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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Betrachtungen zu den deutschen Kaisermanövern

le diesjährigen Kaisermanöver in den Reichslanden haben auf
allen militärischen Gebieten unter dem Zeichen des Fortschritts
gestanden. So ist es zunächst mit der Anlage der Manöver, der
Aufgabenstellung für die höhern Führer und dem Verlauf der
Ereignisse vom ersten bis zum letzten Tage gewesen, denn ihnen
allen war mehr als je zuvor der Stempel voller Kriegsmäßigkeit aufgedrückt,
soweit es die Friedensverhültnisse irgend zuließen. Dabei machten sich die
Einfachheit und die Klarheit der gegebnen Kriegslage ebenso vorteilhaft bemerkbar
wie die Sicherheit, mit der die beiden Führer der roten und der blauen Armee, die
Generale von Prittwitz und von Gilgenheimb, die ihnen erteilten Aufträge
^faßten und demgemäß ihre Befehle erteilten. Und wie die Führung so war
auch die Truppe. Noch bei keinem Manöver in Gegenwart des obersten Kriegs¬
herrn sind die Fortschritte in der gefechtsmäßigen Ausbildung der Infanterie
so deutlich erkennbar gewesen wie diesesmal, noch nirgends haben wir Gelegen¬
heit gehabt, die Lehren des russisch-japanischen Krieges in so großem Rahmen
^ folgerichtig angewandt zu sehn. Besonders hat das der Kampf um den
Wiwersberg am 9. September bestätigt, wo der vereinte Angriff des 15. Armee¬
korps gegen das hier in vorzüglicher Stellung versammelte 16. Armeekorps ganz
das Bild einer modernen Schlacht großen Stils geboten hat. Vom einzelnen
Mann bis zur Gruppe, zum Zuge und dann höher hinauf war das Streben
ZU erkennen, ungesehn an den Feind zu kommen, ihn zu überraschen und dann
durch die Wucht eines zielbewußter, einheitlichen Ansturms zurückzuwerfen.
Mit großem Geschick ist es den einzelnen Abteilungen gelungen, sich nach und
"ach an den Feind heranzuarbeiten und vom eignen Artillerieseuer wirksam
unterstützt den entscheidenden Stoß gerade im rechten Augenblick zu führen. Auch
die Kavallerie hat seit den letzten Jahren mancherlei gelernt. So insbesondre
auf dem wichtigen Gebiete der Aufklärungstätigkeit, für die die neue Feld¬
dienstordnung neue Grundsätze ausgestellt und ergänzende Bestimmungen erlassen
hat. Erwähnung verdienen davon die Fernpatrouillen, die, von Offizieren geführt,


