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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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"Österreich - Ungarn und die Wehrreform

Ofsizierbildungsanstalten (Kadettenschulen, Militärrealschnlen, Akademien) ein¬
geführt, durch die mancher veraltete Ballast beseitigt wurde, ferner wurde die
Ausrüstung des Heeres mit einer neuen hechtgrauen Felduniform eingeleitet,
vor allem das Heer mit dem neuen, modernen Artilleriematerial ausgestattet
und die Artillerie zugleich neu organisiert, wobei endlich mich die österreichische
-- vorläufig jedoch noch nicht die ungarische -- Landwehr die ihr zur kriegs¬
mäßigen Verwendung im Rahmen des Feldheeres bisher so sehr fehlenden
Batterien erhalten hat.

Seit diesem Herbst sind nämlich die hierüber im Frühjahr getroffnen
provisorischen Bestimmungen definitiv geworden: die in der jetzt abgeschafften
Korpsartillerie, deren Existenz den modernen Anschauungen nicht mehr ent¬
sprach, vereinigt gewesenen Feldkanonen- und leichten Feldhnubitzregimenter
wurden derart auf das ganze Heer verteilt, daß nunmehr jede Jnfcmterietruppen-
division des gemeinsamen Heeres sowie der österreichischen Landwehr ein Feld¬
kanonenregiment zu 4 Batterie" nud eine leichte Feldhaubitzabteilung zu
2 Batterien erhalten hat. Das normale, sich aus zwei Linien- und einer
Landwehrdivision zusammensetzende Armeekorps enthält somit jetzt 18 Batterien
(einschließlich 6 Feldhaubitzbatterien) mit 103 Geschützen; dagegen besitzt das
deutsche (mobile) Armeekorps 24 Batterien mit zusammen 144 Geschützen, und
das französische wird, nach Abschluß der im Gange befindlichen Neuorganisation,
schon in nächster Zeit jedenfalls auf 30 Batterien (zu je 4 Kanonen), also auf
120 Geschütze gebracht werden: man sieht daraus, wie sehr der österreichischen
Armee noch immer eine bedeutende Vermehrung ihrer Feldarüllerie dringend
nottut.

Als eine wesentliche Verbesserung, die neuerdings schon erfolgt oder
für das Etatsjahr 1908 vorgesehen ist, ist ferner die Aufstellung von
Maschinengewehrabteilungen zu erwähnen, deren Zahl sich zurzeit auf 39 In¬
fanterie- und 2 Kavalleriemaschinengewehrabteilnngen beläuft, die aber auf
zusammen 130 Maschinengewehre erhöht werden soll. Ferner ist zu erwähnen,
daß für das Jahr 1908 in Aussicht genommen sind: die organisatorische Aus¬
gestaltung und Vermehrung der Gebirgsartillerie, Schaffung von ansuchenden
Kadres für die schwere Artillerie des Feldheeres und einige andre Maßnahmen
nebensächlicher Art zur Beseitigung dringlicher Schäden und Lücken in der
bisherigen Organisation des Heeres. Eine sehr bedeutungsvolle und für
die schnelle und glatte Durchführung der Mobilmachung wichtige Neuerung ist
schließlich auch die eben erst erfolgte Einteilung des ganzen Reiches in
39 Laudsturmbezirke, in denen Landsturmbezirkskommandos zur Durchführung
des Landsturmwesens nach Art unsrer Bezirkskommandos mit genügendem
Personal an Offizieren und Mannschaften fungieren.

Der wesentlichste und schwerwiegendste Nachteil, an dem das Heer fort¬
dauernd zu leiden hat, die zahlenmüßige Schwäche fast aller Truppeneinheiten,
war aber bisher durch einzelne Etatveründerungen nicht zu beseitigen gewesen,


«Österreich - Ungarn und die Wehrreform

Ofsizierbildungsanstalten (Kadettenschulen, Militärrealschnlen, Akademien) ein¬
geführt, durch die mancher veraltete Ballast beseitigt wurde, ferner wurde die
Ausrüstung des Heeres mit einer neuen hechtgrauen Felduniform eingeleitet,
vor allem das Heer mit dem neuen, modernen Artilleriematerial ausgestattet
und die Artillerie zugleich neu organisiert, wobei endlich mich die österreichische
— vorläufig jedoch noch nicht die ungarische — Landwehr die ihr zur kriegs¬
mäßigen Verwendung im Rahmen des Feldheeres bisher so sehr fehlenden
Batterien erhalten hat.

Seit diesem Herbst sind nämlich die hierüber im Frühjahr getroffnen
provisorischen Bestimmungen definitiv geworden: die in der jetzt abgeschafften
Korpsartillerie, deren Existenz den modernen Anschauungen nicht mehr ent¬
sprach, vereinigt gewesenen Feldkanonen- und leichten Feldhnubitzregimenter
wurden derart auf das ganze Heer verteilt, daß nunmehr jede Jnfcmterietruppen-
division des gemeinsamen Heeres sowie der österreichischen Landwehr ein Feld¬
kanonenregiment zu 4 Batterie» nud eine leichte Feldhaubitzabteilung zu
2 Batterien erhalten hat. Das normale, sich aus zwei Linien- und einer
Landwehrdivision zusammensetzende Armeekorps enthält somit jetzt 18 Batterien
(einschließlich 6 Feldhaubitzbatterien) mit 103 Geschützen; dagegen besitzt das
deutsche (mobile) Armeekorps 24 Batterien mit zusammen 144 Geschützen, und
das französische wird, nach Abschluß der im Gange befindlichen Neuorganisation,
schon in nächster Zeit jedenfalls auf 30 Batterien (zu je 4 Kanonen), also auf
120 Geschütze gebracht werden: man sieht daraus, wie sehr der österreichischen
Armee noch immer eine bedeutende Vermehrung ihrer Feldarüllerie dringend
nottut.

