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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Bismarck und Thiers als Unterhändler

beiden armen Leute, mit denen er bei aller Not. die sie ihm machen, doch acht
tauschen möchte. Es gibt eben Schlimmeres, als von Thiers und Favre ge¬
quält zu werden." Und endlich kam am 26. Februar das Ende der Qual,
nachdem der Kaiser am 25. die Vollmacht für Bismarck zum Abschluß des vor¬
läufigen Friedens unterzeichnet hatte; Thiers nennt jenen Tag ..den grausamsten
seines Lebens". Um elf Uhr erschienen die beiden Franzosen, und um vier Uhr
zwölf Minuten hatte Bismarck allein die Unterhandlungen mit ehren endgiltig
abgeschlossen. Der General Hohenlohe*). der an eben diesem 26^zum Diner
beim Kronprinzen geladen war. sprach nach Tische mit General Kameke über
die vorläufigen Friedensbedingungen und fand ihn sehr erregt; denn es hatte
sich das Gerücht verbreitet. Bismarck wolle den Vorstellungen von Thiers nach¬
geben und auf den Besitz von Metz verzichten. Und in der Tat schrieb der
Kanzler am Tage nach der Unterzeichnung, am 27.. an seine Gatten. daß er
"mehr erreicht habe, als er für seine persönliche politische Berechnung nützlich
halte", und hob in bezug auf Metz die "sehr unverdaulichen Elemente' hervor;
er müsse indes ..nach oben und nach unten Stimmungen berücksichtigen, die eben
nicht rechnen". Seinen eignen Wunsch, seine persönliche Ansicht ordne e er also
auch bei diesem weltgeschichtlichen Ereignis höhern. namentlich militärischen
Rücksichten unter.

",...Noch etwas andres bewog ihn zum schleunigen Abschluß: er fürchtete
täglich eine Einmischung Englands. Denn der von Thiers sofort zum Bot¬
schafter in London ernannte Herzog von Broglie hatte den englisckien aus¬
wärtigen Minister Lord Granville schleunigst veranlaßt, bei der deutschen Le¬
gierung auf Ermäßigung der Kriegsentschädigung hinzuwirken. Was 18bb in
der Nacht vom 11 auf den 12. Juli in Zwittau bei Nikolsburg Bmedettt ge¬
lang, das versuchte damals der englische Geschäftsträger Russell Doch als er
A) bei Bismarck anmelden ließ, erhielt er die Antwort, durch die französischen
Unterhändler sei der Kanzler zu sehr in Anspruch g^men an ^empfangen zu können. Jedem Versuche der Intervention geschickt vorzubeug n
das glückte Bismarck wie in Nikolsbnrg so in Versailles Er begnüg sich
ier am 26. Februar damit, daß 1871 nur eine Milliarde, der Nest innen
drei Jahren gezahlt werden sollte, legte aber den Franzosen gewisse ..Daumen¬
schrauben" an.

Die süddeutschen Minister unterzeichneten mit Rücksicht darauf, daß ihre
Staaten ursprünglich selbständig Krieg führten. Als Thiers einer etwas ab¬
weichenden, mehr in partikularistischem Sinne 3^^" Fassung das
redete, sagte Bismarck. der aufs sorgsamste die Empsin^
ob Sachsens zu schonen bemüht war: ..Sie zerpflücken mir I" Meder d.e
deutsche Einheit" ^ki. o'est nous a> l'.vous Kies! erwiderte Thiers, und
Bismarck meinte achselzuckend: ?eut-gtre,.



)sezu Hohenlohe-Jug-lfingen, Aus meinem Leben. IV (Berlin, 1906). S. 472.
Grenzboten IV 1903
Bismarck und Thiers als Unterhändler

beiden armen Leute, mit denen er bei aller Not. die sie ihm machen, doch acht
tauschen möchte. Es gibt eben Schlimmeres, als von Thiers und Favre ge¬
quält zu werden." Und endlich kam am 26. Februar das Ende der Qual,
nachdem der Kaiser am 25. die Vollmacht für Bismarck zum Abschluß des vor¬
läufigen Friedens unterzeichnet hatte; Thiers nennt jenen Tag ..den grausamsten
seines Lebens". Um elf Uhr erschienen die beiden Franzosen, und um vier Uhr
zwölf Minuten hatte Bismarck allein die Unterhandlungen mit ehren endgiltig
abgeschlossen. Der General Hohenlohe*). der an eben diesem 26^zum Diner
beim Kronprinzen geladen war. sprach nach Tische mit General Kameke über
die vorläufigen Friedensbedingungen und fand ihn sehr erregt; denn es hatte
sich das Gerücht verbreitet. Bismarck wolle den Vorstellungen von Thiers nach¬
geben und auf den Besitz von Metz verzichten. Und in der Tat schrieb der
Kanzler am Tage nach der Unterzeichnung, am 27.. an seine Gatten. daß er
»mehr erreicht habe, als er für seine persönliche politische Berechnung nützlich
halte", und hob in bezug auf Metz die „sehr unverdaulichen Elemente' hervor;
er müsse indes ..nach oben und nach unten Stimmungen berücksichtigen, die eben
nicht rechnen". Seinen eignen Wunsch, seine persönliche Ansicht ordne e er also
auch bei diesem weltgeschichtlichen Ereignis höhern. namentlich militärischen
Rücksichten unter.

