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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Oberlehrer Haut

Pastor Kalkart kam regelmäßig. Aber Svend Bugge glaubte bemerkt zu
haben, daß seine Besuche im wesentlichen Frau Haut galten, drinnen im Schlaf¬
zimmer oder auch wohl einmal in der Wohnstube.

Er beruhigte sich damit, daß er ja Zeit vor sich habe, viel Zeit. Man sagte
ihm auch, daß um die Weihnachtszeit mehr Leben in die Geselligkeit kommen werde,
Bälle und dergleichen. Im übrigen hielten sich Oberlehrer Hauks auch dann
sehr zurück. Frau Haut wurde von Alt und Jung in der ganzen Stadt von
Herzen gehaßt. Er setzte seine schwache Hoffnung auf die Hellem Tage nach
Neujahr, nach dem Januar, wenn die dunkle Zeit überwunden war, und die Sonne
das Haus da draußen wieder bescheinen würde, mit dem weißen Schnee auf dem
niedrigen Dach über dem so trostlosen Garten. Er wußte, daß Berry mit Leib
und Seele dem Schneeschuhsport huldigte.




Die Sitzung des Armenvereins bei Frau Aslaksen war beendet, und man
erhob sich von dem Tische, auf dem leere Teetassen und Kuchenkörbe standen.
Pastor Kalkart schlug das Buch zu, aus dem er den Damen vorgelesen hatte, und
die Frau des Hauses und ihre Töchter trugen die Hüte und Mäntel der Damen
vom Vorplatz herein.

Es ist bitterlich kalt geworden!

Ja, aber es ist doch gut, daß der Regen aufgehört hat, daß wir klares
Wetter haben.

Der Pastor half in so viele Mäntel hinein, wie ihm nur möglich war.

Aber daß Sie an einem Tage wie heute in dem dünnen Rocke gehn, Herr
Pastor!

Ich poche noch auf meine Jugend, Frau Aslaksen!

Aber Sie werden sich erkälten -- denken Sie an die schlimme Heiserkeit im
vergangnen Jahre!

Und ich höre von Madame Nielsen, daß Sie noch kalte Bäder nehmen!

Jeden Morgen. Fräulein Aslaksen, das härtet ab.

Die Damen schauderten.

Draußen war glitzernd klarer Sternenschein, aber es herrschte eine schneidende
Kälte. Und die Damen hüllten sich in ihre Mäntel und vergruben die Hände in
ihre Müsse und trippelten eiligen Schrittes nach Hause.

Gehn Sie nicht nach Hause, Fräulein Haut? fragte der Pastor.

Ich will nur Frau Alnaes eine Strecke begleiten.

Dann glaube ich, nehme ich mir die Freiheit, mich den Damen anzuschließen.
^ ist ja so herrliches Wetter zu einem Spaziergang!

Fran Alnaes wohnte ganz im Norden der Stadt im Seminar, wo sie dem
Haushalt vorstand. Und der Pastor und Berry brachten sie bis an ihre Haustür.

Was meinen Sie, Fräulein Berry, wenn wir noch eine kleine Strecke weiter
nordwärts gingen?

Gern, sagte Berry.

Der Pastor sprach über das, was man heute gelesen hatte. Dann war das
Thema erschöpft, und sie gingen schweigend weiter. Nach Norden zu erschloß sich
der Sund. Der Weg war dunkel und unangenehm, und ein feiner scharfer Schnee
prickelte die Wangen.

Das Schweigen wurde allmählich bedrückend.

Ich glaube, ich muß sehen, daß ich nach Hause komme, sagte Berry endlich.
Es ist wirklich zu kalt hier!


Oberlehrer Haut

Pastor Kalkart kam regelmäßig. Aber Svend Bugge glaubte bemerkt zu
haben, daß seine Besuche im wesentlichen Frau Haut galten, drinnen im Schlaf¬
zimmer oder auch wohl einmal in der Wohnstube.

Er beruhigte sich damit, daß er ja Zeit vor sich habe, viel Zeit. Man sagte
ihm auch, daß um die Weihnachtszeit mehr Leben in die Geselligkeit kommen werde,
Bälle und dergleichen. Im übrigen hielten sich Oberlehrer Hauks auch dann
sehr zurück. Frau Haut wurde von Alt und Jung in der ganzen Stadt von
Herzen gehaßt. Er setzte seine schwache Hoffnung auf die Hellem Tage nach
Neujahr, nach dem Januar, wenn die dunkle Zeit überwunden war, und die Sonne
das Haus da draußen wieder bescheinen würde, mit dem weißen Schnee auf dem
niedrigen Dach über dem so trostlosen Garten. Er wußte, daß Berry mit Leib
und Seele dem Schneeschuhsport huldigte.




Die Sitzung des Armenvereins bei Frau Aslaksen war beendet, und man
erhob sich von dem Tische, auf dem leere Teetassen und Kuchenkörbe standen.
Pastor Kalkart schlug das Buch zu, aus dem er den Damen vorgelesen hatte, und
die Frau des Hauses und ihre Töchter trugen die Hüte und Mäntel der Damen
vom Vorplatz herein.

Es ist bitterlich kalt geworden!

Ja, aber es ist doch gut, daß der Regen aufgehört hat, daß wir klares
Wetter haben.

Der Pastor half in so viele Mäntel hinein, wie ihm nur möglich war.

