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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Der Internationale Telegraphenverein

eine Strömung zu sein, die den internationalen Verkehr zugunsten des innern
Verkehrs tariflich belasten möchte. Denn anders ist es nicht zu erklären, daß
in den meisten Staaten der interne Tarif billiger ist, als ihr Anteil an der
internationalen Taxe beträgt. In der Schweiz kosten zum Beispiel zehn
Wörter 45 Pfennige, in Deutschland 50 Pfennige. Ein Telegramm von der
Schweiz nach Deutschland oder umgekehrt dürfte nun von Rechts wegen nicht
einmal 95 Pfennige kosten, weil ja doch in diesem Wechselverkehr die Selbst¬
kosten entweder für Annahme und Abtelegraphierung oder für die Aufnahme
und Bestellung wegfallen. Aber die internationale Taxe ist sogar noch höher,
als die beiderseitigen Jnlandsgebühren zusammengerechnet ergeben, nämlich
Schweiz-Deutschland 1,20 Mark und umgekehrt 1 Mark.

Hemmend in der Richtung der Gebührenermäßigung wirken aber auch,
wie schon angedeutet worden ist, die finanziellen Interessen der Kabelgesell¬
schaften. Gleich nach der glücklichen Legung der ersten Kabel in der Mitte
des vorigen Jahrhunderts hatten sich Kapitalisten und Spekulanten zu Gesell¬
schaften vereinigt und sich des neuen, aussichtsvollen Verkehrsmittels bemächtigt.
Die Tarife der Kabelgesellschaften mußten anfänglich hoch sein, denn die Kabel-
legungen waren ein sehr gewagtes und kostspieliges Unternehmen, und die
Aktionäre waren zu der Forderung berechtigt, ihre Kapitalien verzinst zu er¬
halten. Unter dem Einfluß der rasch nacheinander entstehenden Konkurrenz¬
linien und unter dem Drucke der Staatsregierungen, deren Konzessionen sie
bedurften, haben auch die Kabelgesellschaften ihre Tarife bedeutend ermüßigt.
Aber sie gründen ihre Einnahmen noch zu sehr auf die frühern hohen Tarife,
und als Erwerbsgesellschaften haben sie das Bestreben, den guten Rentabilität¬
stand gesichert zu erhalten. Eine derartige Gewährleistung kann nach dem
heutigen Stande der Dinge aber keine industrielle Unternehmung fordern. Die
privaten Kabelgesellschaften und solche Staaten, die jeden Schritt auf dem
Wege gründlicher Tarifreform von zu peinlichen Berechnungen abhängig
machen, sind dem Vorschlag des einheitlichen Worttarifs aus finanziellen
Gründen bisher immer entgegen gewesen.

Und doch muß die Einheitstaxe im europäischen Taxierungsbereich das
nächste Ziel des Internationalen Telcgraphenvereins sein; denn er ermöglicht
erst die volle Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Telegraphen. Der deutsche
Vorschlag von 1890 (Kongreß in Paris) forderte für Telegramme zwischen
zwei Nachbarländern eine Worttaxe von 12^ Centimes, zwischen den andern
Ländern 20 Centimes, die Mindestgebühr für jedes Telegramm sollte 1 Franken
betragen. Der Wortsatz für die unmittelbaren Nachbarstaaten von 12^ Centimes
enthält etwa das Doppelte der internen Sätze von 6 bis 8 Centimes, steht
also bei gleicher Telegrammzahl in beiden Richtungen für Ursprungs- und
Bestimmungsland dem internen Satze gleich. Dabei muß beachtet werden,
daß die Leistung einer Verwaltung beim internationalen Telegramm geringer
ist als beim internen. Der Satz von 20 Centimes für die nicht benachbarten


Der Internationale Telegraphenverein

eine Strömung zu sein, die den internationalen Verkehr zugunsten des innern
Verkehrs tariflich belasten möchte. Denn anders ist es nicht zu erklären, daß
in den meisten Staaten der interne Tarif billiger ist, als ihr Anteil an der
internationalen Taxe beträgt. In der Schweiz kosten zum Beispiel zehn
Wörter 45 Pfennige, in Deutschland 50 Pfennige. Ein Telegramm von der
Schweiz nach Deutschland oder umgekehrt dürfte nun von Rechts wegen nicht
einmal 95 Pfennige kosten, weil ja doch in diesem Wechselverkehr die Selbst¬
kosten entweder für Annahme und Abtelegraphierung oder für die Aufnahme
und Bestellung wegfallen. Aber die internationale Taxe ist sogar noch höher,
als die beiderseitigen Jnlandsgebühren zusammengerechnet ergeben, nämlich
Schweiz-Deutschland 1,20 Mark und umgekehrt 1 Mark.

