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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Bismarck und Thiers als Unterhändler

geantwortet haben: "Also steht doch noch eine Milliarde mehr zu Ihrer Dis¬
position? Das will ich mir merken. Denn bis jetzt wurde mir von allen
Seiten gesagt. Frankreich habe gar nicht Geld genug, um so viele Milliarden
zu bezahlen." Als Thiers einmal das Wort Europa wieder über die Lippen
kam. unterbrach er sich sofort und bat um Entschuldigung; Bismarcks Mahnung
am Tage zuvor hatte also die gewünschte Wirkung gehabt. Das Endergebnis
der Unterhandlungen am 22. Februar, wo der Waffenstillstand nach langem
Sträuben bis zum 26. abends verlängert wurde, faßte Hatzfeld dahin zusammen:
"Niemand weiß, wozu sie führen werden!" ^
rswollte

Am 23. Februar wurden sie nicht fortgesetzt, sondernie
Mor in Paris mit der Kommission beraten. "Der arme Mann soll doch recht
herunter sein", schreibt Abeken in seinem Tagebuche (S. 508). ..Der Minister
sagte, daß er vor innerer Aufregung kaum sprechen könne, und daß er. ,e be¬
wegter er sei. um so leiser und unverständlicher spreche." Bismarck hatte mit
seinem Scharfsinn herausgemerkt: dem Franzosen war es trotz überreichlicher
Wortschwalls doch nicht so bitterer Ernst mit der Weigerung des Verzichts auf
Metz, daß er deshalb die Friedensaussichten ernstlich gefährden würde. Deshalb
ließ der Kanzler am Nachmittag durch Keudell dem Großherzog von Baden
mitteilen, es sei sehr wünschenswert, den Franzosen keinerlei Andeutung von
der nachgiebigen Stimmung in bezug auf Metz zu machen. Semen Tischgästen
gegenüber erklärte Bismarck: ..Wir behalten Metz", und Thiers sprach abends
in Paris vor der Kommission von dem Verluste der Festung: er war nur über
den Lauf der Grenze namentlich bei Belfort noch in Sorge.do

Auch Freitag, den 24. Februar, erfolgte noch keine Entscheidung,
wurde der Waffenstillstand bis zum 3. Mürz verlängert; von ein bis halb sechs
Uhr verweilten Thiers und Favre beim Reichskanzler. Die Unterredung bewegte
sich "in großen Umrissen". Es wurde der (von den beiden Franzosen aller¬
dings nicht berichtete, aber anderweitig aufs beste bezeugte) Vor chlag gemacht.
Luxemburg an Deutschland zu bringen und dafür Metz bei Frankreich zu lassen.
Jedoch Bismarck erklärte sofort, es sei ausgeschlossen, daß Frankreich Mes
hielte; denn diese Festung bedeute für Deutschland in militärischer Beziehung
n°es bei weitem mehr als Straßburg und könne durch wu andres Zugeständnis
aufgewogen werden. Bei dem Kanzler machte sich also die Wucht der mili¬
tärischen Gründe wieder voll geltend, sobald es sich herausgestellt hatte, daß
die Franzosen nicht unbedingt an Metz festhalten würden. Thiers war zu klar¬
sehend, "um einen so aussichtslosen Kampf fortzusetzen", und versuchte nun¬
wehr, wenigstens Belfort für Frankreich zu retten. Etwa zwei Stunden lang
währte das diplomatische Ringen um diese Festung. Blsm°rak hob hervor das
ganze Elsaß müsse wieder an Deutschland fallen. Darauf konnte Thiers geltend
wachen. Belfort gehöre durchaus dem romanischen Sprachgebiete an. und erging
sich bald in Drohungen bald in Bitten. Buche ihm Belfort so wollte er sofort
unterzeichnen; beharre Deutschland aber auf dem Erwerb der Feste, so werde


Bismarck und Thiers als Unterhändler

geantwortet haben: „Also steht doch noch eine Milliarde mehr zu Ihrer Dis¬
position? Das will ich mir merken. Denn bis jetzt wurde mir von allen
Seiten gesagt. Frankreich habe gar nicht Geld genug, um so viele Milliarden
zu bezahlen." Als Thiers einmal das Wort Europa wieder über die Lippen
kam. unterbrach er sich sofort und bat um Entschuldigung; Bismarcks Mahnung
am Tage zuvor hatte also die gewünschte Wirkung gehabt. Das Endergebnis
der Unterhandlungen am 22. Februar, wo der Waffenstillstand nach langem
Sträuben bis zum 26. abends verlängert wurde, faßte Hatzfeld dahin zusammen:
"Niemand weiß, wozu sie führen werden!" ^
rswollte

Am 23. Februar wurden sie nicht fortgesetzt, sondernie
Mor in Paris mit der Kommission beraten. „Der arme Mann soll doch recht
herunter sein", schreibt Abeken in seinem Tagebuche (S. 508). ..Der Minister
sagte, daß er vor innerer Aufregung kaum sprechen könne, und daß er. ,e be¬
wegter er sei. um so leiser und unverständlicher spreche." Bismarck hatte mit
seinem Scharfsinn herausgemerkt: dem Franzosen war es trotz überreichlicher
Wortschwalls doch nicht so bitterer Ernst mit der Weigerung des Verzichts auf
Metz, daß er deshalb die Friedensaussichten ernstlich gefährden würde. Deshalb
ließ der Kanzler am Nachmittag durch Keudell dem Großherzog von Baden
mitteilen, es sei sehr wünschenswert, den Franzosen keinerlei Andeutung von
der nachgiebigen Stimmung in bezug auf Metz zu machen. Semen Tischgästen
gegenüber erklärte Bismarck: ..Wir behalten Metz", und Thiers sprach abends
in Paris vor der Kommission von dem Verluste der Festung: er war nur über
den Lauf der Grenze namentlich bei Belfort noch in Sorge.do