Grenzboten IV 1908 42


Betrachtungen zu den deutschen Kaisermanövern

le diesjährigen Kaisermanöver in den Reichslanden haben auf
allen militärischen Gebieten unter dem Zeichen des Fortschritts
gestanden. So ist es zunächst mit der Anlage der Manöver, der
Aufgabenstellung für die höhern Führer und dem Verlauf der
Ereignisse vom ersten bis zum letzten Tage gewesen, denn ihnen
allen war mehr als je zuvor der Stempel voller Kriegsmäßigkeit aufgedrückt,
soweit es die Friedensverhültnisse irgend zuließen. Dabei machten sich die
Einfachheit und die Klarheit der gegebnen Kriegslage ebenso vorteilhaft bemerkbar
wie die Sicherheit, mit der die beiden Führer der roten und der blauen Armee, die
Generale von Prittwitz und von Gilgenheimb, die ihnen erteilten Aufträge
^faßten und demgemäß ihre Befehle erteilten. Und wie die Führung so war
auch die Truppe. Noch bei keinem Manöver in Gegenwart des obersten Kriegs¬
herrn sind die Fortschritte in der gefechtsmäßigen Ausbildung der Infanterie
so deutlich erkennbar gewesen wie diesesmal, noch nirgends haben wir Gelegen¬
heit gehabt, die Lehren des russisch-japanischen Krieges in so großem Rahmen
^ folgerichtig angewandt zu sehn. Besonders hat das der Kampf um den
Wiwersberg am 9. September bestätigt, wo der vereinte Angriff des 15. Armee¬
korps gegen das hier in vorzüglicher Stellung versammelte 16. Armeekorps ganz
das Bild einer modernen Schlacht großen Stils geboten hat. Vom einzelnen
Mann bis zur Gruppe, zum Zuge und dann höher hinauf war das Streben
ZU erkennen, ungesehn an den Feind zu kommen, ihn zu überraschen und dann
durch die Wucht eines zielbewußter, einheitlichen Ansturms zurückzuwerfen.
Mit großem Geschick ist es den einzelnen Abteilungen gelungen, sich nach und
"ach an den Feind heranzuarbeiten und vom eignen Artillerieseuer wirksam
unterstützt den entscheidenden Stoß gerade im rechten Augenblick zu führen. Auch
die Kavallerie hat seit den letzten Jahren mancherlei gelernt. So insbesondre
auf dem wichtigen Gebiete der Aufklärungstätigkeit, für die die neue Feld¬
dienstordnung neue Grundsätze ausgestellt und ergänzende Bestimmungen erlassen
hat. Erwähnung verdienen davon die Fernpatrouillen, die, von Offizieren geführt,


Grenzboten IV 1908 42
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[0317] [Abbildung] Betrachtungen zu den deutschen Kaisermanövern le diesjährigen Kaisermanöver in den Reichslanden haben auf allen militärischen Gebieten unter dem Zeichen des Fortschritts gestanden. So ist es zunächst mit der Anlage der Manöver, der Aufgabenstellung für die höhern Führer und dem Verlauf der Ereignisse vom ersten bis zum letzten Tage gewesen, denn ihnen allen war mehr als je zuvor der Stempel voller Kriegsmäßigkeit aufgedrückt, soweit es die Friedensverhültnisse irgend zuließen. Dabei machten sich die Einfachheit und die Klarheit der gegebnen Kriegslage ebenso vorteilhaft bemerkbar wie die Sicherheit, mit der die beiden Führer der roten und der blauen Armee, die Generale von Prittwitz und von Gilgenheimb, die ihnen erteilten Aufträge ^faßten und demgemäß ihre Befehle erteilten. Und wie die Führung so war auch die Truppe. Noch bei keinem Manöver in Gegenwart des obersten Kriegs¬ herrn sind die Fortschritte in der gefechtsmäßigen Ausbildung der Infanterie so deutlich erkennbar gewesen wie diesesmal, noch nirgends haben wir Gelegen¬ heit gehabt, die Lehren des russisch-japanischen Krieges in so großem Rahmen ^ folgerichtig angewandt zu sehn. Besonders hat das der Kampf um den Wiwersberg am 9. September bestätigt, wo der vereinte Angriff des 15. Armee¬ korps gegen das hier in vorzüglicher Stellung versammelte 16. Armeekorps ganz das Bild einer modernen Schlacht großen Stils geboten hat. Vom einzelnen Mann bis zur Gruppe, zum Zuge und dann höher hinauf war das Streben ZU erkennen, ungesehn an den Feind zu kommen, ihn zu überraschen und dann durch die Wucht eines zielbewußter, einheitlichen Ansturms zurückzuwerfen. Mit großem Geschick ist es den einzelnen Abteilungen gelungen, sich nach und "ach an den Feind heranzuarbeiten und vom eignen Artillerieseuer wirksam unterstützt den entscheidenden Stoß gerade im rechten Augenblick zu führen. Auch die Kavallerie hat seit den letzten Jahren mancherlei gelernt. So insbesondre auf dem wichtigen Gebiete der Aufklärungstätigkeit, für die die neue Feld¬ dienstordnung neue Grundsätze ausgestellt und ergänzende Bestimmungen erlassen hat. Erwähnung verdienen davon die Fernpatrouillen, die, von Offizieren geführt, Grenzboten IV 1908 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/317>, abgerufen am 22.07.2024.