Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gsterreich - Ungarn und die lVehrresorin

3000 Mann erreichen -- das Resultat aber war, aus dem vorstehend an¬
gegebnen Grunde, ziemlich kläglich: nur die Nekrutenzahl für die kaiserlich-
königliche Landwehr konnte in der geforderten Höhe (4637 M.) erreicht werden,
da hier das Abgeordnetenhaus zu Budapest nicht mitzusprechen hatte. Weitere
kleine Erhöhungen der Landwehr erfolgten dann noch in den Jahren 1904
bis 1907 zusämmett üm 3251 Mann, sodaß die Gesamtziffer der Landwehr"
rekruteu im Jahre 1907 15050 Mann (einschließlich 550 Landschützen von
Tirol und Vorarlberg) betrug.

Das Heeresbüdget für 1908 enthielt in der Summe von 306219653 Kronen
(zu denen noch ein Teilkredit von 15 Millionen aus Anlaß der Beschaffung
des neuen Feldmaterials trat) eine Mehrfordernng von 7476607 gegen das
Vorjahr. Diese ist bestimmt: für organisatorische Ausgestaltung der Feld-
und Gebirgsartillerie, Schaffung von Kadres und Ausgestaltung solcher für
die schwere Artillerie des Feldheers sowie Aufstellung weiterer Maschinengewehr-
abteilnngen. Da aber eine Erhöhung des Nekrntenkontingents vorläufig nicht
erreichbar war, so mußte man, wie schon in den frühern Jahren, zu dem
ziemlich kläglichen Aushilfsmittel greifen, den Mannschaftsbedarf für die ge¬
nannten allerdringendsten Neuformationen aus dem Etat der Infanterie zu ent¬
nehmen, wodurch der schon sowieso überaus niedrige Stand der Einheiten dieser
Waffe noch weiter herabgedrückt werden mußte.

Jetzt endlich nimmt man in Wien einen Anlauf, diesem kümmerlichen,
seit Jahren fortgesetzten Armeeflickwerk dnrch Einführung der Wehrreform
ein Ende zu bereiten, die Wehrkraft des Reiches auf eine breitere und
festere Basis zu stellen und sie zugleich den heutigen Verhältnissen ent¬
sprechend zu erhöhen. Wie der österreichische Landesverteidigungsminister
F.-M.-L. Georgi kürzlich geäußert hat, erwartet die Regierung bestimmt, daß
noch in diesem Herbst, bei der dann beginnenden Tagung der Delegationen,
das neue Wehrgesetz zur Beratung gelangen werde, und man rechnet mit der
Erledigung des ganzen Gesetzes bestimmt im nächsten Jahre. Die Negierung
will bekanntlich im Gegensatz zu den Wünschen der jetzigen Majorität in
Ungarn die Wahlreform vorher erledigt sehen, und die ungarische Unabhängig¬
keitspartei hofft, im Verein mit der Verfassungspartei, und vielleicht auch mit
der ihr sonst nicht sympathischen Volkspartei, das Wehrreformprojekt wenigstens
insofern benutzen zu können, als sie -- zur Belohnung für die Zusage zu
diesem -- darauf rechnet, eine Milderung der ursprünglichen Absichten dabei
durchzudrücken: vor allem Anwendung des Pluralitätssystems sowie Sicherung
des Übergewichts der städtischen Bevölkerung über die ländliche behufs
Aufrechterhaltung der magyarischen Herrschaft im vielsprachigen Reiche der
Stephanskrone.

