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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Bismarck und Thiers als Unterhändler
L. Stutzer von in

n seinen "Gedanken und Erinnerungen" behandelt Bismarck ein¬
gehend die Gegensätze, die 1870 im Großen .Hauptquartier in
bezug auf die Erneuerung des Kaisertums zutage traten, geht
aber aus die Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht
näher ein. Über diese erschien von französischer Seite sehr bald
nach dem Kriege amtliches Material, namentlich die LnaMo varlamöiMire,
in dreizehn Bänden und Jules Favres vouvernomönt, sodaß schon 1875 der
Geschichtschreiber Sorel ein zweibändiges Werk unter dem Titel Histoirs
6ipiomÄtj<jre av 1a guerrs kranvo-anhin-uiäö veröffentlichte. Seitdem ist unsre
Kenntnis durch verschiedne wichtige Quellen wesentlich erweitert worden; zu
ihnen gehören auch die vielen Denkwürdigkeiten und Tagebücher, deren Ver¬
fasser eine mehr oder weniger bedeutende Rolle in den Jahren 1870 und 1871
gespielt haben. Weil nämlich ihre Darstellung subjektiv gefärbt sein muß,
gerade deshalb hat sie unter der Voraussetzung, daß sie durch andre gleichzeitige
Quellen bestätigt wird, für die geschichtliche Erkenntnis Wert oder ist doch für
die wissenschaftliche Forschung verwendbar. Von deutschen Schriften kommen
"ußer den unten gelegentlich erwähnten in erster Linie in Betracht: Abeken,
Ein schlichtes Leben aus bewegter Zeit (Berlin. 1893), Baumgarten-Jolly.
Staatsminister Jolly (Tübingen. 1897), Tagebücher des Generalfeldmarschalls
von Blumenthal (Stuttgart-Berlin, 1902), Bray-Steinburg, Denkwürdig¬
keiten (Stuttgart, 1904), Busch. Tagebuchblütter (Leipzig. 1899), Franken¬
berg. Kriegstagebücher (Stuttgart-Leipzig. 1896), Hatzfeld. Briefe (Leipzig.
1907), Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier (Breslau, 1394), Roon,
Denkwürdigkeiten (4.Auflage, Breslau, 1397). Stosch. .Denkwürdigkeiten (Stutt¬
gart-Leipzig, 1904). Auf französischer Seite sind zu den oben angeführten
Quellen, was Thiers betrifft, hinzugekommen das Werk von Simon,
souvernöiriMt ac Ur. Eimers (4. Auflage. Paris. 1879) sowie die Me"8 et
Souvenirs cle Ur. ?llisrs 1870--1873 (Paris, 1904).

Für uns ist in diesen "Erinnerungen" besonders wichtig der Bericht über
die im November 1870 und im Februar 1871 gcpfloguen Verhandlungen.
Ihren Gang können wir an den einzelnen Tagen durch Vergleichung der ver-
schiednen Darstellungen genau verfolgen, und daS gewährt sachlich wie persön¬
lich das höchste Interesse. Handelte es sich doch um den Preis für unerhörte,
aber mit Strömen von Blut erkaufte Siege, und stand doch dem deutschen




Bismarck und Thiers als Unterhändler
L. Stutzer von in

n seinen „Gedanken und Erinnerungen" behandelt Bismarck ein¬
gehend die Gegensätze, die 1870 im Großen .Hauptquartier in
bezug auf die Erneuerung des Kaisertums zutage traten, geht
aber aus die Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht
näher ein. Über diese erschien von französischer Seite sehr bald
nach dem Kriege amtliches Material, namentlich die LnaMo varlamöiMire,
in dreizehn Bänden und Jules Favres vouvernomönt, sodaß schon 1875 der
Geschichtschreiber Sorel ein zweibändiges Werk unter dem Titel Histoirs
6ipiomÄtj<jre av 1a guerrs kranvo-anhin-uiäö veröffentlichte. Seitdem ist unsre
Kenntnis durch verschiedne wichtige Quellen wesentlich erweitert worden; zu
ihnen gehören auch die vielen Denkwürdigkeiten und Tagebücher, deren Ver¬
fasser eine mehr oder weniger bedeutende Rolle in den Jahren 1870 und 1871
gespielt haben. Weil nämlich ihre Darstellung subjektiv gefärbt sein muß,
gerade deshalb hat sie unter der Voraussetzung, daß sie durch andre gleichzeitige
Quellen bestätigt wird, für die geschichtliche Erkenntnis Wert oder ist doch für
die wissenschaftliche Forschung verwendbar. Von deutschen Schriften kommen
"ußer den unten gelegentlich erwähnten in erster Linie in Betracht: Abeken,
Ein schlichtes Leben aus bewegter Zeit (Berlin. 1893), Baumgarten-Jolly.
Staatsminister Jolly (Tübingen. 1897), Tagebücher des Generalfeldmarschalls
von Blumenthal (Stuttgart-Berlin, 1902), Bray-Steinburg, Denkwürdig¬
keiten (Stuttgart, 1904), Busch. Tagebuchblütter (Leipzig. 1899), Franken¬
berg. Kriegstagebücher (Stuttgart-Leipzig. 1896), Hatzfeld. Briefe (Leipzig.
1907), Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier (Breslau, 1394), Roon,
Denkwürdigkeiten (4.Auflage, Breslau, 1397). Stosch. .Denkwürdigkeiten (Stutt¬
gart-Leipzig, 1904). Auf französischer Seite sind zu den oben angeführten
Quellen, was Thiers betrifft, hinzugekommen das Werk von Simon,
souvernöiriMt ac Ur. Eimers (4. Auflage. Paris. 1879) sowie die Me«8 et
Souvenirs cle Ur. ?llisrs 1870—1873 (Paris, 1904).

