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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Reform der innern Verwaltung in Preußen

jedes andre zu demselben Ministerium gehörende Gebiet fast als lästiges An¬
hängsel empfunden werden muß. Aber auch die Geschäfte der Abteilungen ^
und L für die allgemeine Bauverwaltung sind derart gewachsen, daß für den
Minister die Grenzen wohl schon überschritten sind, zwischen denen von einer
Stelle aus alles noch zu übersehen ist. Es dürfte deshalb gerade jetzt, wo
eine umfassende Umgestaltung der allgemeinen Verwaltung anscheinend im
Werke ist, der Zeitpunkt gekommen sein, die beiden Verwaltungsgebiete end-
giltig zu trennen und je ein Eisenbahn- und ein Bcmtenministerinm einzu¬
richten. An der Spitze des Bautenministeriums müßte ein Techniker stehn,
und da der Wasserbau in volkswirtschaftlicher Hinsicht der wichtigere Teil ist
als der Hochbau, müßte ein Wasserbautechniker den Ministerposten erhalten.
Diesem Ministerium müßte der gesamte Wasserbau, also auch der sogenannte
landwirtschaftliche unterstellt sein, der dem landwirtschaftlichen Ministerium ab¬
zunehmen wäre.

Als Einzclorgane des Ministeriums wären Wasserbaudirektionen einzu¬
richten, die einen viel größern Umfang einzunehmen hätten als die zurzeit
bestehenden Strombauverwaltungen. Sie wären auf die ganzen Stromgebiete
bis zu den Wasserscheiden rechts und links auszudehnen, und in ihren Wirkungs¬
kreis würde der Ausbau, Unterhaltung, später der möglicherweise monopolisierte
Schleppbctrieb auf den Strömen, den schiffbaren Flüssen und Kanälen, die
Oberaufsicht über die Deiche und deren Verteidigung gegen Hochwasser und
Eisgefahr, soweit nicht die Deichverbände dazu verpflichtet sind (Eisbrech¬
dienst usw.), die Versorgung der Ortschaften mit Trink- und Betriebswasser,
die Kanalisation der Städte, die landwirtschaftlichen Meliorationen, Moor¬
kulturen usw. fallen. Diese Wasserbaudirektionen denke ich nur ähnlich ein¬
gerichtet wie die Eisenbahndirektionen mit je einem Präsidenten, natürlich
einem Wasserbciutechnikcr an der Spitze (zweite Rangklasse), der direkt unter
dem Minister steht, die Oberprüsidien könnten dabei ganz ausgeschaltet
werden.

Daß es angängig sein dürfte, die von mir nur skizzenhaft und ohne amt¬
liches Material vorgetragnen Wünsche und Forderungen hier und da abzu¬
ändern, ihnen an einer Stelle etwas zu nehmen, an einer andern etwas hinzu¬
zulegen, gebe ich ohne weiteres zu. Von den Hauptpunkten der die Herzen
der Techniker bewegenden Wünsche dürfte aber nicht abzugehn sein.

Es ist in Technikerkreisen freudig begrüßt worden, daß der Kaiser ihrer
Wissenschaft ein überaus warmes Interesse entgegenbringt. Es hat sich aber
nicht gezeigt, daß dadurch für die Techniker im allgemeinen irgend etwas von
dem, was in vorstehendem gefordert worden ist, gewonnen wäre. Es genügt
eben nicht, daß den technischen Hochschulen die Vornahme der Promotionen
zum Doktoringenieur verliehen worden ist, daß sich der Kaiser Vortrüge über
Wasserbau, der Kronprinz sich solche über Maschinenbau halten lassen, daß
die Rektoren der technischen Hochschulen zu Herrenhausmitgliedern ernannt


Die Reform der innern Verwaltung in Preußen

jedes andre zu demselben Ministerium gehörende Gebiet fast als lästiges An¬
hängsel empfunden werden muß. Aber auch die Geschäfte der Abteilungen ^
und L für die allgemeine Bauverwaltung sind derart gewachsen, daß für den
Minister die Grenzen wohl schon überschritten sind, zwischen denen von einer
Stelle aus alles noch zu übersehen ist. Es dürfte deshalb gerade jetzt, wo
eine umfassende Umgestaltung der allgemeinen Verwaltung anscheinend im
Werke ist, der Zeitpunkt gekommen sein, die beiden Verwaltungsgebiete end-
giltig zu trennen und je ein Eisenbahn- und ein Bcmtenministerinm einzu¬
richten. An der Spitze des Bautenministeriums müßte ein Techniker stehn,
und da der Wasserbau in volkswirtschaftlicher Hinsicht der wichtigere Teil ist
als der Hochbau, müßte ein Wasserbautechniker den Ministerposten erhalten.
Diesem Ministerium müßte der gesamte Wasserbau, also auch der sogenannte
landwirtschaftliche unterstellt sein, der dem landwirtschaftlichen Ministerium ab¬
zunehmen wäre.

Als Einzclorgane des Ministeriums wären Wasserbaudirektionen einzu¬
richten, die einen viel größern Umfang einzunehmen hätten als die zurzeit
bestehenden Strombauverwaltungen. Sie wären auf die ganzen Stromgebiete
bis zu den Wasserscheiden rechts und links auszudehnen, und in ihren Wirkungs¬
kreis würde der Ausbau, Unterhaltung, später der möglicherweise monopolisierte
Schleppbctrieb auf den Strömen, den schiffbaren Flüssen und Kanälen, die
Oberaufsicht über die Deiche und deren Verteidigung gegen Hochwasser und
Eisgefahr, soweit nicht die Deichverbände dazu verpflichtet sind (Eisbrech¬
dienst usw.), die Versorgung der Ortschaften mit Trink- und Betriebswasser,
die Kanalisation der Städte, die landwirtschaftlichen Meliorationen, Moor¬
kulturen usw. fallen. Diese Wasserbaudirektionen denke ich nur ähnlich ein¬
gerichtet wie die Eisenbahndirektionen mit je einem Präsidenten, natürlich
einem Wasserbciutechnikcr an der Spitze (zweite Rangklasse), der direkt unter
dem Minister steht, die Oberprüsidien könnten dabei ganz ausgeschaltet
werden.

Daß es angängig sein dürfte, die von mir nur skizzenhaft und ohne amt¬
liches Material vorgetragnen Wünsche und Forderungen hier und da abzu¬
ändern, ihnen an einer Stelle etwas zu nehmen, an einer andern etwas hinzu¬
zulegen, gebe ich ohne weiteres zu. Von den Hauptpunkten der die Herzen
der Techniker bewegenden Wünsche dürfte aber nicht abzugehn sein.

Es ist in Technikerkreisen freudig begrüßt worden, daß der Kaiser ihrer
Wissenschaft ein überaus warmes Interesse entgegenbringt. Es hat sich aber
nicht gezeigt, daß dadurch für die Techniker im allgemeinen irgend etwas von
dem, was in vorstehendem gefordert worden ist, gewonnen wäre. Es genügt
eben nicht, daß den technischen Hochschulen die Vornahme der Promotionen
zum Doktoringenieur verliehen worden ist, daß sich der Kaiser Vortrüge über
Wasserbau, der Kronprinz sich solche über Maschinenbau halten lassen, daß
die Rektoren der technischen Hochschulen zu Herrenhausmitgliedern ernannt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/382>, abgerufen am 22.07.2024.