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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Das !t)eher der Freimaurerei

Presse erwähnt, daß die Herrscher der drei nordischen Reiche dem Freimaurer¬
bunde angehören, daß asiatische Fürsten und Minister in die Reihen der
"Brüder" aufgenommen worden sind usw. Und dem deutschen Maurertum
kommt der Leser gelegentlich auf die Spur, wenn er erfährt, daß eine Anzahl
unsrer Geistesheroen -- insbesondre Herder, Lessing, Goethe. Wieland, Fichte
und andre Vertreter unsers klassischen Idealismus -- dem "Bruderbunde" an¬
gehörten und ebenso eine stattliche Reihe deutscher Fürsten, von Friedrich dem
Großen bis auf Kaiser Friedrich.

Aus alleu diesen und ähnlichen Lektürcerinnernngen machen sich heute
unsre Gebildeten eine gewisse Vorstellung vom Freimaurertum, die immerhin
darauf hinausläuft, daß die Freimaurerei auf manchen Gebieten, sei es im
guten oder im schlechten Sinne, etwas bedeutet, daß sie bedeutsame Ziele an¬
strebt. Mit dieser Vorstellung aber harmonieren wieder allerhand Erfahrungen
nicht, die man persönlich mit den einzelnen "Freimaurern", besonders in
Deutschland, macht. Am Stammtisch und in sonstiger Gesellschaft sitzt man
mit diesen "Brüdern" zusammen und fragt sich vergeblich, wie diese harmlosen
Leute die schlimmsten Gegner der Papstkirche sein sollen. Wie viele "Ritter
von der Gemütlichkeit" sind darunter, die froh sind, wenn man sie in Frieden
läßt. Auch von einer Geistesverwandtschaft mit Herder. Lessing. Goethe und
andern großen Bnndesbrüdern ist da manchmal nicht viel zu spüren. Aus
solchen Verkehrserfahrungen schöpft man dann wohl ein Urteil über die Frei¬
maurerei, wie es der Kladderadatsch einmal, anläßlich des Antifreimaurerkonzils
von Trient, in dem Verschen ausgesprochen hat:


Für ziemlich harmlos hielten wir bisher
Die Logenbrüder und für Biederleute.
An denen wenig auszusetzen wär',
Was tat es andern, wenn ihr Herz erfreute
Unschuldige Geheimniskrämerei,
Etwas Getu mit Schurzfell und mit Kelle?!

Diese Anschauung von der Freimaurerei aber reimt sich doch am Ende nicht
recht zusammen mit eben jener Tatsache, daß das Papsttum den Freimaurerbund
wieder und wieder heftig befehdet, und daß dieser in manchen Staaten (so in
Rußland) geradezu verboten ist; sie widerstreitet schließlich auch jener andern
Erfahrung, daß sich viele erleuchtete Geister aller Nationen als Anhänger frei¬
maurerischer Grundsätze bekannt haben. Da muß schließlich das eigentliche
Wesen der Freimaurerei doch in etwas anderm bestehn als in dem bloßen
"Getu mit Schurzfell und mit Kelle".

Aber worin denn? Über diesen Punkt ist sich die landläufige Vor¬
stellung von der Freimaurerei zumeist sehr im unklaren. Und diese Unklarheit
wird noch dadurch vermehrt, daß manche heutigen "Logenbrüder", wenn sie
befragt werden, mit klaren Anschauungen vom Wesen der Freimaurerei eben¬
falls nicht aufzuwarten vermögen. Da ergibt sich dann leicht die Meinung,
die Freimaurerei habe überhaupt keinen ihren Anhängern gemeinsamen, ent-


Das !t)eher der Freimaurerei

Presse erwähnt, daß die Herrscher der drei nordischen Reiche dem Freimaurer¬
bunde angehören, daß asiatische Fürsten und Minister in die Reihen der
„Brüder" aufgenommen worden sind usw. Und dem deutschen Maurertum
kommt der Leser gelegentlich auf die Spur, wenn er erfährt, daß eine Anzahl
unsrer Geistesheroen — insbesondre Herder, Lessing, Goethe. Wieland, Fichte
und andre Vertreter unsers klassischen Idealismus — dem „Bruderbunde" an¬
gehörten und ebenso eine stattliche Reihe deutscher Fürsten, von Friedrich dem
Großen bis auf Kaiser Friedrich.

Aus alleu diesen und ähnlichen Lektürcerinnernngen machen sich heute
unsre Gebildeten eine gewisse Vorstellung vom Freimaurertum, die immerhin
darauf hinausläuft, daß die Freimaurerei auf manchen Gebieten, sei es im
guten oder im schlechten Sinne, etwas bedeutet, daß sie bedeutsame Ziele an¬
strebt. Mit dieser Vorstellung aber harmonieren wieder allerhand Erfahrungen
nicht, die man persönlich mit den einzelnen „Freimaurern", besonders in
Deutschland, macht. Am Stammtisch und in sonstiger Gesellschaft sitzt man
mit diesen „Brüdern" zusammen und fragt sich vergeblich, wie diese harmlosen
Leute die schlimmsten Gegner der Papstkirche sein sollen. Wie viele „Ritter
von der Gemütlichkeit" sind darunter, die froh sind, wenn man sie in Frieden
läßt. Auch von einer Geistesverwandtschaft mit Herder. Lessing. Goethe und
andern großen Bnndesbrüdern ist da manchmal nicht viel zu spüren. Aus
solchen Verkehrserfahrungen schöpft man dann wohl ein Urteil über die Frei¬
maurerei, wie es der Kladderadatsch einmal, anläßlich des Antifreimaurerkonzils
von Trient, in dem Verschen ausgesprochen hat:


Für ziemlich harmlos hielten wir bisher
Die Logenbrüder und für Biederleute.
An denen wenig auszusetzen wär',
Was tat es andern, wenn ihr Herz erfreute
Unschuldige Geheimniskrämerei,
Etwas Getu mit Schurzfell und mit Kelle?!

Diese Anschauung von der Freimaurerei aber reimt sich doch am Ende nicht
recht zusammen mit eben jener Tatsache, daß das Papsttum den Freimaurerbund
wieder und wieder heftig befehdet, und daß dieser in manchen Staaten (so in
Rußland) geradezu verboten ist; sie widerstreitet schließlich auch jener andern
Erfahrung, daß sich viele erleuchtete Geister aller Nationen als Anhänger frei¬
maurerischer Grundsätze bekannt haben. Da muß schließlich das eigentliche
Wesen der Freimaurerei doch in etwas anderm bestehn als in dem bloßen
«Getu mit Schurzfell und mit Kelle".

Aber worin denn? Über diesen Punkt ist sich die landläufige Vor¬
stellung von der Freimaurerei zumeist sehr im unklaren. Und diese Unklarheit
wird noch dadurch vermehrt, daß manche heutigen „Logenbrüder", wenn sie
befragt werden, mit klaren Anschauungen vom Wesen der Freimaurerei eben¬
falls nicht aufzuwarten vermögen. Da ergibt sich dann leicht die Meinung,
die Freimaurerei habe überhaupt keinen ihren Anhängern gemeinsamen, ent-


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[0031] Das !t)eher der Freimaurerei Presse erwähnt, daß die Herrscher der drei nordischen Reiche dem Freimaurer¬ bunde angehören, daß asiatische Fürsten und Minister in die Reihen der „Brüder" aufgenommen worden sind usw. Und dem deutschen Maurertum kommt der Leser gelegentlich auf die Spur, wenn er erfährt, daß eine Anzahl unsrer Geistesheroen — insbesondre Herder, Lessing, Goethe. Wieland, Fichte und andre Vertreter unsers klassischen Idealismus — dem „Bruderbunde" an¬ gehörten und ebenso eine stattliche Reihe deutscher Fürsten, von Friedrich dem Großen bis auf Kaiser Friedrich. Aus alleu diesen und ähnlichen Lektürcerinnernngen machen sich heute unsre Gebildeten eine gewisse Vorstellung vom Freimaurertum, die immerhin darauf hinausläuft, daß die Freimaurerei auf manchen Gebieten, sei es im guten oder im schlechten Sinne, etwas bedeutet, daß sie bedeutsame Ziele an¬ strebt. Mit dieser Vorstellung aber harmonieren wieder allerhand Erfahrungen nicht, die man persönlich mit den einzelnen „Freimaurern", besonders in Deutschland, macht. Am Stammtisch und in sonstiger Gesellschaft sitzt man mit diesen „Brüdern" zusammen und fragt sich vergeblich, wie diese harmlosen Leute die schlimmsten Gegner der Papstkirche sein sollen. Wie viele „Ritter von der Gemütlichkeit" sind darunter, die froh sind, wenn man sie in Frieden läßt. Auch von einer Geistesverwandtschaft mit Herder. Lessing. Goethe und andern großen Bnndesbrüdern ist da manchmal nicht viel zu spüren. Aus solchen Verkehrserfahrungen schöpft man dann wohl ein Urteil über die Frei¬ maurerei, wie es der Kladderadatsch einmal, anläßlich des Antifreimaurerkonzils von Trient, in dem Verschen ausgesprochen hat: Für ziemlich harmlos hielten wir bisher Die Logenbrüder und für Biederleute. An denen wenig auszusetzen wär', Was tat es andern, wenn ihr Herz erfreute Unschuldige Geheimniskrämerei, Etwas Getu mit Schurzfell und mit Kelle?! Diese Anschauung von der Freimaurerei aber reimt sich doch am Ende nicht recht zusammen mit eben jener Tatsache, daß das Papsttum den Freimaurerbund wieder und wieder heftig befehdet, und daß dieser in manchen Staaten (so in Rußland) geradezu verboten ist; sie widerstreitet schließlich auch jener andern Erfahrung, daß sich viele erleuchtete Geister aller Nationen als Anhänger frei¬ maurerischer Grundsätze bekannt haben. Da muß schließlich das eigentliche Wesen der Freimaurerei doch in etwas anderm bestehn als in dem bloßen «Getu mit Schurzfell und mit Kelle". Aber worin denn? Über diesen Punkt ist sich die landläufige Vor¬ stellung von der Freimaurerei zumeist sehr im unklaren. Und diese Unklarheit wird noch dadurch vermehrt, daß manche heutigen „Logenbrüder", wenn sie befragt werden, mit klaren Anschauungen vom Wesen der Freimaurerei eben¬ falls nicht aufzuwarten vermögen. Da ergibt sich dann leicht die Meinung, die Freimaurerei habe überhaupt keinen ihren Anhängern gemeinsamen, ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/31>, abgerufen am 02.10.2024.