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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Das Theater als Kirche

romantischen und die drei Gedankendramen: Kaiser und Galiläer, Brand und
Peer Gynt dürfen wir der dritten Stufe zuweisen, wenn sie auch tue Hohe
Shakespeares. Goethes und Schillers nicht erreichen. Für die Buhne haben
sie jedoch nichts zu bedeute". So viel mir aus Zeitungsnachrichten erinnerlichist. wird nur der Kronprätendent manchmal aufgeführt. Peer Gynt ist kürz¬
lich - wo? habe ich vergessen - in Stücke gehackt und mit Aufopferungdes Gedankeninhalts zu einer Anzahl von Bildern verwandt worden.

Die übrigen Dramen habe ich vor acht Jahren kritisiert; an einiges von dem
damals Gesagten darf ich wohl erinnern. Vier Stücke habe ich Revolntwns-
dwmeu genannt, nicht weil sie solche sind, sondern weck sie für so che ge¬
halten und als solche gefeiert werden. Die ..Stützen der Ge ellschaft haben
Äsen in Deutschland berühmt und populär gemacht, weck dann gegen die
konventionelle Heuchelei der Respektabel" und gegen die Tyrannei der Kon-
venienz mobil gemacht wird. Nun ist das gar nichts "/ues' alle Satink
und Sittenreformatoren aller Zeiten haben es getan, haben led°es damit die
Gesellschaft und den närrischen Homo 8axisn8 nicht geändert^ Dann daß es
einer in einem sehr gut komponierten und auf heutige Verhältnis e zuge-
schnittnen Theaterstück noch einmal tut. eine große, gar eme revolutionäre
Tat sehen, das offenbart eine wirklich kindliche Naivität; über em wenig
harmloses Zeitungs- und Gesellschaftsgeschwätz gehn solche "Mutige und un¬
gefährliche Theaterrevolutionen niemals hinaus. Zudem hat ten, wenn er
den Carl treffen wollte, gründlich daneben geschossen. Zu seiner ersten un¬
edel" Handlung wird Bernick allerdings von der Konvenienz gelungen, aber
diese ist im Recht gegen ihn. weil er sich gegen die kaufmännische S^ol^bida
Ergangen hat; seine folgenden Schandtaten dagegen S-Hu s°in lich °u sem^Selbstsucht ga z spor a" hervor, und die Gesellschaft hat dankt gar n ches ^Waffen. Das offne Bekenntnis seiner Schuld, das er ^1^" ^ seinen
Mitbürger" ableg!. beweist geradezu, habe ich damals gesagt. ..daß ^leder Gesellschaft offen und wahr sei" kann. Demnach ist "n^^r Erneuerung de Gesellschaft nicht nötig. Sie wurde auch Leuten wie
Bernick nichts nützen dem. ke ne denkbare Gesellschaftsemrichtung kann es uns
so bequem macheu 'aß ok jederzeit de" größten Geldgewinn ohne Verletzung
einer GewiffeTfli^ vermochten." Weil man nun einmal in
Ase" einen ^ und "Mer ^^ habe" glaubte erwies mau auch drei andern Ducker d e Eh sie a s
revolutionäre Täte" zu begrüßen. ..Die Kons le der L'ehe sse edoch °ß
em lustiger araMser und geistreicher Schwank, der die übermütigste gu e
Laune b wütet - Me sie M der Dichter doch zu bewahre" vermoch
-.Der Bund der Jua ud" und -.Der Volksfeind" aber verspotten die
modernes zwei ^r. nicht gerade seltnen G^Umsturzlumpen und im Umsturznarren. Die übrige" Dram ' ' ti .es in d e
beiden Kategorien Grüblerdramen und Dekadenzdramen gesondert habe, müßte


Grenzboten IV 1908
Das Theater als Kirche

romantischen und die drei Gedankendramen: Kaiser und Galiläer, Brand und
Peer Gynt dürfen wir der dritten Stufe zuweisen, wenn sie auch tue Hohe
Shakespeares. Goethes und Schillers nicht erreichen. Für die Buhne haben
sie jedoch nichts zu bedeute». So viel mir aus Zeitungsnachrichten erinnerlichist. wird nur der Kronprätendent manchmal aufgeführt. Peer Gynt ist kürz¬
lich - wo? habe ich vergessen - in Stücke gehackt und mit Aufopferungdes Gedankeninhalts zu einer Anzahl von Bildern verwandt worden.

