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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Das Theater als Kirche

deutsche Theater" geschrieben: "Wenn der teuflische Mac ces.
die kalten Schweißtropfen auf der Stirne, bebenden Fußes aus der sah a ¬
kammer wankt wo er die Tat getan hat. welchem Zuschauer laufen nicht e S-
talle Schauer durch die Gebeine? Und doch, welcher Macbeth unter dem
Volke läßt seinen Dolch fallen, ehe er die Tat tut. oder s-in- "arv wenn
sie getan ist? Es ist a eben König Duncan n ehe. den er 5" -rderben
Werden darum weniger Mädchen verführt, weil Sara Sampson hre Feh-
tritt mit Gifte büßt? Eifert ein einziger Ehemann weniger, weil sich der
Mohr von Venedia so tragisch übereilt?" Schiller hat sich eben e nach
1784 zu der E^rutilis dmchgerungen. daß die Bühne acht uralt^durch Darstellung der Folgen moralischer und unmoralischer Handlung n
sondern uur mittelbar, wrch ihre ästhetischen Wirkungen d^e M wi ^ "
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die Masse die Kirche durch das Theater ersetzen zu wollen; die es soll ore
mau deutlich sieht, nur den Einfluß jener verstärken und ergänze" auch wil
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verhöhnt. Daß aber der kirchliche Einfluß der Stärkung und vies^ganzung durch andre erziehende Mächte dam^^t. Man muß sogar weiter gehn und sagen: sie bedarf oft ^ K°r^denn sie ist nicht selten arg in die Irre gegangen im Laufe der Jahrhuud -
Aber abgesehen davon: ihre Hauptleistung besteht darin, daß sie em:ge Haupt-
Wahrheiten und Hauptgruudsütze - die Moral der zehn Gebote - den He^unauslöschlich einpflanzt; deren richtiges Verständnis und richt. Anwe^ungunter wechselnden Verhältnissen und Zuständen ZU le^urch Beispiele und Lebensbilder zu verstärken, sind andre Pe s°^Ach Philosophen und Dichter, mitunter auch Staats"
°se besser befähigt als die Geistlichen, und es geHort d°z" auch alles das
was Schiller al Leistungen der Bühne noch weiter aufzahl Die Buhne
Wild uns erhabne Vorbilder heroischer Tugend vor Augen le ^r
des klugen Politikers Augustus ^on° van. °". was ^keptikem
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w edlern wird mit jedem Tage, den ich älter werde, r. 'ab wem R^-
Mer von Toren vollzähliger und länger. .. . ^ kenn um ein Mittel
d^ Menschen vor Ver Wmmerung zu bewahren und d:e es se - sein He^gegen Schwächen zu schützen." Und da zudem die Elgenl ehe des Menschenweit empfindUcher ge en Spott und Verachtung sei als sem Gewissen gegen


Das Theater als Kirche

deutsche Theater" geschrieben: „Wenn der teuflische Mac ces.
die kalten Schweißtropfen auf der Stirne, bebenden Fußes aus der sah a ¬
kammer wankt wo er die Tat getan hat. welchem Zuschauer laufen nicht e S-
talle Schauer durch die Gebeine? Und doch, welcher Macbeth unter dem
Volke läßt seinen Dolch fallen, ehe er die Tat tut. oder s-in- «arv wenn
sie getan ist? Es ist a eben König Duncan n ehe. den er 5" -rderben
Werden darum weniger Mädchen verführt, weil Sara Sampson hre Feh-
tritt mit Gifte büßt? Eifert ein einziger Ehemann weniger, weil sich der
Mohr von Venedia so tragisch übereilt?" Schiller hat sich eben e nach
1784 zu der E^rutilis dmchgerungen. daß die Bühne acht uralt^durch Darstellung der Folgen moralischer und unmoralischer Handlung n
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verhöhnt. Daß aber der kirchliche Einfluß der Stärkung und vies^ganzung durch andre erziehende Mächte dam^^t. Man muß sogar weiter gehn und sagen: sie bedarf oft ^ K°r^denn sie ist nicht selten arg in die Irre gegangen im Laufe der Jahrhuud -
Aber abgesehen davon: ihre Hauptleistung besteht darin, daß sie em:ge Haupt-
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°se besser befähigt als die Geistlichen, und es geHort d°z» auch alles das
was Schiller al Leistungen der Bühne noch weiter aufzahl Die Buhne
Wild uns erhabne Vorbilder heroischer Tugend vor Augen le ^r
des klugen Politikers Augustus ^on° van. °«. was ^keptikem
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wenn wir Handlungen zu ihrer Quelle Suruckbegle^lächeln müssen, ehe wir uns einmal entsetzen. Mem ^rzechms v°n
w edlern wird mit jedem Tage, den ich älter werde, r. 'ab wem R^-
Mer von Toren vollzähliger und länger. .. . ^ kenn um ein Mittel
d^ Menschen vor Ver Wmmerung zu bewahren und d:e es se - sein He^gegen Schwächen zu schützen." Und da zudem die Elgenl ehe des Menschenweit empfindUcher ge en Spott und Verachtung sei als sem Gewissen gegen