Das österreichisch-ungarische Heer setzt sich zusammen aus fünfzehn Armee¬
korps und dem Militärkommaudo Zara, zusammen enthaltend 31 Jnfanterie-
und 5 Kavalleridivisionen mit 267 Bataillonen, 252 Eskadrons, 254 Batterien


Gsterreich - Ungarn und die lVehrresorin

3000 Mann erreichen — das Resultat aber war, aus dem vorstehend an¬
gegebnen Grunde, ziemlich kläglich: nur die Nekrutenzahl für die kaiserlich-
königliche Landwehr konnte in der geforderten Höhe (4637 M.) erreicht werden,
da hier das Abgeordnetenhaus zu Budapest nicht mitzusprechen hatte. Weitere
kleine Erhöhungen der Landwehr erfolgten dann noch in den Jahren 1904
bis 1907 zusämmett üm 3251 Mann, sodaß die Gesamtziffer der Landwehr«
rekruteu im Jahre 1907 15050 Mann (einschließlich 550 Landschützen von
Tirol und Vorarlberg) betrug.

Das Heeresbüdget für 1908 enthielt in der Summe von 306219653 Kronen
(zu denen noch ein Teilkredit von 15 Millionen aus Anlaß der Beschaffung
des neuen Feldmaterials trat) eine Mehrfordernng von 7476607 gegen das
Vorjahr. Diese ist bestimmt: für organisatorische Ausgestaltung der Feld-
und Gebirgsartillerie, Schaffung von Kadres und Ausgestaltung solcher für
die schwere Artillerie des Feldheers sowie Aufstellung weiterer Maschinengewehr-
abteilnngen. Da aber eine Erhöhung des Nekrntenkontingents vorläufig nicht
erreichbar war, so mußte man, wie schon in den frühern Jahren, zu dem
ziemlich kläglichen Aushilfsmittel greifen, den Mannschaftsbedarf für die ge¬
nannten allerdringendsten Neuformationen aus dem Etat der Infanterie zu ent¬
nehmen, wodurch der schon sowieso überaus niedrige Stand der Einheiten dieser
Waffe noch weiter herabgedrückt werden mußte.

Jetzt endlich nimmt man in Wien einen Anlauf, diesem kümmerlichen,
seit Jahren fortgesetzten Armeeflickwerk dnrch Einführung der Wehrreform
ein Ende zu bereiten, die Wehrkraft des Reiches auf eine breitere und
festere Basis zu stellen und sie zugleich den heutigen Verhältnissen ent¬
sprechend zu erhöhen. Wie der österreichische Landesverteidigungsminister
F.-M.-L. Georgi kürzlich geäußert hat, erwartet die Regierung bestimmt, daß
noch in diesem Herbst, bei der dann beginnenden Tagung der Delegationen,
das neue Wehrgesetz zur Beratung gelangen werde, und man rechnet mit der
Erledigung des ganzen Gesetzes bestimmt im nächsten Jahre. Die Negierung
will bekanntlich im Gegensatz zu den Wünschen der jetzigen Majorität in
Ungarn die Wahlreform vorher erledigt sehen, und die ungarische Unabhängig¬
keitspartei hofft, im Verein mit der Verfassungspartei, und vielleicht auch mit
der ihr sonst nicht sympathischen Volkspartei, das Wehrreformprojekt wenigstens
insofern benutzen zu können, als sie — zur Belohnung für die Zusage zu
diesem — darauf rechnet, eine Milderung der ursprünglichen Absichten dabei
durchzudrücken: vor allem Anwendung des Pluralitätssystems sowie Sicherung
des Übergewichts der städtischen Bevölkerung über die ländliche behufs
Aufrechterhaltung der magyarischen Herrschaft im vielsprachigen Reiche der
Stephanskrone.

Das österreichisch-ungarische Heer setzt sich zusammen aus fünfzehn Armee¬
korps und dem Militärkommaudo Zara, zusammen enthaltend 31 Jnfanterie-
und 5 Kavalleridivisionen mit 267 Bataillonen, 252 Eskadrons, 254 Batterien