Die übrigen Dramen habe ich vor acht Jahren kritisiert; an einiges von dem
damals Gesagten darf ich wohl erinnern. Vier Stücke habe ich Revolntwns-
dwmeu genannt, nicht weil sie solche sind, sondern weck sie für so che ge¬
halten und als solche gefeiert werden. Die ..Stützen der Ge ellschaft haben
Äsen in Deutschland berühmt und populär gemacht, weck dann gegen die
konventionelle Heuchelei der Respektabel» und gegen die Tyrannei der Kon-
venienz mobil gemacht wird. Nun ist das gar nichts "/ues' alle Satink
und Sittenreformatoren aller Zeiten haben es getan, haben led°es damit die
Gesellschaft und den närrischen Homo 8axisn8 nicht geändert^ Dann daß es
einer in einem sehr gut komponierten und auf heutige Verhältnis e zuge-
schnittnen Theaterstück noch einmal tut. eine große, gar eme revolutionäre
Tat sehen, das offenbart eine wirklich kindliche Naivität; über em wenig
harmloses Zeitungs- und Gesellschaftsgeschwätz gehn solche »Mutige und un¬
gefährliche Theaterrevolutionen niemals hinaus. Zudem hat ten, wenn er
den Carl treffen wollte, gründlich daneben geschossen. Zu seiner ersten un¬
edel» Handlung wird Bernick allerdings von der Konvenienz gelungen, aber
diese ist im Recht gegen ihn. weil er sich gegen die kaufmännische S^ol^bida
Ergangen hat; seine folgenden Schandtaten dagegen S-Hu s°in lich °u sem^Selbstsucht ga z spor a» hervor, und die Gesellschaft hat dankt gar n ches ^Waffen. Das offne Bekenntnis seiner Schuld, das er ^1^« ^ seinen
Mitbürger» ableg!. beweist geradezu, habe ich damals gesagt. ..daß ^leder Gesellschaft offen und wahr sei» kann. Demnach ist «n^^r Erneuerung de Gesellschaft nicht nötig. Sie wurde auch Leuten wie
Bernick nichts nützen dem. ke ne denkbare Gesellschaftsemrichtung kann es uns
so bequem macheu 'aß ok jederzeit de» größten Geldgewinn ohne Verletzung
einer GewiffeTfli^ vermochten." Weil man nun einmal in
Ase» einen ^ und "Mer ^^ habe» glaubte erwies mau auch drei andern Ducker d e Eh sie a s
revolutionäre Täte» zu begrüßen. ..Die Kons le der L'ehe sse edoch °ß
em lustiger araMser und geistreicher Schwank, der die übermütigste gu e
Laune b wütet - Me sie M der Dichter doch zu bewahre» vermoch
-.Der Bund der Jua ud" und -.Der Volksfeind" aber verspotten die
modernes zwei ^r. nicht gerade seltnen G^Umsturzlumpen und im Umsturznarren. Die übrige» Dram ' ' ti .es in d e
beiden Kategorien Grüblerdramen und Dekadenzdramen gesondert habe, müßte


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[0441] Das Theater als Kirche romantischen und die drei Gedankendramen: Kaiser und Galiläer, Brand und Peer Gynt dürfen wir der dritten Stufe zuweisen, wenn sie auch tue Hohe Shakespeares. Goethes und Schillers nicht erreichen. Für die Buhne haben sie jedoch nichts zu bedeute». So viel mir aus Zeitungsnachrichten erinnerlichist. wird nur der Kronprätendent manchmal aufgeführt. Peer Gynt ist kürz¬ lich - wo? habe ich vergessen - in Stücke gehackt und mit Aufopferungdes Gedankeninhalts zu einer Anzahl von Bildern verwandt worden. Die übrigen Dramen habe ich vor acht Jahren kritisiert; an einiges von dem damals Gesagten darf ich wohl erinnern. Vier Stücke habe ich Revolntwns- dwmeu genannt, nicht weil sie solche sind, sondern weck sie für so che ge¬ halten und als solche gefeiert werden. Die ..Stützen der Ge ellschaft haben Äsen in Deutschland berühmt und populär gemacht, weck dann gegen die konventionelle Heuchelei der Respektabel» und gegen die Tyrannei der Kon- venienz mobil gemacht wird. Nun ist das gar nichts "/ues' alle Satink und Sittenreformatoren aller Zeiten haben es getan, haben led°es damit die Gesellschaft und den närrischen Homo 8axisn8 nicht geändert^ Dann daß es einer in einem sehr gut komponierten und auf heutige Verhältnis e zuge- schnittnen Theaterstück noch einmal tut. eine große, gar eme revolutionäre Tat sehen, das offenbart eine wirklich kindliche Naivität; über em wenig harmloses Zeitungs- und Gesellschaftsgeschwätz gehn solche »Mutige und un¬ gefährliche Theaterrevolutionen niemals hinaus. Zudem hat ten, wenn er den Carl treffen wollte, gründlich daneben geschossen. Zu seiner ersten un¬ edel» Handlung wird Bernick allerdings von der Konvenienz gelungen, aber diese ist im Recht gegen ihn. weil er sich gegen die kaufmännische S^ol^bida Ergangen hat; seine folgenden Schandtaten dagegen S-Hu s°in lich °u sem^Selbstsucht ga z spor a» hervor, und die Gesellschaft hat dankt gar n ches ^Waffen. Das offne Bekenntnis seiner Schuld, das er ^1^« ^ seinen Mitbürger» ableg!. beweist geradezu, habe ich damals gesagt. ..daß ^leder Gesellschaft offen und wahr sei» kann. Demnach ist «n^^r Erneuerung de Gesellschaft nicht nötig. Sie wurde auch Leuten wie Bernick nichts nützen dem. ke ne denkbare Gesellschaftsemrichtung kann es uns so bequem macheu 'aß ok jederzeit de» größten Geldgewinn ohne Verletzung einer GewiffeTfli^ vermochten." Weil man nun einmal in Ase» einen ^ und "Mer ^^ habe» glaubte erwies mau auch drei andern Ducker d e Eh sie a s revolutionäre Täte» zu begrüßen. ..Die Kons le der L'ehe sse edoch °ß em lustiger araMser und geistreicher Schwank, der die übermütigste gu e Laune b wütet - Me sie M der Dichter doch zu bewahre» vermoch -.Der Bund der Jua ud" und -.Der Volksfeind" aber verspotten die modernes zwei ^r. nicht gerade seltnen G^Umsturzlumpen und im Umsturznarren. Die übrige» Dram ' ' ti .es in d e beiden Kategorien Grüblerdramen und Dekadenzdramen gesondert habe, müßte Grenzboten IV 1908

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/441>, abgerufen am 22.07.2024.