Als eine wesentliche Verbesserung, die neuerdings schon erfolgt oder
für das Etatsjahr 1908 vorgesehen ist, ist ferner die Aufstellung von
Maschinengewehrabteilungen zu erwähnen, deren Zahl sich zurzeit auf 39 In¬
fanterie- und 2 Kavalleriemaschinengewehrabteilnngen beläuft, die aber auf
zusammen 130 Maschinengewehre erhöht werden soll. Ferner ist zu erwähnen,
daß für das Jahr 1908 in Aussicht genommen sind: die organisatorische Aus¬
gestaltung und Vermehrung der Gebirgsartillerie, Schaffung von ansuchenden
Kadres für die schwere Artillerie des Feldheeres und einige andre Maßnahmen
nebensächlicher Art zur Beseitigung dringlicher Schäden und Lücken in der
bisherigen Organisation des Heeres. Eine sehr bedeutungsvolle und für
die schnelle und glatte Durchführung der Mobilmachung wichtige Neuerung ist
schließlich auch die eben erst erfolgte Einteilung des ganzen Reiches in
39 Laudsturmbezirke, in denen Landsturmbezirkskommandos zur Durchführung
des Landsturmwesens nach Art unsrer Bezirkskommandos mit genügendem
Personal an Offizieren und Mannschaften fungieren.

Der wesentlichste und schwerwiegendste Nachteil, an dem das Heer fort¬
dauernd zu leiden hat, die zahlenmüßige Schwäche fast aller Truppeneinheiten,
war aber bisher durch einzelne Etatveründerungen nicht zu beseitigen gewesen,


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[0268] «Österreich - Ungarn und die Wehrreform Ofsizierbildungsanstalten (Kadettenschulen, Militärrealschnlen, Akademien) ein¬ geführt, durch die mancher veraltete Ballast beseitigt wurde, ferner wurde die Ausrüstung des Heeres mit einer neuen hechtgrauen Felduniform eingeleitet, vor allem das Heer mit dem neuen, modernen Artilleriematerial ausgestattet und die Artillerie zugleich neu organisiert, wobei endlich mich die österreichische — vorläufig jedoch noch nicht die ungarische — Landwehr die ihr zur kriegs¬ mäßigen Verwendung im Rahmen des Feldheeres bisher so sehr fehlenden Batterien erhalten hat. Seit diesem Herbst sind nämlich die hierüber im Frühjahr getroffnen provisorischen Bestimmungen definitiv geworden: die in der jetzt abgeschafften Korpsartillerie, deren Existenz den modernen Anschauungen nicht mehr ent¬ sprach, vereinigt gewesenen Feldkanonen- und leichten Feldhnubitzregimenter wurden derart auf das ganze Heer verteilt, daß nunmehr jede Jnfcmterietruppen- division des gemeinsamen Heeres sowie der österreichischen Landwehr ein Feld¬ kanonenregiment zu 4 Batterie» nud eine leichte Feldhaubitzabteilung zu 2 Batterien erhalten hat. Das normale, sich aus zwei Linien- und einer Landwehrdivision zusammensetzende Armeekorps enthält somit jetzt 18 Batterien (einschließlich 6 Feldhaubitzbatterien) mit 103 Geschützen; dagegen besitzt das deutsche (mobile) Armeekorps 24 Batterien mit zusammen 144 Geschützen, und das französische wird, nach Abschluß der im Gange befindlichen Neuorganisation, schon in nächster Zeit jedenfalls auf 30 Batterien (zu je 4 Kanonen), also auf 120 Geschütze gebracht werden: man sieht daraus, wie sehr der österreichischen Armee noch immer eine bedeutende Vermehrung ihrer Feldarüllerie dringend nottut. Als eine wesentliche Verbesserung, die neuerdings schon erfolgt oder für das Etatsjahr 1908 vorgesehen ist, ist ferner die Aufstellung von Maschinengewehrabteilungen zu erwähnen, deren Zahl sich zurzeit auf 39 In¬ fanterie- und 2 Kavalleriemaschinengewehrabteilnngen beläuft, die aber auf zusammen 130 Maschinengewehre erhöht werden soll. Ferner ist zu erwähnen, daß für das Jahr 1908 in Aussicht genommen sind: die organisatorische Aus¬ gestaltung und Vermehrung der Gebirgsartillerie, Schaffung von ansuchenden Kadres für die schwere Artillerie des Feldheeres und einige andre Maßnahmen nebensächlicher Art zur Beseitigung dringlicher Schäden und Lücken in der bisherigen Organisation des Heeres. Eine sehr bedeutungsvolle und für die schnelle und glatte Durchführung der Mobilmachung wichtige Neuerung ist schließlich auch die eben erst erfolgte Einteilung des ganzen Reiches in 39 Laudsturmbezirke, in denen Landsturmbezirkskommandos zur Durchführung des Landsturmwesens nach Art unsrer Bezirkskommandos mit genügendem Personal an Offizieren und Mannschaften fungieren. Der wesentlichste und schwerwiegendste Nachteil, an dem das Heer fort¬ dauernd zu leiden hat, die zahlenmüßige Schwäche fast aller Truppeneinheiten, war aber bisher durch einzelne Etatveründerungen nicht zu beseitigen gewesen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/268>, abgerufen am 22.07.2024.