Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.Das kochen der Freimaurerei Erkenntnisvermögens aller. Größte Verbreitung wissenschaftlichen Denkens und Die Auffassung, es könne und solle ein jeder mit Gott unmittelbar, ohne Bei diesen Klassikern aber tritt, ähnlich wie schon bei den Humanisten der Das kochen der Freimaurerei Erkenntnisvermögens aller. Größte Verbreitung wissenschaftlichen Denkens und Die Auffassung, es könne und solle ein jeder mit Gott unmittelbar, ohne Bei diesen Klassikern aber tritt, ähnlich wie schon bei den Humanisten der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0034" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310445"/> <fw type="header" place="top"> Das kochen der Freimaurerei</fw><lb/> <p xml:id="ID_95" prev="#ID_94"> Erkenntnisvermögens aller. Größte Verbreitung wissenschaftlichen Denkens und<lb/> wissenschaftlicher Erkenntnis bei unbedingter und unbegrenzter Forschungsfreiheit<lb/> wird hier als Grundprinzip der Volkserziehung anerkannt. Neben der Jnnen-<lb/> schau soll bei dem einzelnen die Außenschau in jeder Beziehung nach Kräften<lb/> entwickelt werden und damit die Erkenntnis der Alltagswirklichkcit mit allen<lb/> ihren Zusammenhängen von Ursache und Wirkung. „Aufklärung" lautet hier<lb/> die — vielfach mißdeutete und viel geschmähte — Forderung des Humcmitäts-<lb/> gedankcns, Entfesselung und Ausbildung aller im Menschentum, in der Per¬<lb/> sönlichkeit liegenden Erkenntniskräfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_96"> Die Auffassung, es könne und solle ein jeder mit Gott unmittelbar, ohne<lb/> Dogmengchorsam verkehren, also die Forderung der religiösen Intelligenz wird<lb/> von manchen Humanisten schon dem Urchristentum zugeschrieben. Christus — als<lb/> Verkünder des Humanitätsgedankens — soll nach dieser Anschauung die Schaffung<lb/> von Dogmen und die Begründung einer Kirchenherrschaft abgelehnt und lediglich<lb/> eine unmittelbare Gottesanbetung gewollt und gefordert haben. Jedenfalls aber<lb/> ist diese Begründung der Religion und der Sittlichkeit auf das im Menschen¬<lb/> tum, in der Menschennatur jedes einzelnen schlummernde Bedürfnis und Er¬<lb/> kenntnisvermögen in der Geistes- und Erziehungsgeschichte der Völker von<lb/> alters her immer wieder aufgetaucht, unablässig befehdet von den Verfechtern<lb/> eines herrschsüchtigen Dogmatismus und einer unduldsamen „Rechtgläubigst".<lb/> So finden wir jene humanitäre Auffassung zum Beispiel bei den Neuplatonikern<lb/> sowie in den Bestrebungen der Waldenser und Albigenser, der Böhmisch-<lb/> mährischen Brüder und der Täufer, der Independenten und der Quäker mit<lb/> wirksam. Die Wortführer der Renaissance und die Naturphilosophen des acht¬<lb/> zehnten Jahrhunderts waren großenteils Vertreter dieses Humanitätsgedankens,<lb/> ebenso die Vorkämpfer der Mystik und des Pietismus. In hervorragender<lb/> Weise ist insbesondre Comenius, der letzte Bischof der Böhmischen Brüder und<lb/> Mitbegründer der modernen Pädagogik, als Apostel jener Erziehungsanschauung<lb/> aufgetreten, wie die der Humanitütsforschung gewidmeten Veröffentlichungen<lb/> der Deutschen Comenius-Gesellschaft eingehend nachweisen. Vor allen jedoch<lb/> sind in Deutschland die Vertreter unsers klassischen Idealismus — voran Lessing<lb/> und Herder, Schiller und Goethe — als unermüdliche Verfechter jener adog¬<lb/> matischen, duldsamer, freiheitlichen Auffassung der religiös-sittlichen Menschheits¬<lb/> erziehung zu nennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_97" next="#ID_98"> Bei diesen Klassikern aber tritt, ähnlich wie schon bei den Humanisten der<lb/> Reformationszeit, bei Comenius und bei den Naturphilosophen, zugleich die<lb/> Forderung der „Aufklärung", der Entfesselung und allseitigen Ausbildung des<lb/> menschlichen Gesamtintcllekts als wichtiger Bestandteil des Humanitätsgedankens<lb/> deutlich hervor. Und als weitere Humanitätsidee — neben der Hochschätzung<lb/> des eignen religiösen Erlebens und der unbeschränkten Jntelligenzentwick-<lb/> lung — gesellt sich bei vielen neuern Humanisten hinzu die Wertschätzung auch<lb/> der äußern Freiheit des Individuums. Es kommt hier jene liberale Auffassung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