Aber daß Sie an einem Tage wie heute in dem dünnen Rocke gehn, Herr
Pastor!

Ich poche noch auf meine Jugend, Frau Aslaksen!

Aber Sie werden sich erkälten — denken Sie an die schlimme Heiserkeit im
vergangnen Jahre!

Und ich höre von Madame Nielsen, daß Sie noch kalte Bäder nehmen!

Jeden Morgen. Fräulein Aslaksen, das härtet ab.

Die Damen schauderten.

Draußen war glitzernd klarer Sternenschein, aber es herrschte eine schneidende
Kälte. Und die Damen hüllten sich in ihre Mäntel und vergruben die Hände in
ihre Müsse und trippelten eiligen Schrittes nach Hause.

Gehn Sie nicht nach Hause, Fräulein Haut? fragte der Pastor.

Ich will nur Frau Alnaes eine Strecke begleiten.

Dann glaube ich, nehme ich mir die Freiheit, mich den Damen anzuschließen.
^ ist ja so herrliches Wetter zu einem Spaziergang!

Fran Alnaes wohnte ganz im Norden der Stadt im Seminar, wo sie dem
Haushalt vorstand. Und der Pastor und Berry brachten sie bis an ihre Haustür.

Was meinen Sie, Fräulein Berry, wenn wir noch eine kleine Strecke weiter
nordwärts gingen?

Gern, sagte Berry.

Der Pastor sprach über das, was man heute gelesen hatte. Dann war das
Thema erschöpft, und sie gingen schweigend weiter. Nach Norden zu erschloß sich
der Sund. Der Weg war dunkel und unangenehm, und ein feiner scharfer Schnee
prickelte die Wangen.

Das Schweigen wurde allmählich bedrückend.

Ich glaube, ich muß sehen, daß ich nach Hause komme, sagte Berry endlich.
Es ist wirklich zu kalt hier!


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[0201] Oberlehrer Haut Pastor Kalkart kam regelmäßig. Aber Svend Bugge glaubte bemerkt zu haben, daß seine Besuche im wesentlichen Frau Haut galten, drinnen im Schlaf¬ zimmer oder auch wohl einmal in der Wohnstube. Er beruhigte sich damit, daß er ja Zeit vor sich habe, viel Zeit. Man sagte ihm auch, daß um die Weihnachtszeit mehr Leben in die Geselligkeit kommen werde, Bälle und dergleichen. Im übrigen hielten sich Oberlehrer Hauks auch dann sehr zurück. Frau Haut wurde von Alt und Jung in der ganzen Stadt von Herzen gehaßt. Er setzte seine schwache Hoffnung auf die Hellem Tage nach Neujahr, nach dem Januar, wenn die dunkle Zeit überwunden war, und die Sonne das Haus da draußen wieder bescheinen würde, mit dem weißen Schnee auf dem niedrigen Dach über dem so trostlosen Garten. Er wußte, daß Berry mit Leib und Seele dem Schneeschuhsport huldigte. Die Sitzung des Armenvereins bei Frau Aslaksen war beendet, und man erhob sich von dem Tische, auf dem leere Teetassen und Kuchenkörbe standen. Pastor Kalkart schlug das Buch zu, aus dem er den Damen vorgelesen hatte, und die Frau des Hauses und ihre Töchter trugen die Hüte und Mäntel der Damen vom Vorplatz herein. Es ist bitterlich kalt geworden! Ja, aber es ist doch gut, daß der Regen aufgehört hat, daß wir klares Wetter haben. Der Pastor half in so viele Mäntel hinein, wie ihm nur möglich war. Aber daß Sie an einem Tage wie heute in dem dünnen Rocke gehn, Herr Pastor! Ich poche noch auf meine Jugend, Frau Aslaksen! Aber Sie werden sich erkälten — denken Sie an die schlimme Heiserkeit im vergangnen Jahre! Und ich höre von Madame Nielsen, daß Sie noch kalte Bäder nehmen! Jeden Morgen. Fräulein Aslaksen, das härtet ab. Die Damen schauderten. Draußen war glitzernd klarer Sternenschein, aber es herrschte eine schneidende Kälte. Und die Damen hüllten sich in ihre Mäntel und vergruben die Hände in ihre Müsse und trippelten eiligen Schrittes nach Hause. Gehn Sie nicht nach Hause, Fräulein Haut? fragte der Pastor. Ich will nur Frau Alnaes eine Strecke begleiten. Dann glaube ich, nehme ich mir die Freiheit, mich den Damen anzuschließen. ^ ist ja so herrliches Wetter zu einem Spaziergang! Fran Alnaes wohnte ganz im Norden der Stadt im Seminar, wo sie dem Haushalt vorstand. Und der Pastor und Berry brachten sie bis an ihre Haustür. Was meinen Sie, Fräulein Berry, wenn wir noch eine kleine Strecke weiter nordwärts gingen? Gern, sagte Berry. Der Pastor sprach über das, was man heute gelesen hatte. Dann war das Thema erschöpft, und sie gingen schweigend weiter. Nach Norden zu erschloß sich der Sund. Der Weg war dunkel und unangenehm, und ein feiner scharfer Schnee prickelte die Wangen. Das Schweigen wurde allmählich bedrückend. Ich glaube, ich muß sehen, daß ich nach Hause komme, sagte Berry endlich. Es ist wirklich zu kalt hier!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/201>, abgerufen am 25.08.2024.