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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Reform der innern Verwaltung in Preußen

Standpunkt vertrat, daß das verwaltende Amt eines Direktors nicht dem
Mediziner gebühre, sondern einem Juristen vorbehalten bleiben müsse. Fürst
Bismarck dachte anders darüber, er war nicht so engherzig, die Juristen für
die einzig brauchbaren Leute zu halten, und hat absichtlich einen Mediziner
an die Spitze gestellt, weil nach seiner Meinung die Bedürfnisse und Ziele
der Anstalt am besten von einem Fachmanne beurteilt würden.

Auf einer ähnlichen Linie wie in den beiden zuerst genannten Grenzboten-
nrtikeln, insofern sie Reformen der Verwaltung besprechen, bewegen sich die
Auslassungen des Geheimen Regierungsrath v. Massow in dem Kapitel über
die Reform der Staatsverwaltung in seinem Vnche: "Reform oder Revolution!",
ebenso die Artikel in Nummer 51 der Grenzboten vom Jahre 1900: "Wie es
heut bei den Regierungen zugeht" und in gewisser Hinsicht auch der Artikel
ebendaselbst in Nummer 52 vom Jahre 1902: "Klassendünkel und Sozial¬
politik." Es würde zu weit führen, in die Besprechung der genannten Artikel
näher einzutreten; ich empfehle aber, von ihnen Kenntnis zu nehmen.

Von dem unbefriedigender Verhältnis zwischen den Verwaltungsbeamten
und den Juristen erwarten die ersten Abhilfe durch die in Aussicht stehenden
Reformen. Aber nicht sie allein. Noch weit mehr beschwert durch die Zurück¬
setzung gegen die Beamten, die soeben als Rivalen geschildert wurden, mögen
sie als Verwaltnngsbecimte oder Juristen bezeichnet werden, fühle" sich die
Techniker jeglicher Richtung im Staatsdienst. Freilich kommt jenen beiden
Bcamtenklassen die Forderung der Techniker, daß auch sie ihren Platz an der
Sonne haben wollen, durchaus ungelegen; nunmehr werden die feindlichen
Brüder, die sich soeben noch heftig bekämpft haben -- in dem zweiten Grenz¬
botenartikel in Nummer 28 vom vorige" Jahre heißt es wenig freundschaftlich,
daß "als geradezu unerträglich die Art und Weise empfunden werden müsse,
wie die Juristen in der Verwaltung bevorzugt würden" --, sofort einig, um
den Wünsche" und Forderungen der Techniker als unberechtigt nachdrücklich
entgegentreten zu können.

Allbekannt ist der seit Jahrzehnten hin und her wogende Kampf zwischen
den juristisch vorgebildeten Verwaltungsbeamten und den Baubeamten bei der
Eisenbahnverwaltuug, oder wie man kurzweg zu sagen sich gewöhnt hat,
zwischen den Juristen und den Technikern. Möge eine berufnere Feder
immer wieder von neuem ihre Lage schildern, ihre Wünsche und Forderungen
aufstellen und verfechten, damit auch sie bei Neformierung der gesamten
Staatsverwaltung endlich zufriedengestellt werden möge". Im ganzen und
großen decken sich die Forderungen der Eisenbahntechniker mit denen der
Techniker der allgemeinen Bmwerwaltnng, für die ich das Wort zu ergreifen
beabsichtige. Ich gehöre zu thuen, da ich fast zwanzig Jahre lang als
Regierungs- und Baurat für Wasser- und Tiefbau Mitglied einer Königlichen
Regierung gewesen bin. Die Verhältnisse liegen bei der allgemeinen Bau¬
verwaltung einfacher als bei der Eisenbahnverwaltung. Die Fragen aber,


Die Reform der innern Verwaltung in Preußen

Standpunkt vertrat, daß das verwaltende Amt eines Direktors nicht dem
Mediziner gebühre, sondern einem Juristen vorbehalten bleiben müsse. Fürst
Bismarck dachte anders darüber, er war nicht so engherzig, die Juristen für
die einzig brauchbaren Leute zu halten, und hat absichtlich einen Mediziner
an die Spitze gestellt, weil nach seiner Meinung die Bedürfnisse und Ziele
der Anstalt am besten von einem Fachmanne beurteilt würden.

Auf einer ähnlichen Linie wie in den beiden zuerst genannten Grenzboten-
nrtikeln, insofern sie Reformen der Verwaltung besprechen, bewegen sich die
Auslassungen des Geheimen Regierungsrath v. Massow in dem Kapitel über
die Reform der Staatsverwaltung in seinem Vnche: „Reform oder Revolution!",
ebenso die Artikel in Nummer 51 der Grenzboten vom Jahre 1900: „Wie es
heut bei den Regierungen zugeht" und in gewisser Hinsicht auch der Artikel
ebendaselbst in Nummer 52 vom Jahre 1902: „Klassendünkel und Sozial¬
politik." Es würde zu weit führen, in die Besprechung der genannten Artikel
näher einzutreten; ich empfehle aber, von ihnen Kenntnis zu nehmen.

Von dem unbefriedigender Verhältnis zwischen den Verwaltungsbeamten
und den Juristen erwarten die ersten Abhilfe durch die in Aussicht stehenden
Reformen. Aber nicht sie allein. Noch weit mehr beschwert durch die Zurück¬
setzung gegen die Beamten, die soeben als Rivalen geschildert wurden, mögen
sie als Verwaltnngsbecimte oder Juristen bezeichnet werden, fühle» sich die
Techniker jeglicher Richtung im Staatsdienst. Freilich kommt jenen beiden
Bcamtenklassen die Forderung der Techniker, daß auch sie ihren Platz an der
Sonne haben wollen, durchaus ungelegen; nunmehr werden die feindlichen
Brüder, die sich soeben noch heftig bekämpft haben — in dem zweiten Grenz¬
botenartikel in Nummer 28 vom vorige» Jahre heißt es wenig freundschaftlich,
daß „als geradezu unerträglich die Art und Weise empfunden werden müsse,
wie die Juristen in der Verwaltung bevorzugt würden" —, sofort einig, um
den Wünsche» und Forderungen der Techniker als unberechtigt nachdrücklich
entgegentreten zu können.

Allbekannt ist der seit Jahrzehnten hin und her wogende Kampf zwischen
den juristisch vorgebildeten Verwaltungsbeamten und den Baubeamten bei der
Eisenbahnverwaltuug, oder wie man kurzweg zu sagen sich gewöhnt hat,
zwischen den Juristen und den Technikern. Möge eine berufnere Feder
immer wieder von neuem ihre Lage schildern, ihre Wünsche und Forderungen
aufstellen und verfechten, damit auch sie bei Neformierung der gesamten
Staatsverwaltung endlich zufriedengestellt werden möge». Im ganzen und
großen decken sich die Forderungen der Eisenbahntechniker mit denen der
Techniker der allgemeinen Bmwerwaltnng, für die ich das Wort zu ergreifen
beabsichtige. Ich gehöre zu thuen, da ich fast zwanzig Jahre lang als
Regierungs- und Baurat für Wasser- und Tiefbau Mitglied einer Königlichen
Regierung gewesen bin. Die Verhältnisse liegen bei der allgemeinen Bau¬
verwaltung einfacher als bei der Eisenbahnverwaltung. Die Fragen aber,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/378>, abgerufen am 22.07.2024.