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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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fahrt zu Fuß und Roß und Wagen fand von Weimar aus statt. Von der
andern Seite kam der Zug der Kaiser, Könige und Fürsten, an der Grenze
vom Herzog erwartet, über Stetten und Ettersburg zum Jagdplatz geleitet
und dort um ein Uhr mit Jagdmusik und Vivat empfangen. Nun folgte in
dem reich ausgestatteten Pavillon ein Gabelfrühstück. Das Nolltuch wurde
aufgezogen, das Wild vorgejagt, Trompeten und Pauken verkündeten die
jagdbaren Hirsche -- die geängsteten Tiere, die nun auf kurze Entfernung
erlegt wurden. In den Pausen sprangen Forstknechte, als wilde Männer
maskiert, mit Eichenlaub bekränzt vor und legten vor den Kaisern die Strecke,
eine groteske Erscheinung, die den Kaiser Napoleon sehr zu belustigen schien.
Die Zahl der erlegten Tiere wird verschieden angegeben. Oberförster Brock
berichtet nach weidmännischen Quellen, daß die Kaiser und Könige 300 Schüsse
abgegeben, und daß 47 Stück Rotwild, darunter 14 jagdbare Hirsche, 5 Reh¬
böcke, 3 Hasen und ein Fuchs erlegt worden seien. Napoleon, bekanntlich
kein guter Schütze, habe 82 Schüsse abgegeben, während sich Kaiser Alexander
als näher Verwandter des herzoglichen Hauses auf weitaus weniger Schüsse
beschränkte, aber mehr Wild erlegte als Napoleon. Große Freude machte den
zuschauenden Weimaranern die Meisterschaft ihres Herzogs, der bekanntlich einer
der kundigsten Weidmänner seiner Zeit war. Als aufmerksamer Wirt wollte
er nicht mit schießen, erst auf das Drüugen beider Kaiser ließ er sich, das
ihm cmgebotne vorzüglichste Gewehr Napoleons ablehnend, seine Doppelbüchse,
"die alte Weltbürger" reichen und schoß mit ihr einen Zwölfender in vollster
Flucht aufs Blatt. Die überraschten hohen Gäste riefen dem Meister ein
lautes Bravo zu.

Eine farbige Abbildung der Jagd von Schwerdtgeburth findet sich in dem
bei Vertuch erschienenen Prachtwerk in Jmperialfolio "Beschreibung der Feier¬
lichkeiten, welche zu Ehren der Kaiser usw. in Weimar stattfanden".*) Darm
heißt es: "Ohne Unfall endete um 4 Uhr dies echtteutsche Jägersche." Bau
Betrachten des Bildes, der Hirsche mit springenden "Blutstrahlen" und der
aus der Nähe feuernder Monarchen hat man weit eher die Empfindung der
Malerin Luise Seidler. die unter den Zuschauer" war und davon schrieb:
"Als das erste Tier blutend zusammenstürzte, wurde mir so weh ums Herz,
daß ich laut zu weinen begann und eiligst nach der Stadt zurücklief." Es
versichern auch Jagdkundige unsrer Tage, daß man diese Art zu jagen nicht
als weltmännisch bezeichnen könne.





D^sWerkmit 1. deutschem und 2. französische.", kurz gehaltnem Text und fünf wert¬
vollen Kupfertafeln ist jedenfalls offiziellen Ursprungs. Es ist neuerdings in verkürzter Gestalt
"°u gedruckt worden durch den "Inselverlag" in Leipzig.

fahrt zu Fuß und Roß und Wagen fand von Weimar aus statt. Von der
andern Seite kam der Zug der Kaiser, Könige und Fürsten, an der Grenze
vom Herzog erwartet, über Stetten und Ettersburg zum Jagdplatz geleitet
und dort um ein Uhr mit Jagdmusik und Vivat empfangen. Nun folgte in
dem reich ausgestatteten Pavillon ein Gabelfrühstück. Das Nolltuch wurde
aufgezogen, das Wild vorgejagt, Trompeten und Pauken verkündeten die
jagdbaren Hirsche — die geängsteten Tiere, die nun auf kurze Entfernung
erlegt wurden. In den Pausen sprangen Forstknechte, als wilde Männer
maskiert, mit Eichenlaub bekränzt vor und legten vor den Kaisern die Strecke,
eine groteske Erscheinung, die den Kaiser Napoleon sehr zu belustigen schien.
Die Zahl der erlegten Tiere wird verschieden angegeben. Oberförster Brock
berichtet nach weidmännischen Quellen, daß die Kaiser und Könige 300 Schüsse
abgegeben, und daß 47 Stück Rotwild, darunter 14 jagdbare Hirsche, 5 Reh¬
böcke, 3 Hasen und ein Fuchs erlegt worden seien. Napoleon, bekanntlich
kein guter Schütze, habe 82 Schüsse abgegeben, während sich Kaiser Alexander
als näher Verwandter des herzoglichen Hauses auf weitaus weniger Schüsse
beschränkte, aber mehr Wild erlegte als Napoleon. Große Freude machte den
zuschauenden Weimaranern die Meisterschaft ihres Herzogs, der bekanntlich einer
der kundigsten Weidmänner seiner Zeit war. Als aufmerksamer Wirt wollte
er nicht mit schießen, erst auf das Drüugen beider Kaiser ließ er sich, das
ihm cmgebotne vorzüglichste Gewehr Napoleons ablehnend, seine Doppelbüchse,
"die alte Weltbürger" reichen und schoß mit ihr einen Zwölfender in vollster
Flucht aufs Blatt. Die überraschten hohen Gäste riefen dem Meister ein
lautes Bravo zu.

Eine farbige Abbildung der Jagd von Schwerdtgeburth findet sich in dem
bei Vertuch erschienenen Prachtwerk in Jmperialfolio „Beschreibung der Feier¬
lichkeiten, welche zu Ehren der Kaiser usw. in Weimar stattfanden".*) Darm
heißt es: „Ohne Unfall endete um 4 Uhr dies echtteutsche Jägersche." Bau
Betrachten des Bildes, der Hirsche mit springenden „Blutstrahlen" und der
aus der Nähe feuernder Monarchen hat man weit eher die Empfindung der
Malerin Luise Seidler. die unter den Zuschauer» war und davon schrieb:
"Als das erste Tier blutend zusammenstürzte, wurde mir so weh ums Herz,
daß ich laut zu weinen begann und eiligst nach der Stadt zurücklief." Es
versichern auch Jagdkundige unsrer Tage, daß man diese Art zu jagen nicht
als weltmännisch bezeichnen könne.





D^sWerkmit 1. deutschem und 2. französische.», kurz gehaltnem Text und fünf wert¬
vollen Kupfertafeln ist jedenfalls offiziellen Ursprungs. Es ist neuerdings in verkürzter Gestalt
"°u gedruckt worden durch den „Inselverlag" in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/581>, abgerufen am 22.07.2024.