Für uns ist in diesen „Erinnerungen" besonders wichtig der Bericht über
die im November 1870 und im Februar 1871 gcpfloguen Verhandlungen.
Ihren Gang können wir an den einzelnen Tagen durch Vergleichung der ver-
schiednen Darstellungen genau verfolgen, und daS gewährt sachlich wie persön¬
lich das höchste Interesse. Handelte es sich doch um den Preis für unerhörte,
aber mit Strömen von Blut erkaufte Siege, und stand doch dem deutschen


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[0327] [Abbildung] Bismarck und Thiers als Unterhändler L. Stutzer von in n seinen „Gedanken und Erinnerungen" behandelt Bismarck ein¬ gehend die Gegensätze, die 1870 im Großen .Hauptquartier in bezug auf die Erneuerung des Kaisertums zutage traten, geht aber aus die Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht näher ein. Über diese erschien von französischer Seite sehr bald nach dem Kriege amtliches Material, namentlich die LnaMo varlamöiMire, in dreizehn Bänden und Jules Favres vouvernomönt, sodaß schon 1875 der Geschichtschreiber Sorel ein zweibändiges Werk unter dem Titel Histoirs 6ipiomÄtj<jre av 1a guerrs kranvo-anhin-uiäö veröffentlichte. Seitdem ist unsre Kenntnis durch verschiedne wichtige Quellen wesentlich erweitert worden; zu ihnen gehören auch die vielen Denkwürdigkeiten und Tagebücher, deren Ver¬ fasser eine mehr oder weniger bedeutende Rolle in den Jahren 1870 und 1871 gespielt haben. Weil nämlich ihre Darstellung subjektiv gefärbt sein muß, gerade deshalb hat sie unter der Voraussetzung, daß sie durch andre gleichzeitige Quellen bestätigt wird, für die geschichtliche Erkenntnis Wert oder ist doch für die wissenschaftliche Forschung verwendbar. Von deutschen Schriften kommen "ußer den unten gelegentlich erwähnten in erster Linie in Betracht: Abeken, Ein schlichtes Leben aus bewegter Zeit (Berlin. 1893), Baumgarten-Jolly. Staatsminister Jolly (Tübingen. 1897), Tagebücher des Generalfeldmarschalls von Blumenthal (Stuttgart-Berlin, 1902), Bray-Steinburg, Denkwürdig¬ keiten (Stuttgart, 1904), Busch. Tagebuchblütter (Leipzig. 1899), Franken¬ berg. Kriegstagebücher (Stuttgart-Leipzig. 1896), Hatzfeld. Briefe (Leipzig. 1907), Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier (Breslau, 1394), Roon, Denkwürdigkeiten (4.Auflage, Breslau, 1397). Stosch. .Denkwürdigkeiten (Stutt¬ gart-Leipzig, 1904). Auf französischer Seite sind zu den oben angeführten Quellen, was Thiers betrifft, hinzugekommen das Werk von Simon, souvernöiriMt ac Ur. Eimers (4. Auflage. Paris. 1879) sowie die Me«8 et Souvenirs cle Ur. ?llisrs 1870—1873 (Paris, 1904). Für uns ist in diesen „Erinnerungen" besonders wichtig der Bericht über die im November 1870 und im Februar 1871 gcpfloguen Verhandlungen. Ihren Gang können wir an den einzelnen Tagen durch Vergleichung der ver- schiednen Darstellungen genau verfolgen, und daS gewährt sachlich wie persön¬ lich das höchste Interesse. Handelte es sich doch um den Preis für unerhörte, aber mit Strömen von Blut erkaufte Siege, und stand doch dem deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/327>, abgerufen am 22.07.2024.