldaten zeichnet, sieht man den Bildern an, daß sie Pro¬ dukte jahrelanger Beobachtung und engster Vertrautheit sind. So ein Soldaten¬ bild von Zanks Hand mutet einen an wie ein tüchtiges Stück Kommißbrot, das der Künstler aus dem eignen Brodsack holt und einem hinreicht. Es geht ein kräftiger Brotgeruch von diesen Zeichnungen ans. Es lebt Liebe in ihnen, Bruderliebe zu den zweibeinigen und vierbeinigen Kameraden, wie sie in zwanzig Jahren der Zusammengehörigkeit wächst. Es lebt Dank darin, Dank für die Gesundheit, Körper- und Seelenkraft, die neunzehn Jahre Dienst in der Reserve geben. Und aus dem Gefühl des Dankes wächst die Tat, der Künstler gibt dem Heere die Wohltaten beim, die es ihm erwiesen hat. Gesundheit um Gesundheit, Kraft um Kraft. ' Vor zwei Jahren an einem Wintermorgen zahlte ich im Leichenwärtcr- hause hinter dem Friedhof die Beerdigungskosten für eine liebe Tote, die vierzehn Tage vorher gestorben und nun in ihrer Heimat zur Ruhe gebracht worden war. Sie hatte eine Nacht die Gastfreundschaft dieses Friedhofs genossen. Als ich in das Häuschen trat, hatte die junge Frau des Leichenwärters gerade ihr Kind» einen kräftigen Jungen, gebadet. Nun saß er auf dem Tisch, lockig wie' Siegfried in seiner Kindheit, und war des Abtrvcknens gewärtig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/590>, abgerufen am 22.07.2024.