Das kochen der Freimaurerei
Erkenntnisvermögens aller. Größte Verbreitung wissenschaftlichen Denkens und
wissenschaftlicher Erkenntnis bei unbedingter und unbegrenzter Forschungsfreiheit
wird hier als Grundprinzip der Volkserziehung anerkannt. Neben der Jnnen-
schau soll bei dem einzelnen die Außenschau in jeder Beziehung nach Kräften
entwickelt werden und damit die Erkenntnis der Alltagswirklichkcit mit allen
ihren Zusammenhängen von Ursache und Wirkung. „Aufklärung" lautet hier
die — vielfach mißdeutete und viel geschmähte — Forderung des Humcmitäts-
gedankcns, Entfesselung und Ausbildung aller im Menschentum, in der Per¬
sönlichkeit liegenden Erkenntniskräfte.
Die Auffassung, es könne und solle ein jeder mit Gott unmittelbar, ohne
Dogmengchorsam verkehren, also die Forderung der religiösen Intelligenz wird
von manchen Humanisten schon dem Urchristentum zugeschrieben. Christus — als
Verkünder des Humanitätsgedankens — soll nach dieser Anschauung die Schaffung
von Dogmen und die Begründung einer Kirchenherrschaft abgelehnt und lediglich
eine unmittelbare Gottesanbetung gewollt und gefordert haben. Jedenfalls aber
ist diese Begründung der Religion und der Sittlichkeit auf das im Menschen¬
tum, in der Menschennatur jedes einzelnen schlummernde Bedürfnis und Er¬
kenntnisvermögen in der Geistes- und Erziehungsgeschichte der Völker von
alters her immer wieder aufgetaucht, unablässig befehdet von den Verfechtern
eines herrschsüchtigen Dogmatismus und einer unduldsamen „Rechtgläubigst".
So finden wir jene humanitäre Auffassung zum Beispiel bei den Neuplatonikern
sowie in den Bestrebungen der Waldenser und Albigenser, der Böhmisch-
mährischen Brüder und der Täufer, der Independenten und der Quäker mit
wirksam. Die Wortführer der Renaissance und die Naturphilosophen des acht¬
zehnten Jahrhunderts waren großenteils Vertreter dieses Humanitätsgedankens,
ebenso die Vorkämpfer der Mystik und des Pietismus. In hervorragender
Weise ist insbesondre Comenius, der letzte Bischof der Böhmischen Brüder und
Mitbegründer der modernen Pädagogik, als Apostel jener Erziehungsanschauung
aufgetreten, wie die der Humanitütsforschung gewidmeten Veröffentlichungen
der Deutschen Comenius-Gesellschaft eingehend nachweisen. Vor allen jedoch
sind in Deutschland die Vertreter unsers klassischen Idealismus — voran Lessing
und Herder, Schiller und Goethe — als unermüdliche Verfechter jener adog¬
matischen, duldsamer, freiheitlichen Auffassung der religiös-sittlichen Menschheits¬
erziehung zu nennen.
Bei diesen Klassikern aber tritt, ähnlich wie schon bei den Humanisten der
Reformationszeit, bei Comenius und bei den Naturphilosophen, zugleich die
Forderung der „Aufklärung", der Entfesselung und allseitigen Ausbildung des
menschlichen Gesamtintcllekts als wichtiger Bestandteil des Humanitätsgedankens
deutlich hervor. Und als weitere Humanitätsidee — neben der Hochschätzung
des eignen religiösen Erlebens und der unbeschränkten Jntelligenzentwick-
lung — gesellt sich bei vielen neuern Humanisten hinzu die Wertschätzung auch
der äußern Freiheit des Individuums. Es kommt hier jene liberale Auffassung
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |