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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Über das Lrfindergeschlecht Siemers

Die Familieuüberlieferung berichtet also keine falschen Tatsachen, nur
hinsichtlich der Personen und der Gradesnähe hatte allmählich eine Verwischung
stattgefunden. Dadurch ist es denn gekommen, daß Werner in seinen "Lebens¬
erinnerungen" schreibt! "Die alte Familienlegende werde von den neuern Familien¬
geschichtsforschern als nicht erwiesen verworfen," Er kannte eben nnr die Tat¬
sachen, Die Personen, für die diese zutreffen, waren damals noch nicht auf¬
geklärt.

Die Heldin des Magdeburger Abenteuers ist insofern als Ahnfrau für das
Geschlecht Siemers wichtig, als dnrch sie und ihrer Tochter Anna Vermittlung
der Kinderreichtum zu einer hervorstechenden Familieneigentümlichkeit des Ge¬
schlechtes Siemers bis auf die Gegenwart geworden ist. Überschaut man nämlich
den Stammbaum des Geschlechtes in der Folgezeit, so bemerkt man fast überall
einen reichen Kindersegen. In einzelnen Fällen kommen Zahlen von 13, 14 und
15 Kindern vor, während vor dein Einströmen des Volkmarschen Blutes die
Kinderzahlen das gewöhnliche Maß nicht überschreiten.

Das Geschlecht Siemers selbst kann in Goslar bis zum Jahre 1523 zurück
urkundlich verfolgt werden, und zwar bis zu der Person eines Petrowin Siemers,
der als Mitglied der Krämergilde und Hauseigentümer in der Bürgerrolle von
Goslar erscheint. Seine weitern Nachkommen sind zunächst angesehene Hand¬
werker, Ratsherren und Stadthauptleute in Goslar.

Von Hans Henning ab, gestorben 1725, dem Sohne eines regierenden
Bürgermeisters von Goslar, bis ans den Bater der berühmten Brüder Siemers
des neunzehnten Jahrhunderts sind die Vorfahren der berühmten Erfinderbrnder
und die Brüder dieser Vorfahren eine ganz ausgeprägte Familie von Land¬
wirten. Alle diese Personen begegnen dem Forscher ans dem Stammbaum
als Gutspüchter oder Eigentümer; sie sind anscheinend alle durchaus gebildete
Männer, auch gebildete Landwirte, die ihren landwirtschaftlichen Beruf nach dem
jeweiligen Stande der Kenntnis wissenschaftlich betreiben, aber es sind eben doch
Landwirte und keine Erfinder, Es drängt sich darum die Frage auf, ob es
berechtigt ist, von einem "Erfiudergeschlecht" Siemers zu sprechen, wie dieses
in einem englischen Aufsatz: ^ damit^ ot'Invöntors^) geschehen ist, da doch an¬
scheinend mit dem großen Werner und seinen Brüdern der Erfindertypus zuerst
in dein Geschlechte auftaucht.

Dem ist aber durchaus nicht so.

Schon von einem Grvßoheim der berühmten Erfinderbrüder, nämlich von
Stephan August Siemers, geboren 1746, gestorben 1833, einem Landwirte dem
Berufe nach, steht fest, daß er die kennzeichnende Neigung der Siemers zur
Naturwissenschaft und Mechanik, daß er den Erfindertypus in hervorragendem
Grade gehabt hat,



*) von Lady Siemers, gebornen Gordon, der Gemahlin Sir Willianis, in vWsvII'" t'sui^
llüMÄuo, vt, I'vio (siehe unten) S, los.
Über das Lrfindergeschlecht Siemers

Die Familieuüberlieferung berichtet also keine falschen Tatsachen, nur
hinsichtlich der Personen und der Gradesnähe hatte allmählich eine Verwischung
stattgefunden. Dadurch ist es denn gekommen, daß Werner in seinen „Lebens¬
erinnerungen" schreibt! „Die alte Familienlegende werde von den neuern Familien¬
geschichtsforschern als nicht erwiesen verworfen," Er kannte eben nnr die Tat¬
sachen, Die Personen, für die diese zutreffen, waren damals noch nicht auf¬
geklärt.

Die Heldin des Magdeburger Abenteuers ist insofern als Ahnfrau für das
Geschlecht Siemers wichtig, als dnrch sie und ihrer Tochter Anna Vermittlung
der Kinderreichtum zu einer hervorstechenden Familieneigentümlichkeit des Ge¬
schlechtes Siemers bis auf die Gegenwart geworden ist. Überschaut man nämlich
den Stammbaum des Geschlechtes in der Folgezeit, so bemerkt man fast überall
einen reichen Kindersegen. In einzelnen Fällen kommen Zahlen von 13, 14 und
15 Kindern vor, während vor dein Einströmen des Volkmarschen Blutes die
Kinderzahlen das gewöhnliche Maß nicht überschreiten.

Das Geschlecht Siemers selbst kann in Goslar bis zum Jahre 1523 zurück
urkundlich verfolgt werden, und zwar bis zu der Person eines Petrowin Siemers,
der als Mitglied der Krämergilde und Hauseigentümer in der Bürgerrolle von
Goslar erscheint. Seine weitern Nachkommen sind zunächst angesehene Hand¬
werker, Ratsherren und Stadthauptleute in Goslar.

Von Hans Henning ab, gestorben 1725, dem Sohne eines regierenden
Bürgermeisters von Goslar, bis ans den Bater der berühmten Brüder Siemers
des neunzehnten Jahrhunderts sind die Vorfahren der berühmten Erfinderbrnder
und die Brüder dieser Vorfahren eine ganz ausgeprägte Familie von Land¬
wirten. Alle diese Personen begegnen dem Forscher ans dem Stammbaum
als Gutspüchter oder Eigentümer; sie sind anscheinend alle durchaus gebildete
Männer, auch gebildete Landwirte, die ihren landwirtschaftlichen Beruf nach dem
jeweiligen Stande der Kenntnis wissenschaftlich betreiben, aber es sind eben doch
Landwirte und keine Erfinder, Es drängt sich darum die Frage auf, ob es
berechtigt ist, von einem „Erfiudergeschlecht" Siemers zu sprechen, wie dieses
in einem englischen Aufsatz: ^ damit^ ot'Invöntors^) geschehen ist, da doch an¬
scheinend mit dem großen Werner und seinen Brüdern der Erfindertypus zuerst
in dein Geschlechte auftaucht.

Dem ist aber durchaus nicht so.

Schon von einem Grvßoheim der berühmten Erfinderbrüder, nämlich von
Stephan August Siemers, geboren 1746, gestorben 1833, einem Landwirte dem
Berufe nach, steht fest, daß er die kennzeichnende Neigung der Siemers zur
Naturwissenschaft und Mechanik, daß er den Erfindertypus in hervorragendem
Grade gehabt hat,



*) von Lady Siemers, gebornen Gordon, der Gemahlin Sir Willianis, in vWsvII'» t'sui^
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[0288] Über das Lrfindergeschlecht Siemers Die Familieuüberlieferung berichtet also keine falschen Tatsachen, nur hinsichtlich der Personen und der Gradesnähe hatte allmählich eine Verwischung stattgefunden. Dadurch ist es denn gekommen, daß Werner in seinen „Lebens¬ erinnerungen" schreibt! „Die alte Familienlegende werde von den neuern Familien¬ geschichtsforschern als nicht erwiesen verworfen," Er kannte eben nnr die Tat¬ sachen, Die Personen, für die diese zutreffen, waren damals noch nicht auf¬ geklärt. Die Heldin des Magdeburger Abenteuers ist insofern als Ahnfrau für das Geschlecht Siemers wichtig, als dnrch sie und ihrer Tochter Anna Vermittlung der Kinderreichtum zu einer hervorstechenden Familieneigentümlichkeit des Ge¬ schlechtes Siemers bis auf die Gegenwart geworden ist. Überschaut man nämlich den Stammbaum des Geschlechtes in der Folgezeit, so bemerkt man fast überall einen reichen Kindersegen. In einzelnen Fällen kommen Zahlen von 13, 14 und 15 Kindern vor, während vor dein Einströmen des Volkmarschen Blutes die Kinderzahlen das gewöhnliche Maß nicht überschreiten. Das Geschlecht Siemers selbst kann in Goslar bis zum Jahre 1523 zurück urkundlich verfolgt werden, und zwar bis zu der Person eines Petrowin Siemers, der als Mitglied der Krämergilde und Hauseigentümer in der Bürgerrolle von Goslar erscheint. Seine weitern Nachkommen sind zunächst angesehene Hand¬ werker, Ratsherren und Stadthauptleute in Goslar. Von Hans Henning ab, gestorben 1725, dem Sohne eines regierenden Bürgermeisters von Goslar, bis ans den Bater der berühmten Brüder Siemers des neunzehnten Jahrhunderts sind die Vorfahren der berühmten Erfinderbrnder und die Brüder dieser Vorfahren eine ganz ausgeprägte Familie von Land¬ wirten. Alle diese Personen begegnen dem Forscher ans dem Stammbaum als Gutspüchter oder Eigentümer; sie sind anscheinend alle durchaus gebildete Männer, auch gebildete Landwirte, die ihren landwirtschaftlichen Beruf nach dem jeweiligen Stande der Kenntnis wissenschaftlich betreiben, aber es sind eben doch Landwirte und keine Erfinder, Es drängt sich darum die Frage auf, ob es berechtigt ist, von einem „Erfiudergeschlecht" Siemers zu sprechen, wie dieses in einem englischen Aufsatz: ^ damit^ ot'Invöntors^) geschehen ist, da doch an¬ scheinend mit dem großen Werner und seinen Brüdern der Erfindertypus zuerst in dein Geschlechte auftaucht. Dem ist aber durchaus nicht so. Schon von einem Grvßoheim der berühmten Erfinderbrüder, nämlich von Stephan August Siemers, geboren 1746, gestorben 1833, einem Landwirte dem Berufe nach, steht fest, daß er die kennzeichnende Neigung der Siemers zur Naturwissenschaft und Mechanik, daß er den Erfindertypus in hervorragendem Grade gehabt hat, *) von Lady Siemers, gebornen Gordon, der Gemahlin Sir Willianis, in vWsvII'» t'sui^ llüMÄuo, vt, I'vio (siehe unten) S, los.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/288>, abgerufen am 22.07.2024.