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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Ziele und Aussichten der Äartenstadtbewegung

wird, um Gemeindeland ohne Verzicht auf die künftige Wertsteigcrnng zu
Bauzwecken zu verwerten. Nach einer vorher ausgemachten Frist, während
der der Erbbaubcrechtigte eine bestimmte Rente zu zahlen hat, fällt das Erb¬
baurecht und das auf Grund dieses Rechts errichtete Hans an den Boden¬
besitzer zurück. Um den Erbbauberechtigten an einer guten Instandhaltung
des Unwesens zu interessieren, wird in den meisten Fällen eine Vergütung
des beim Rückfall noch vorhandnen Bauwerkes vorgesehen. Eine zweite
Rechtsform, die der Genossenschaft das Obcreigentum sichert, ist das vor allem
durch die Stadt Ulm angewandte Wiederkaufrecht. Darin behält sich die
Stadtgemeinde das Recht vor, im Falle eines jeden Besitzwechsels das An¬
wesen zu dem Preise zurückerwerben zu können, den man findet, wenn
man von dem ursprünglichen Kaufpreise die Abnutzung abrechnet und die Ver¬
besserungen hinzurechnet.

Ganz besondre Bedeutung für den Ausschluß der Spekulation und für
eine gemeinnützige Regelung der Wohnungs- und Bodenpreise ist der Bau¬
tätigkeit von Baugenossenschaften beizulegen, die die Häuser im genossenschaft¬
lichen Gemeinbesitz erhalten und die Wohnungen an die Genossen nur zur
Miete abgeben. Hier wird der gesamte Wertzuwachs, der in einer aufblühenden
Gemeinde mit Bestimmtheit zu erwarten ist, der Gesamtheit der Genossen zu¬
geführt.

Bei der Abgabe von Grundstücken zu industriellen Zwecken würde man
wahrscheinlich den Fabrikanten entgegenkommen müssen, da sonst die hypo¬
thekarische Beleihung dieser Grundstücke auf allzu große Schwierigkeiten stoßen
würde. Hier käme die Abgabe in freies Eigentum in Betracht, wobei aller¬
dings die spekulative Ausnutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken grund¬
buchlich ausgeschlossen werdeu müßte.

Es liegt auf der Hand, daß durch die oben angegebnen Mittel der billig
erworbne Boden billig erhalten werde könnte. Um so eher, als eine ver¬
nünftige Bauordnung und ein künstlerisch und technisch wohldurchgearbeiteter
Bebauungsplan von vornherein die gewünschte Weiträumigkeit der Bebauung
sichern würde. Der Bebauungsplan würde wahrscheinlich besondre Viertel für
Industrie, Kleinwohnuugen und Landhäuser vorsehen. Er würde den Ver¬
kehr durch breite Geschäftsstraßen hindurchleiten und schmale stille Wohnstraßen
anlegen, deren Herstellungskosten die angrenzenden Grundstücke nur wenig
belasteten.

Welche wundervolle Aufgabe liegt nicht für den schaffenden Vaukünstler
darin, eine ganze neue Stadt zu entwerfen mit ihren privaten und öffentlichen
Gebäuden, ihren Straßen und Plätzen, ihren Parks und Gärten! Diese Auf¬
gabe ist um so dankbarer, als er hier auf Neuland arbeitet, wo keinerlei
Interessengegensätze der Verwirklichung seiner schönsten Gedanken hindernd in
den Weg treten. Für diese Verwirklichung steht ihnen zudem die Autorität
der Gründungskorporation zur Seite, die mächtiger ist als irgendeine Ver-


Die Ziele und Aussichten der Äartenstadtbewegung

wird, um Gemeindeland ohne Verzicht auf die künftige Wertsteigcrnng zu
Bauzwecken zu verwerten. Nach einer vorher ausgemachten Frist, während
der der Erbbaubcrechtigte eine bestimmte Rente zu zahlen hat, fällt das Erb¬
baurecht und das auf Grund dieses Rechts errichtete Hans an den Boden¬
besitzer zurück. Um den Erbbauberechtigten an einer guten Instandhaltung
des Unwesens zu interessieren, wird in den meisten Fällen eine Vergütung
des beim Rückfall noch vorhandnen Bauwerkes vorgesehen. Eine zweite
Rechtsform, die der Genossenschaft das Obcreigentum sichert, ist das vor allem
durch die Stadt Ulm angewandte Wiederkaufrecht. Darin behält sich die
Stadtgemeinde das Recht vor, im Falle eines jeden Besitzwechsels das An¬
wesen zu dem Preise zurückerwerben zu können, den man findet, wenn
man von dem ursprünglichen Kaufpreise die Abnutzung abrechnet und die Ver¬
besserungen hinzurechnet.

Ganz besondre Bedeutung für den Ausschluß der Spekulation und für
eine gemeinnützige Regelung der Wohnungs- und Bodenpreise ist der Bau¬
tätigkeit von Baugenossenschaften beizulegen, die die Häuser im genossenschaft¬
lichen Gemeinbesitz erhalten und die Wohnungen an die Genossen nur zur
Miete abgeben. Hier wird der gesamte Wertzuwachs, der in einer aufblühenden
Gemeinde mit Bestimmtheit zu erwarten ist, der Gesamtheit der Genossen zu¬
geführt.