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310677"/>
          <fw type="header" place="top"> Gsterreich - Ungarn und die lVehrresorin</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389"> 3000 Mann erreichen &#x2014; das Resultat aber war, aus dem vorstehend an¬<lb/>
gegebnen Grunde, ziemlich kläglich: nur die Nekrutenzahl für die kaiserlich-<lb/>
königliche Landwehr konnte in der geforderten Höhe (4637 M.) erreicht werden,<lb/>
da hier das Abgeordnetenhaus zu Budapest nicht mitzusprechen hatte. Weitere<lb/>
kleine Erhöhungen der Landwehr erfolgten dann noch in den Jahren 1904<lb/>
bis 1907 zusämmett üm 3251 Mann, sodaß die Gesamtziffer der Landwehr«<lb/>
rekruteu im Jahre 1907 15050 Mann (einschließlich 550 Landschützen von<lb/>
Tirol und Vorarlberg) betrug.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1391"> Das Heeresbüdget für 1908 enthielt in der Summe von 306219653 Kronen<lb/>
(zu denen noch ein Teilkredit von 15 Millionen aus Anlaß der Beschaffung<lb/>
des neuen Feldmaterials trat) eine Mehrfordernng von 7476607 gegen das<lb/>
Vorjahr. Diese ist bestimmt: für organisatorische Ausgestaltung der Feld-<lb/>
und Gebirgsartillerie, Schaffung von Kadres und Ausgestaltung solcher für<lb/>
die schwere Artillerie des Feldheers sowie Aufstellung weiterer Maschinengewehr-<lb/>
abteilnngen. Da aber eine Erhöhung des Nekrntenkontingents vorläufig nicht<lb/>
erreichbar war, so mußte man, wie schon in den frühern Jahren, zu dem<lb/>
ziemlich kläglichen Aushilfsmittel greifen, den Mannschaftsbedarf für die ge¬<lb/>
nannten allerdringendsten Neuformationen aus dem Etat der Infanterie zu ent¬<lb/>
nehmen, wodurch der schon sowieso überaus niedrige Stand der Einheiten dieser<lb/>
Waffe noch weiter herabgedrückt werden mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1392"> Jetzt endlich nimmt man in Wien einen Anlauf, diesem kümmerlichen,<lb/>
seit Jahren fortgesetzten Armeeflickwerk dnrch Einführung der Wehrreform<lb/>
ein Ende zu bereiten, die Wehrkraft des Reiches auf eine breitere und<lb/>
festere Basis zu stellen und sie zugleich den heutigen Verhältnissen ent¬<lb/>
sprechend zu erhöhen. Wie der österreichische Landesverteidigungsminister<lb/>
F.-M.-L. Georgi kürzlich geäußert hat, erwartet die Regierung bestimmt, daß<lb/>
noch in diesem Herbst, bei der dann beginnenden Tagung der Delegationen,<lb/>
das neue Wehrgesetz zur Beratung gelangen werde, und man rechnet mit der<lb/>
Erledigung des ganzen Gesetzes bestimmt im nächsten Jahre. Die Negierung<lb/>
will bekanntlich im Gegensatz zu den Wünschen der jetzigen Majorität in<lb/>
Ungarn die Wahlreform vorher erledigt sehen, und die ungarische Unabhängig¬<lb/>
keitspartei hofft, im Verein mit der Verfassungspartei, und vielleicht auch mit<lb/>
der ihr sonst nicht sympathischen Volkspartei, das Wehrreformprojekt wenigstens<lb/>
insofern benutzen zu können, als sie &#x2014; zur Belohnung für die Zusage zu<lb/>
diesem &#x2014; darauf rechnet, eine Milderung der ursprünglichen Absichten dabei<lb/>
durchzudrücken: vor allem Anwendung des Pluralitätssystems sowie Sicherung<lb/>
des Übergewichts der städtischen Bevölkerung über die ländliche behufs<lb/>
Aufrechterhaltung der magyarischen Herrschaft im vielsprachigen Reiche der<lb/>
Stephanskrone.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1393" next="#ID_1394"> Das österreichisch-ungarische Heer setzt sich zusammen aus fünfzehn Armee¬<lb/>