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[0437] Das Theater als Kirche deutsche Theater" geschrieben: „Wenn der teuflische Mac ces. die kalten Schweißtropfen auf der Stirne, bebenden Fußes aus der sah a ¬ kammer wankt wo er die Tat getan hat. welchem Zuschauer laufen nicht e S- talle Schauer durch die Gebeine? Und doch, welcher Macbeth unter dem Volke läßt seinen Dolch fallen, ehe er die Tat tut. oder s-in- «arv wenn sie getan ist? Es ist a eben König Duncan n ehe. den er 5" -rderben Werden darum weniger Mädchen verführt, weil Sara Sampson hre Feh- tritt mit Gifte büßt? Eifert ein einziger Ehemann weniger, weil sich der Mohr von Venedia so tragisch übereilt?" Schiller hat sich eben e nach 1784 zu der E^rutilis dmchgerungen. daß die Bühne acht uralt^durch Darstellung der Folgen moralischer und unmoralischer Handlung n sondern uur mittelbar, wrch ihre ästhetischen Wirkungen d^e M wi ^ » fwßt. übrigens ist es weder damals noch später Schillern ^gefallen, fu die Masse die Kirche durch das Theater ersetzen zu wollen; die es soll ore mau deutlich sieht, nur den Einfluß jener verstärken und ergänze» auch wil d°s Theater k me neue Moral lehren; Schiller kennt one and^ als d:e c.ete v°u Kirche und Staat anerkannte; hat ihn doch Nietz che °is M°r romp^er verhöhnt. Daß aber der kirchliche Einfluß der Stärkung und vies^ganzung durch andre erziehende Mächte dam^^t. Man muß sogar weiter gehn und sagen: sie bedarf oft ^ K°r^denn sie ist nicht selten arg in die Irre gegangen im Laufe der Jahrhuud - Aber abgesehen davon: ihre Hauptleistung besteht darin, daß sie em:ge Haupt- Wahrheiten und Hauptgruudsütze - die Moral der zehn Gebote - den He^unauslöschlich einpflanzt; deren richtiges Verständnis und richt. Anwe^ungunter wechselnden Verhältnissen und Zuständen ZU le^urch Beispiele und Lebensbilder zu verstärken, sind andre Pe s°^Ach Philosophen und Dichter, mitunter auch Staats« °se besser befähigt als die Geistlichen, und es geHort d°z» auch alles das was Schiller al Leistungen der Bühne noch weiter aufzahl Die Buhne Wild uns erhabne Vorbilder heroischer Tugend vor Augen le ^r des klugen Politikers Augustus ^on° van. °«. was ^keptikem ?n bißche komisch vorkommen mag). Und was noch w chttger se si r^Eitert uns mit der Darstellung von Torheiten, '.^s « ^wnd ebensosehr durch Torheit wie durch Verbrechen und Laster gestört- ^Wahrung lehrt es. die so alt ist wie die Welt, daß "n Gewebe in^Doge oft die größten Gewichte an den kleinsten und S°r e n Faden hängen wenn wir Handlungen zu ihrer Quelle Suruckbegle^lächeln müssen, ehe wir uns einmal entsetzen. Mem ^rzechms v°n w edlern wird mit jedem Tage, den ich älter werde, r. 'ab wem R^- Mer von Toren vollzähliger und länger. .. . ^ kenn um ein Mittel d^ Menschen vor Ver Wmmerung zu bewahren und d:e es se - sein He^gegen Schwächen zu schützen." Und da zudem die Elgenl ehe des Menschenweit empfindUcher ge en Spott und Verachtung sei als sem Gewissen gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/437>, abgerufen am 22.07.2024.