Auch Freitag, den 24. Februar, erfolgte noch keine Entscheidung,
wurde der Waffenstillstand bis zum 3. Mürz verlängert; von ein bis halb sechs
Uhr verweilten Thiers und Favre beim Reichskanzler. Die Unterredung bewegte
sich „in großen Umrissen". Es wurde der (von den beiden Franzosen aller¬
dings nicht berichtete, aber anderweitig aufs beste bezeugte) Vor chlag gemacht.
Luxemburg an Deutschland zu bringen und dafür Metz bei Frankreich zu lassen.
Jedoch Bismarck erklärte sofort, es sei ausgeschlossen, daß Frankreich Mes
hielte; denn diese Festung bedeute für Deutschland in militärischer Beziehung
n°es bei weitem mehr als Straßburg und könne durch wu andres Zugeständnis
aufgewogen werden. Bei dem Kanzler machte sich also die Wucht der mili¬
tärischen Gründe wieder voll geltend, sobald es sich herausgestellt hatte, daß
die Franzosen nicht unbedingt an Metz festhalten würden. Thiers war zu klar¬
sehend, „um einen so aussichtslosen Kampf fortzusetzen", und versuchte nun¬
wehr, wenigstens Belfort für Frankreich zu retten. Etwa zwei Stunden lang
währte das diplomatische Ringen um diese Festung. Blsm°rak hob hervor das
ganze Elsaß müsse wieder an Deutschland fallen. Darauf konnte Thiers geltend
wachen. Belfort gehöre durchaus dem romanischen Sprachgebiete an. und erging
sich bald in Drohungen bald in Bitten. Buche ihm Belfort so wollte er sofort
unterzeichnen; beharre Deutschland aber auf dem Erwerb der Feste, so werde


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[0429] Bismarck und Thiers als Unterhändler geantwortet haben: „Also steht doch noch eine Milliarde mehr zu Ihrer Dis¬ position? Das will ich mir merken. Denn bis jetzt wurde mir von allen Seiten gesagt. Frankreich habe gar nicht Geld genug, um so viele Milliarden zu bezahlen." Als Thiers einmal das Wort Europa wieder über die Lippen kam. unterbrach er sich sofort und bat um Entschuldigung; Bismarcks Mahnung am Tage zuvor hatte also die gewünschte Wirkung gehabt. Das Endergebnis der Unterhandlungen am 22. Februar, wo der Waffenstillstand nach langem Sträuben bis zum 26. abends verlängert wurde, faßte Hatzfeld dahin zusammen: "Niemand weiß, wozu sie führen werden!" ^ rswollte Am 23. Februar wurden sie nicht fortgesetzt, sondernie Mor in Paris mit der Kommission beraten. „Der arme Mann soll doch recht herunter sein", schreibt Abeken in seinem Tagebuche (S. 508). ..Der Minister sagte, daß er vor innerer Aufregung kaum sprechen könne, und daß er. ,e be¬ wegter er sei. um so leiser und unverständlicher spreche." Bismarck hatte mit seinem Scharfsinn herausgemerkt: dem Franzosen war es trotz überreichlicher Wortschwalls doch nicht so bitterer Ernst mit der Weigerung des Verzichts auf Metz, daß er deshalb die Friedensaussichten ernstlich gefährden würde. Deshalb ließ der Kanzler am Nachmittag durch Keudell dem Großherzog von Baden mitteilen, es sei sehr wünschenswert, den Franzosen keinerlei Andeutung von der nachgiebigen Stimmung in bezug auf Metz zu machen. Semen Tischgästen gegenüber erklärte Bismarck: ..Wir behalten Metz", und Thiers sprach abends in Paris vor der Kommission von dem Verluste der Festung: er war nur über den Lauf der Grenze namentlich bei Belfort noch in Sorge.do Auch Freitag, den 24. Februar, erfolgte noch keine Entscheidung, wurde der Waffenstillstand bis zum 3. Mürz verlängert; von ein bis halb sechs Uhr verweilten Thiers und Favre beim Reichskanzler. Die Unterredung bewegte sich „in großen Umrissen". Es wurde der (von den beiden Franzosen aller¬ dings nicht berichtete, aber anderweitig aufs beste bezeugte) Vor chlag gemacht. Luxemburg an Deutschland zu bringen und dafür Metz bei Frankreich zu lassen. Jedoch Bismarck erklärte sofort, es sei ausgeschlossen, daß Frankreich Mes hielte; denn diese Festung bedeute für Deutschland in militärischer Beziehung n°es bei weitem mehr als Straßburg und könne durch wu andres Zugeständnis aufgewogen werden. Bei dem Kanzler machte sich also die Wucht der mili¬ tärischen Gründe wieder voll geltend, sobald es sich herausgestellt hatte, daß die Franzosen nicht unbedingt an Metz festhalten würden. Thiers war zu klar¬ sehend, „um einen so aussichtslosen Kampf fortzusetzen", und versuchte nun¬ wehr, wenigstens Belfort für Frankreich zu retten. Etwa zwei Stunden lang währte das diplomatische Ringen um diese Festung. Blsm°rak hob hervor das ganze Elsaß müsse wieder an Deutschland fallen. Darauf konnte Thiers geltend wachen. Belfort gehöre durchaus dem romanischen Sprachgebiete an. und erging sich bald in Drohungen bald in Bitten. Buche ihm Belfort so wollte er sofort unterzeichnen; beharre Deutschland aber auf dem Erwerb der Feste, so werde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/429>, abgerufen am 22.07.2024.