Bei der Abgabe von Grundstücken zu industriellen Zwecken würde man
wahrscheinlich den Fabrikanten entgegenkommen müssen, da sonst die hypo¬
thekarische Beleihung dieser Grundstücke auf allzu große Schwierigkeiten stoßen
würde. Hier käme die Abgabe in freies Eigentum in Betracht, wobei aller¬
dings die spekulative Ausnutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken grund¬
buchlich ausgeschlossen werdeu müßte.

Es liegt auf der Hand, daß durch die oben angegebnen Mittel der billig
erworbne Boden billig erhalten werde könnte. Um so eher, als eine ver¬
nünftige Bauordnung und ein künstlerisch und technisch wohldurchgearbeiteter
Bebauungsplan von vornherein die gewünschte Weiträumigkeit der Bebauung
sichern würde. Der Bebauungsplan würde wahrscheinlich besondre Viertel für
Industrie, Kleinwohnuugen und Landhäuser vorsehen. Er würde den Ver¬
kehr durch breite Geschäftsstraßen hindurchleiten und schmale stille Wohnstraßen
anlegen, deren Herstellungskosten die angrenzenden Grundstücke nur wenig
belasteten.

Welche wundervolle Aufgabe liegt nicht für den schaffenden Vaukünstler
darin, eine ganze neue Stadt zu entwerfen mit ihren privaten und öffentlichen
Gebäuden, ihren Straßen und Plätzen, ihren Parks und Gärten! Diese Auf¬
gabe ist um so dankbarer, als er hier auf Neuland arbeitet, wo keinerlei
Interessengegensätze der Verwirklichung seiner schönsten Gedanken hindernd in
den Weg treten. Für diese Verwirklichung steht ihnen zudem die Autorität
der Gründungskorporation zur Seite, die mächtiger ist als irgendeine Ver-


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[0242] Die Ziele und Aussichten der Äartenstadtbewegung wird, um Gemeindeland ohne Verzicht auf die künftige Wertsteigcrnng zu Bauzwecken zu verwerten. Nach einer vorher ausgemachten Frist, während der der Erbbaubcrechtigte eine bestimmte Rente zu zahlen hat, fällt das Erb¬ baurecht und das auf Grund dieses Rechts errichtete Hans an den Boden¬ besitzer zurück. Um den Erbbauberechtigten an einer guten Instandhaltung des Unwesens zu interessieren, wird in den meisten Fällen eine Vergütung des beim Rückfall noch vorhandnen Bauwerkes vorgesehen. Eine zweite Rechtsform, die der Genossenschaft das Obcreigentum sichert, ist das vor allem durch die Stadt Ulm angewandte Wiederkaufrecht. Darin behält sich die Stadtgemeinde das Recht vor, im Falle eines jeden Besitzwechsels das An¬ wesen zu dem Preise zurückerwerben zu können, den man findet, wenn man von dem ursprünglichen Kaufpreise die Abnutzung abrechnet und die Ver¬ besserungen hinzurechnet. Ganz besondre Bedeutung für den Ausschluß der Spekulation und für eine gemeinnützige Regelung der Wohnungs- und Bodenpreise ist der Bau¬ tätigkeit von Baugenossenschaften beizulegen, die die Häuser im genossenschaft¬ lichen Gemeinbesitz erhalten und die Wohnungen an die Genossen nur zur Miete abgeben. Hier wird der gesamte Wertzuwachs, der in einer aufblühenden Gemeinde mit Bestimmtheit zu erwarten ist, der Gesamtheit der Genossen zu¬ geführt. Bei der Abgabe von Grundstücken zu industriellen Zwecken würde man wahrscheinlich den Fabrikanten entgegenkommen müssen, da sonst die hypo¬ thekarische Beleihung dieser Grundstücke auf allzu große Schwierigkeiten stoßen würde. Hier käme die Abgabe in freies Eigentum in Betracht, wobei aller¬ dings die spekulative Ausnutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken grund¬ buchlich ausgeschlossen werdeu müßte. Es liegt auf der Hand, daß durch die oben angegebnen Mittel der billig erworbne Boden billig erhalten werde könnte. Um so eher, als eine ver¬ nünftige Bauordnung und ein künstlerisch und technisch wohldurchgearbeiteter Bebauungsplan von vornherein die gewünschte Weiträumigkeit der Bebauung sichern würde. Der Bebauungsplan würde wahrscheinlich besondre Viertel für Industrie, Kleinwohnuugen und Landhäuser vorsehen. Er würde den Ver¬ kehr durch breite Geschäftsstraßen hindurchleiten und schmale stille Wohnstraßen anlegen, deren Herstellungskosten die angrenzenden Grundstücke nur wenig belasteten. Welche wundervolle Aufgabe liegt nicht für den schaffenden Vaukünstler darin, eine ganze neue Stadt zu entwerfen mit ihren privaten und öffentlichen Gebäuden, ihren Straßen und Plätzen, ihren Parks und Gärten! Diese Auf¬ gabe ist um so dankbarer, als er hier auf Neuland arbeitet, wo keinerlei Interessengegensätze der Verwirklichung seiner schönsten Gedanken hindernd in den Weg treten. Für diese Verwirklichung steht ihnen zudem die Autorität der Gründungskorporation zur Seite, die mächtiger ist als irgendeine Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/242>, abgerufen am 22.07.2024.