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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Amurbahn

richtiger Schonung auf lange hinaus reichliche Erträge, und in den Wäldern
ruhen unermeßliche Werte, die erst realisiert werden können, wenn das Land dem
Verkehr erschlossen und bäuerlicher und städtischer Besiedlung besser zugänglich
gemacht worden ist. Von ganz besondrer Bedeutung ist der Goldreichtum
des Gebiets: im Jahre 1903 sind 7456 Kilogramm Gold trotz vielfach sehr
Primitiven Verfahrens gewonnen worden; und die offiziell angegebne Zahl von
3700 Zentnern Ausbeute von 1868 bis 1905 entfernt sich weit von der Wirklich¬
keit, da trotz hoher Strafen sehr viel Gold über die Grenze geschmuggelt wird.
Neben Goldfeldern und -abern harren Silber- und reiche Eisenlager, Kupfer-,
Antimon- und bedeutende Steinkohlenlager, Naphthaquellen. Marmorbrüche und
wertvolle Steine wie Amethyst der Erschließung, kurz, es sind bei den reichlich
vorhandnen Wasserkräften alle Bedingungen für das Aufkommen einer leistungs¬
fähigen Industrie und eines betriebsamen Handels gegeben.

Die Bevölkerung des Gebietes war im Jahre 1903 mit 158182 Köpfen
bei einem Flächeninhalt von 448000 Quadratkilometern noch überaus dünn,
hat sich aber durch Ansiedlung ausgedienter Soldaten nach dem Kriege und
durch den von der Regierung beförderten Zuzug von Kolonisten beträchtlich
vermehrt und darf in diesem Jahre auf eine Zunahme um 40000 Köpfe
rechnen. Während in der ersten Zeit nach der Besitzergreifung des Amurlandes
durch die Bildung des Amurkosakenheeres nach altrussischen Rezept ein wehr¬
hafter Stamm von Ansiedlern ansässig gemacht wurde, kommt es jetzt der
russischen Negierung mehr darauf an, eine wirtschaftlich produktivere Bevölkerung
hinauszuziehn und anch dem ganz daniederliegenden Handwerk aufzuhelfen.
Dies wird um so mehr nötig, als für die Bedürfnisse der im fernen Osten
stationierten regulären Truppen gesorgt werden muß. Die Eisenbahn erfüllt
eine der wesentlichsten Bedingungen für diese Art Besiedlung und läßt das
Aufblühen größerer Orte an für Handel und Industrie günstig liegenden
Punkten, den Mündungen der Amurzuflüfse oder den Eisenbahnübergängen
der Zuflüsse, endlich regere Beteiligung russischen Kapitals an der Erschließung
des Landes erwarten. Alles in allem sind jedenfalls die Aussichten für die
Kolonie und mit ihr in Wechselwirkung für die Nentierung des Anlagekapitals
der Eisenbahn keineswegs ungünstig.

Die Erbauung der Amurbahn von Ssrjetjensk bis Chabarowsk war,
obgleich bei der Beratung über die Gesamtanlage der sibirischen Eisenbahn im
Jahre 1892 als am wenigsten dringlich bezeichnet, doch schon damals ernstlich
erwogen worden; bereits im folgenden Jahre wurde mit den Vorarbeiten für
die Strecke bis Pokrowskaja, dem Zusammenfluß der für die Schiffahrt weniger
günstigen Schilka mit dem Argun, wo die vereinigten Flüsse den Namen
Amur annehmen, begonnen. Die 1894 beendeten Geländestudien hatten jedoch
für die der Schilka parallele Linienführung solche Schwierigkeiten ergeben, daß
neue Vermessungen angeordnet wurden, die auf die Weiterführung des Geleises
bis Chabarowsk gegründet waren. Nach Abschluß des Vertrags mit China


Die Amurbahn

richtiger Schonung auf lange hinaus reichliche Erträge, und in den Wäldern
ruhen unermeßliche Werte, die erst realisiert werden können, wenn das Land dem
Verkehr erschlossen und bäuerlicher und städtischer Besiedlung besser zugänglich
gemacht worden ist. Von ganz besondrer Bedeutung ist der Goldreichtum
des Gebiets: im Jahre 1903 sind 7456 Kilogramm Gold trotz vielfach sehr
Primitiven Verfahrens gewonnen worden; und die offiziell angegebne Zahl von
3700 Zentnern Ausbeute von 1868 bis 1905 entfernt sich weit von der Wirklich¬
keit, da trotz hoher Strafen sehr viel Gold über die Grenze geschmuggelt wird.
Neben Goldfeldern und -abern harren Silber- und reiche Eisenlager, Kupfer-,
Antimon- und bedeutende Steinkohlenlager, Naphthaquellen. Marmorbrüche und
wertvolle Steine wie Amethyst der Erschließung, kurz, es sind bei den reichlich
vorhandnen Wasserkräften alle Bedingungen für das Aufkommen einer leistungs¬
fähigen Industrie und eines betriebsamen Handels gegeben.

