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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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lLin deutscher Niagister als Sansculotte

auch eine Weile eines soliden Wandels, promovierte am 11. Januar 1783 zum
Magister, verfiel aber bald wieder in seinen alten Leichtsinn, geriet in neue
Schulden und wurde endlich -- für jene Zeiten der tiefste Sturz! -- Soldat
im Regiment von Thadden. Das Haus, worin er sein Quartier hatte, wurde
vom Publikum belagert, das den einstigen Magister in des Königs Rock, der
damals durchaus kein Ehrenkleid war, anstaunen wollte, und die Straßenjugend
rannte hinter ihm drein und sang den Spottvers:

Die Studenten, die über den verzweifelten Schritt ihres Lehrers und Freundes
entsetzt waren, bestürmten den Fürsten Adolf von Anhalt-Bernburg, den Kom¬
mandeur des Regiments, Laukhard wieder loszulassen, ihre Bemühungen scheiterten
jedoch an dem Starrsinn des Unglücklichen, der diesesmal wirklich die Konse¬
quenzen seines Tuns tragen zu wollen schien. Es war, als ob er sich in seiner
rohen und ungebildeten Umgebung wohl fühlte, zudem verschaffte ihm seine
geistige Überlegenheit nicht nur bei den Kameraden, sondern auch bei den Vor¬
gesetzte" eine gewisse Achtung. Mehr als alles dieses scheint ihn jedoch das
Bewußtsein, dem großen Preußenkönige zu dienen, mit seinem neuen Stande
ausgesöhnt zu haben. Er sah ihn im Mai 1784 bei einer Revue in der Gegend
von Magdeburg und schreibt darüber begeistert: "Sein Anblick erschütterte mich
durch und durch; ich hatte nur Auge und Sinn bloß für Ihn! Auf Ihn war
ich und alles konzentriert! viele tausend Persönlichkeiten in eine einzige umge¬
schmolzen! Ein Herr, eine Handlung!--Mit seinen Taten war ich schon
bekannt durch Bücher und Erzählungen. Es ist wahrlich etwas Göttliches,
einen so großen Mann zu sehen. Der Gedanke, daß man zu Ihm mit gehöre,
erhebt zum Olymp hinauf!"

Nach einem Besuche in der Heimat zog Laukhard bei der Mobilmachung
gegen Osterreich (1790) mit ins Feld, benutzte den Aufenthalt in Berlin zu
einem Studium der dortigen berüchtigten Häuser und gelangte mit seinem Re¬
giment bis uach Schlesien, wo der Friedensschluß dem von vornherein nicht
sehr ernsten Unternehmen eine Ende machte. Auf dem Rückmärsche wurde der
seltsame Musketier dem Generalissimus der Armee, dem Herzog Friedrich von
Braunschweig, vorgestellt, der ein besondres Interesse für das gelehrte "Subjekt"
an den Tag legte und Laukhard das Versprechen abnahm, ihm bei der Rückkehr
nach Berlin einen Auszug aus seinem Tagebuche zu überbringen. Das geschah
denn auch, und der Lxtrait ein .lourusü ä'un Nousciustaire krussien, eg.it äaus
Zg, LainpaAne <1o 1790 verschaffte dem Verfasser die Gunst des Herzogs und
die Aufmerksamkeit der Generalität.

Nach Halle heimgekehrt befleißigte sich Laukhard eines "moralischen" Lebens¬
wandels, gab in seinen Mußestunden den Offizieren Sprachunterricht und ver¬
faßte die erste Abteilung seiner Denkwürdigkeiten, für die er in dem Buchhändler


lLin deutscher Niagister als Sansculotte

auch eine Weile eines soliden Wandels, promovierte am 11. Januar 1783 zum
Magister, verfiel aber bald wieder in seinen alten Leichtsinn, geriet in neue
Schulden und wurde endlich — für jene Zeiten der tiefste Sturz! — Soldat
im Regiment von Thadden. Das Haus, worin er sein Quartier hatte, wurde
vom Publikum belagert, das den einstigen Magister in des Königs Rock, der
damals durchaus kein Ehrenkleid war, anstaunen wollte, und die Straßenjugend
rannte hinter ihm drein und sang den Spottvers:

Die Studenten, die über den verzweifelten Schritt ihres Lehrers und Freundes
entsetzt waren, bestürmten den Fürsten Adolf von Anhalt-Bernburg, den Kom¬
mandeur des Regiments, Laukhard wieder loszulassen, ihre Bemühungen scheiterten
jedoch an dem Starrsinn des Unglücklichen, der diesesmal wirklich die Konse¬
quenzen seines Tuns tragen zu wollen schien. Es war, als ob er sich in seiner
rohen und ungebildeten Umgebung wohl fühlte, zudem verschaffte ihm seine
geistige Überlegenheit nicht nur bei den Kameraden, sondern auch bei den Vor¬
gesetzte» eine gewisse Achtung. Mehr als alles dieses scheint ihn jedoch das
Bewußtsein, dem großen Preußenkönige zu dienen, mit seinem neuen Stande
ausgesöhnt zu haben. Er sah ihn im Mai 1784 bei einer Revue in der Gegend
von Magdeburg und schreibt darüber begeistert: „Sein Anblick erschütterte mich
durch und durch; ich hatte nur Auge und Sinn bloß für Ihn! Auf Ihn war
ich und alles konzentriert! viele tausend Persönlichkeiten in eine einzige umge¬
schmolzen! Ein Herr, eine Handlung!--Mit seinen Taten war ich schon
bekannt durch Bücher und Erzählungen. Es ist wahrlich etwas Göttliches,
einen so großen Mann zu sehen. Der Gedanke, daß man zu Ihm mit gehöre,
erhebt zum Olymp hinauf!"

Nach einem Besuche in der Heimat zog Laukhard bei der Mobilmachung
gegen Osterreich (1790) mit ins Feld, benutzte den Aufenthalt in Berlin zu
einem Studium der dortigen berüchtigten Häuser und gelangte mit seinem Re¬
giment bis uach Schlesien, wo der Friedensschluß dem von vornherein nicht
sehr ernsten Unternehmen eine Ende machte. Auf dem Rückmärsche wurde der
seltsame Musketier dem Generalissimus der Armee, dem Herzog Friedrich von
Braunschweig, vorgestellt, der ein besondres Interesse für das gelehrte „Subjekt"
an den Tag legte und Laukhard das Versprechen abnahm, ihm bei der Rückkehr
nach Berlin einen Auszug aus seinem Tagebuche zu überbringen. Das geschah
denn auch, und der Lxtrait ein .lourusü ä'un Nousciustaire krussien, eg.it äaus
Zg, LainpaAne <1o 1790 verschaffte dem Verfasser die Gunst des Herzogs und
die Aufmerksamkeit der Generalität.

Nach Halle heimgekehrt befleißigte sich Laukhard eines „moralischen" Lebens¬
wandels, gab in seinen Mußestunden den Offizieren Sprachunterricht und ver¬
faßte die erste Abteilung seiner Denkwürdigkeiten, für die er in dem Buchhändler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/488>, abgerufen am 22.07.2024.