korps und dem Militärkommaudo Zara, zusammen enthaltend 31 Jnfanterie-<lb/>
und 5 Kavalleridivisionen mit 267 Bataillonen, 252 Eskadrons, 254 Batterien</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0266] Gsterreich - Ungarn und die lVehrresorin 3000 Mann erreichen — das Resultat aber war, aus dem vorstehend an¬ gegebnen Grunde, ziemlich kläglich: nur die Nekrutenzahl für die kaiserlich- königliche Landwehr konnte in der geforderten Höhe (4637 M.) erreicht werden, da hier das Abgeordnetenhaus zu Budapest nicht mitzusprechen hatte. Weitere kleine Erhöhungen der Landwehr erfolgten dann noch in den Jahren 1904 bis 1907 zusämmett üm 3251 Mann, sodaß die Gesamtziffer der Landwehr« rekruteu im Jahre 1907 15050 Mann (einschließlich 550 Landschützen von Tirol und Vorarlberg) betrug. Das Heeresbüdget für 1908 enthielt in der Summe von 306219653 Kronen (zu denen noch ein Teilkredit von 15 Millionen aus Anlaß der Beschaffung des neuen Feldmaterials trat) eine Mehrfordernng von 7476607 gegen das Vorjahr. Diese ist bestimmt: für organisatorische Ausgestaltung der Feld- und Gebirgsartillerie, Schaffung von Kadres und Ausgestaltung solcher für die schwere Artillerie des Feldheers sowie Aufstellung weiterer Maschinengewehr- abteilnngen. Da aber eine Erhöhung des Nekrntenkontingents vorläufig nicht erreichbar war, so mußte man, wie schon in den frühern Jahren, zu dem ziemlich kläglichen Aushilfsmittel greifen, den Mannschaftsbedarf für die ge¬ nannten allerdringendsten Neuformationen aus dem Etat der Infanterie zu ent¬ nehmen, wodurch der schon sowieso überaus niedrige Stand der Einheiten dieser Waffe noch weiter herabgedrückt werden mußte. Jetzt endlich nimmt man in Wien einen Anlauf, diesem kümmerlichen, seit Jahren fortgesetzten Armeeflickwerk dnrch Einführung der Wehrreform ein Ende zu bereiten, die Wehrkraft des Reiches auf eine breitere und festere Basis zu stellen und sie zugleich den heutigen Verhältnissen ent¬ sprechend zu erhöhen. Wie der österreichische Landesverteidigungsminister F.-M.-L. Georgi kürzlich geäußert hat, erwartet die Regierung bestimmt, daß noch in diesem Herbst, bei der dann beginnenden Tagung der Delegationen, das neue Wehrgesetz zur Beratung gelangen werde, und man rechnet mit der Erledigung des ganzen Gesetzes bestimmt im nächsten Jahre. Die Negierung will bekanntlich im Gegensatz zu den Wünschen der jetzigen Majorität in Ungarn die Wahlreform vorher erledigt sehen, und die ungarische Unabhängig¬ keitspartei hofft, im Verein mit der Verfassungspartei, und vielleicht auch mit der ihr sonst nicht sympathischen Volkspartei, das Wehrreformprojekt wenigstens insofern benutzen zu können, als sie — zur Belohnung für die Zusage zu diesem — darauf rechnet, eine Milderung der ursprünglichen Absichten dabei durchzudrücken: vor allem Anwendung des Pluralitätssystems sowie Sicherung des Übergewichts der städtischen Bevölkerung über die ländliche behufs Aufrechterhaltung der magyarischen Herrschaft im vielsprachigen Reiche der Stephanskrone. Das österreichisch-ungarische Heer setzt sich zusammen aus fünfzehn Armee¬ korps und dem Militärkommaudo Zara, zusammen enthaltend 31 Jnfanterie- und 5 Kavalleridivisionen mit 267 Bataillonen, 252 Eskadrons, 254 Batterien

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/266
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/266>, abgerufen am 22.07.2024.