Die Bevölkerung des Gebietes war im Jahre 1903 mit 158182 Köpfen
bei einem Flächeninhalt von 448000 Quadratkilometern noch überaus dünn,
hat sich aber durch Ansiedlung ausgedienter Soldaten nach dem Kriege und
durch den von der Regierung beförderten Zuzug von Kolonisten beträchtlich
vermehrt und darf in diesem Jahre auf eine Zunahme um 40000 Köpfe
rechnen. Während in der ersten Zeit nach der Besitzergreifung des Amurlandes
durch die Bildung des Amurkosakenheeres nach altrussischen Rezept ein wehr¬
hafter Stamm von Ansiedlern ansässig gemacht wurde, kommt es jetzt der
russischen Negierung mehr darauf an, eine wirtschaftlich produktivere Bevölkerung
hinauszuziehn und anch dem ganz daniederliegenden Handwerk aufzuhelfen.
Dies wird um so mehr nötig, als für die Bedürfnisse der im fernen Osten
stationierten regulären Truppen gesorgt werden muß. Die Eisenbahn erfüllt
eine der wesentlichsten Bedingungen für diese Art Besiedlung und läßt das
Aufblühen größerer Orte an für Handel und Industrie günstig liegenden
Punkten, den Mündungen der Amurzuflüfse oder den Eisenbahnübergängen
der Zuflüsse, endlich regere Beteiligung russischen Kapitals an der Erschließung
des Landes erwarten. Alles in allem sind jedenfalls die Aussichten für die
Kolonie und mit ihr in Wechselwirkung für die Nentierung des Anlagekapitals
der Eisenbahn keineswegs ungünstig.

Die Erbauung der Amurbahn von Ssrjetjensk bis Chabarowsk war,
obgleich bei der Beratung über die Gesamtanlage der sibirischen Eisenbahn im
Jahre 1892 als am wenigsten dringlich bezeichnet, doch schon damals ernstlich
erwogen worden; bereits im folgenden Jahre wurde mit den Vorarbeiten für
die Strecke bis Pokrowskaja, dem Zusammenfluß der für die Schiffahrt weniger
günstigen Schilka mit dem Argun, wo die vereinigten Flüsse den Namen
Amur annehmen, begonnen. Die 1894 beendeten Geländestudien hatten jedoch
für die der Schilka parallele Linienführung solche Schwierigkeiten ergeben, daß
neue Vermessungen angeordnet wurden, die auf die Weiterführung des Geleises
bis Chabarowsk gegründet waren. Nach Abschluß des Vertrags mit China


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[0227] Die Amurbahn richtiger Schonung auf lange hinaus reichliche Erträge, und in den Wäldern ruhen unermeßliche Werte, die erst realisiert werden können, wenn das Land dem Verkehr erschlossen und bäuerlicher und städtischer Besiedlung besser zugänglich gemacht worden ist. Von ganz besondrer Bedeutung ist der Goldreichtum des Gebiets: im Jahre 1903 sind 7456 Kilogramm Gold trotz vielfach sehr Primitiven Verfahrens gewonnen worden; und die offiziell angegebne Zahl von 3700 Zentnern Ausbeute von 1868 bis 1905 entfernt sich weit von der Wirklich¬ keit, da trotz hoher Strafen sehr viel Gold über die Grenze geschmuggelt wird. Neben Goldfeldern und -abern harren Silber- und reiche Eisenlager, Kupfer-, Antimon- und bedeutende Steinkohlenlager, Naphthaquellen. Marmorbrüche und wertvolle Steine wie Amethyst der Erschließung, kurz, es sind bei den reichlich vorhandnen Wasserkräften alle Bedingungen für das Aufkommen einer leistungs¬ fähigen Industrie und eines betriebsamen Handels gegeben. Die Bevölkerung des Gebietes war im Jahre 1903 mit 158182 Köpfen bei einem Flächeninhalt von 448000 Quadratkilometern noch überaus dünn, hat sich aber durch Ansiedlung ausgedienter Soldaten nach dem Kriege und durch den von der Regierung beförderten Zuzug von Kolonisten beträchtlich vermehrt und darf in diesem Jahre auf eine Zunahme um 40000 Köpfe rechnen. Während in der ersten Zeit nach der Besitzergreifung des Amurlandes durch die Bildung des Amurkosakenheeres nach altrussischen Rezept ein wehr¬ hafter Stamm von Ansiedlern ansässig gemacht wurde, kommt es jetzt der russischen Negierung mehr darauf an, eine wirtschaftlich produktivere Bevölkerung hinauszuziehn und anch dem ganz daniederliegenden Handwerk aufzuhelfen. Dies wird um so mehr nötig, als für die Bedürfnisse der im fernen Osten stationierten regulären Truppen gesorgt werden muß. Die Eisenbahn erfüllt eine der wesentlichsten Bedingungen für diese Art Besiedlung und läßt das Aufblühen größerer Orte an für Handel und Industrie günstig liegenden Punkten, den Mündungen der Amurzuflüfse oder den Eisenbahnübergängen der Zuflüsse, endlich regere Beteiligung russischen Kapitals an der Erschließung des Landes erwarten. Alles in allem sind jedenfalls die Aussichten für die Kolonie und mit ihr in Wechselwirkung für die Nentierung des Anlagekapitals der Eisenbahn keineswegs ungünstig. Die Erbauung der Amurbahn von Ssrjetjensk bis Chabarowsk war, obgleich bei der Beratung über die Gesamtanlage der sibirischen Eisenbahn im Jahre 1892 als am wenigsten dringlich bezeichnet, doch schon damals ernstlich erwogen worden; bereits im folgenden Jahre wurde mit den Vorarbeiten für die Strecke bis Pokrowskaja, dem Zusammenfluß der für die Schiffahrt weniger günstigen Schilka mit dem Argun, wo die vereinigten Flüsse den Namen Amur annehmen, begonnen. Die 1894 beendeten Geländestudien hatten jedoch für die der Schilka parallele Linienführung solche Schwierigkeiten ergeben, daß neue Vermessungen angeordnet wurden, die auf die Weiterführung des Geleises bis Chabarowsk gegründet waren. Nach Abschluß des Vertrags mit China

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/227>, abgerufen am 22.07.2024.