„,...Noch etwas andres bewog ihn zum schleunigen Abschluß: er fürchtete
täglich eine Einmischung Englands. Denn der von Thiers sofort zum Bot¬
schafter in London ernannte Herzog von Broglie hatte den englisckien aus¬
wärtigen Minister Lord Granville schleunigst veranlaßt, bei der deutschen Le¬
gierung auf Ermäßigung der Kriegsentschädigung hinzuwirken. Was 18bb in
der Nacht vom 11 auf den 12. Juli in Zwittau bei Nikolsburg Bmedettt ge¬
lang, das versuchte damals der englische Geschäftsträger Russell Doch als er
A) bei Bismarck anmelden ließ, erhielt er die Antwort, durch die französischen
Unterhändler sei der Kanzler zu sehr in Anspruch g^men an ^empfangen zu können. Jedem Versuche der Intervention geschickt vorzubeug n
das glückte Bismarck wie in Nikolsbnrg so in Versailles Er begnüg sich
ier am 26. Februar damit, daß 1871 nur eine Milliarde, der Nest innen
drei Jahren gezahlt werden sollte, legte aber den Franzosen gewisse ..Daumen¬
schrauben" an.

Die süddeutschen Minister unterzeichneten mit Rücksicht darauf, daß ihre
Staaten ursprünglich selbständig Krieg führten. Als Thiers einer etwas ab¬
weichenden, mehr in partikularistischem Sinne 3^^» Fassung das
redete, sagte Bismarck. der aufs sorgsamste die Empsin^
ob Sachsens zu schonen bemüht war: ..Sie zerpflücken mir I« Meder d.e
deutsche Einheit" ^ki. o'est nous a> l'.vous Kies! erwiderte Thiers, und
Bismarck meinte achselzuckend: ?eut-gtre,.



)sezu Hohenlohe-Jug-lfingen, Aus meinem Leben. IV (Berlin, 1906). S. 472.
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[0433] Bismarck und Thiers als Unterhändler beiden armen Leute, mit denen er bei aller Not. die sie ihm machen, doch acht tauschen möchte. Es gibt eben Schlimmeres, als von Thiers und Favre ge¬ quält zu werden." Und endlich kam am 26. Februar das Ende der Qual, nachdem der Kaiser am 25. die Vollmacht für Bismarck zum Abschluß des vor¬ läufigen Friedens unterzeichnet hatte; Thiers nennt jenen Tag ..den grausamsten seines Lebens". Um elf Uhr erschienen die beiden Franzosen, und um vier Uhr zwölf Minuten hatte Bismarck allein die Unterhandlungen mit ehren endgiltig abgeschlossen. Der General Hohenlohe*). der an eben diesem 26^zum Diner beim Kronprinzen geladen war. sprach nach Tische mit General Kameke über die vorläufigen Friedensbedingungen und fand ihn sehr erregt; denn es hatte sich das Gerücht verbreitet. Bismarck wolle den Vorstellungen von Thiers nach¬ geben und auf den Besitz von Metz verzichten. Und in der Tat schrieb der Kanzler am Tage nach der Unterzeichnung, am 27.. an seine Gatten. daß er »mehr erreicht habe, als er für seine persönliche politische Berechnung nützlich halte", und hob in bezug auf Metz die „sehr unverdaulichen Elemente' hervor; er müsse indes ..nach oben und nach unten Stimmungen berücksichtigen, die eben nicht rechnen". Seinen eignen Wunsch, seine persönliche Ansicht ordne e er also auch bei diesem weltgeschichtlichen Ereignis höhern. namentlich militärischen Rücksichten unter. „,...Noch etwas andres bewog ihn zum schleunigen Abschluß: er fürchtete täglich eine Einmischung Englands. Denn der von Thiers sofort zum Bot¬ schafter in London ernannte Herzog von Broglie hatte den englisckien aus¬ wärtigen Minister Lord Granville schleunigst veranlaßt, bei der deutschen Le¬ gierung auf Ermäßigung der Kriegsentschädigung hinzuwirken. Was 18bb in der Nacht vom 11 auf den 12. Juli in Zwittau bei Nikolsburg Bmedettt ge¬ lang, das versuchte damals der englische Geschäftsträger Russell Doch als er A) bei Bismarck anmelden ließ, erhielt er die Antwort, durch die französischen Unterhändler sei der Kanzler zu sehr in Anspruch g^men an ^empfangen zu können. Jedem Versuche der Intervention geschickt vorzubeug n das glückte Bismarck wie in Nikolsbnrg so in Versailles Er begnüg sich ier am 26. Februar damit, daß 1871 nur eine Milliarde, der Nest innen drei Jahren gezahlt werden sollte, legte aber den Franzosen gewisse ..Daumen¬ schrauben" an. Die süddeutschen Minister unterzeichneten mit Rücksicht darauf, daß ihre Staaten ursprünglich selbständig Krieg führten. Als Thiers einer etwas ab¬ weichenden, mehr in partikularistischem Sinne 3^^» Fassung das redete, sagte Bismarck. der aufs sorgsamste die Empsin^ ob Sachsens zu schonen bemüht war: ..Sie zerpflücken mir I« Meder d.e deutsche Einheit" ^ki. o'est nous a> l'.vous Kies! erwiderte Thiers, und Bismarck meinte achselzuckend: ?eut-gtre,. )sezu Hohenlohe-Jug-lfingen, Aus meinem Leben. IV (Berlin, 1906). S. 472. Grenzboten IV 1903

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/433>, abgerufen am 22.07.2024.