Hemmend in der Richtung der Gebührenermäßigung wirken aber auch,
wie schon angedeutet worden ist, die finanziellen Interessen der Kabelgesell¬
schaften. Gleich nach der glücklichen Legung der ersten Kabel in der Mitte
des vorigen Jahrhunderts hatten sich Kapitalisten und Spekulanten zu Gesell¬
schaften vereinigt und sich des neuen, aussichtsvollen Verkehrsmittels bemächtigt.
Die Tarife der Kabelgesellschaften mußten anfänglich hoch sein, denn die Kabel-
legungen waren ein sehr gewagtes und kostspieliges Unternehmen, und die
Aktionäre waren zu der Forderung berechtigt, ihre Kapitalien verzinst zu er¬
halten. Unter dem Einfluß der rasch nacheinander entstehenden Konkurrenz¬
linien und unter dem Drucke der Staatsregierungen, deren Konzessionen sie
bedurften, haben auch die Kabelgesellschaften ihre Tarife bedeutend ermüßigt.
Aber sie gründen ihre Einnahmen noch zu sehr auf die frühern hohen Tarife,
und als Erwerbsgesellschaften haben sie das Bestreben, den guten Rentabilität¬
stand gesichert zu erhalten. Eine derartige Gewährleistung kann nach dem
heutigen Stande der Dinge aber keine industrielle Unternehmung fordern. Die
privaten Kabelgesellschaften und solche Staaten, die jeden Schritt auf dem
Wege gründlicher Tarifreform von zu peinlichen Berechnungen abhängig
machen, sind dem Vorschlag des einheitlichen Worttarifs aus finanziellen
Gründen bisher immer entgegen gewesen.

Und doch muß die Einheitstaxe im europäischen Taxierungsbereich das
nächste Ziel des Internationalen Telcgraphenvereins sein; denn er ermöglicht
erst die volle Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Telegraphen. Der deutsche
Vorschlag von 1890 (Kongreß in Paris) forderte für Telegramme zwischen
zwei Nachbarländern eine Worttaxe von 12^ Centimes, zwischen den andern
Ländern 20 Centimes, die Mindestgebühr für jedes Telegramm sollte 1 Franken
betragen. Der Wortsatz für die unmittelbaren Nachbarstaaten von 12^ Centimes
enthält etwa das Doppelte der internen Sätze von 6 bis 8 Centimes, steht
also bei gleicher Telegrammzahl in beiden Richtungen für Ursprungs- und
Bestimmungsland dem internen Satze gleich. Dabei muß beachtet werden,
daß die Leistung einer Verwaltung beim internationalen Telegramm geringer
ist als beim internen. Der Satz von 20 Centimes für die nicht benachbarten


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[0422] Der Internationale Telegraphenverein eine Strömung zu sein, die den internationalen Verkehr zugunsten des innern Verkehrs tariflich belasten möchte. Denn anders ist es nicht zu erklären, daß in den meisten Staaten der interne Tarif billiger ist, als ihr Anteil an der internationalen Taxe beträgt. In der Schweiz kosten zum Beispiel zehn Wörter 45 Pfennige, in Deutschland 50 Pfennige. Ein Telegramm von der Schweiz nach Deutschland oder umgekehrt dürfte nun von Rechts wegen nicht einmal 95 Pfennige kosten, weil ja doch in diesem Wechselverkehr die Selbst¬ kosten entweder für Annahme und Abtelegraphierung oder für die Aufnahme und Bestellung wegfallen. Aber die internationale Taxe ist sogar noch höher, als die beiderseitigen Jnlandsgebühren zusammengerechnet ergeben, nämlich Schweiz-Deutschland 1,20 Mark und umgekehrt 1 Mark. Hemmend in der Richtung der Gebührenermäßigung wirken aber auch, wie schon angedeutet worden ist, die finanziellen Interessen der Kabelgesell¬ schaften. Gleich nach der glücklichen Legung der ersten Kabel in der Mitte des vorigen Jahrhunderts hatten sich Kapitalisten und Spekulanten zu Gesell¬ schaften vereinigt und sich des neuen, aussichtsvollen Verkehrsmittels bemächtigt. Die Tarife der Kabelgesellschaften mußten anfänglich hoch sein, denn die Kabel- legungen waren ein sehr gewagtes und kostspieliges Unternehmen, und die Aktionäre waren zu der Forderung berechtigt, ihre Kapitalien verzinst zu er¬ halten. Unter dem Einfluß der rasch nacheinander entstehenden Konkurrenz¬ linien und unter dem Drucke der Staatsregierungen, deren Konzessionen sie bedurften, haben auch die Kabelgesellschaften ihre Tarife bedeutend ermüßigt. Aber sie gründen ihre Einnahmen noch zu sehr auf die frühern hohen Tarife, und als Erwerbsgesellschaften haben sie das Bestreben, den guten Rentabilität¬ stand gesichert zu erhalten. Eine derartige Gewährleistung kann nach dem heutigen Stande der Dinge aber keine industrielle Unternehmung fordern. Die privaten Kabelgesellschaften und solche Staaten, die jeden Schritt auf dem Wege gründlicher Tarifreform von zu peinlichen Berechnungen abhängig machen, sind dem Vorschlag des einheitlichen Worttarifs aus finanziellen Gründen bisher immer entgegen gewesen. Und doch muß die Einheitstaxe im europäischen Taxierungsbereich das nächste Ziel des Internationalen Telcgraphenvereins sein; denn er ermöglicht erst die volle Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Telegraphen. Der deutsche Vorschlag von 1890 (Kongreß in Paris) forderte für Telegramme zwischen zwei Nachbarländern eine Worttaxe von 12^ Centimes, zwischen den andern Ländern 20 Centimes, die Mindestgebühr für jedes Telegramm sollte 1 Franken betragen. Der Wortsatz für die unmittelbaren Nachbarstaaten von 12^ Centimes enthält etwa das Doppelte der internen Sätze von 6 bis 8 Centimes, steht also bei gleicher Telegrammzahl in beiden Richtungen für Ursprungs- und Bestimmungsland dem internen Satze gleich. Dabei muß beachtet werden, daß die Leistung einer Verwaltung beim internationalen Telegramm geringer ist als beim internen. Der Satz von 20 Centimes für die nicht benachbarten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/422>, abgerufen am 22.07.2024.