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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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lvas interessierte einen Gebildeten vor hundert Jahren?

Nach Frankreich versetzt uns ein von Held verfaßter Lagergesang der zur
Landung in England auf der französischen Küste versammelten Armee.

Als Gegenstück hierzu lesen wir eine Betrachtung über den Tod Nelsons
aus der Geschichte und Politik von Woltmann. Über Österreichs Lage nach
der Schlacht bei Austerlitz schreibt der Nouvellist Februar 1806: Östreich
gleicht einem Verwundeten, der in der Hitze des Gefechtes seinen Blutverlust
nicht empfindet; aber, wenn es erst zur Besinnung kommt, wird es erst die
tödliche Wunde fühlen, die ihm seine Diener geschlagen haben.

Die Gefühle Preußens im Jahre 1806 zeigt ein aus der Fama, Leipzig,
abgeschriebnes Gedicht: Preußens Stimmung beim Ausmarsch seiner Truppen
zur Verteidigung des Vaterlands:

[Beginn Spaltensatz] Da ziehen sie in langen Reihn,
Zu Fuß, zu Roß, die tapfern Krieger.
Der Held darf nicht den Helden scheun:
Die gute Sache ruft den Sieger. [Spaltenumbruch] Zurück! So rufen sie beherzt
Der Wolke zu, die immer weiter
Des Horizontes Mitte schwärzt;
Zurück! Laß unsern Himmel heiter! Blitzschwanger drohst du unsrer Saat:
Doch wisse, daß wir Friedrichs Land bewohnen,
Wenn sich ein Ungewitter naht,
Zerteilen es die Preußen mit Kanonen. [Ende Spaltensatz] Nicht für den Ruhm, der nur zerstört,
Nicht für den Durst nach Land und Schätzen;
Nein für den eignen, stillen Herd
Sieht man den Wasserstadt sie wetzen.

An Friedrich August von Sachsen wendet sich ein lateinisches Akrostichon,
Nemorig,<z ?g.x, das in der Leipziger Zeitung 1807 erschien. Die Anfangs¬
buchstaben der Verszeilen ergeben den Namen Napoleon, die Endbuchstaben
die Worte Lg-ssar, Rex.

Der schon obengenannte Münster sieht prophetisch den Sturz des großen
Korsen voraus, wenn er sein Gedicht Der Eroberer mit den Worten enden läßt:

Einsam sitzest du auf deinem Throne,
Wie die eiserne Notwendigkeit;
Nur dein Name kommt durch jede Zone
Als die blut'ge Geißel deiner Zeit.
Was du wünschest, wirst du nie vollenden,
Von Begierden grausam aufgezehrt,
Nur ein Werkzeug in den Rachehänden
Wirst auch du durch sie zerstört.

An die edle Königin Luise von Preußen wendet sich ein Gedicht An unsere
Königin von v. Brinckmann. königlich preußischem Gesandten am schwedischen


lvas interessierte einen Gebildeten vor hundert Jahren?

Nach Frankreich versetzt uns ein von Held verfaßter Lagergesang der zur
Landung in England auf der französischen Küste versammelten Armee.

Als Gegenstück hierzu lesen wir eine Betrachtung über den Tod Nelsons
aus der Geschichte und Politik von Woltmann. Über Österreichs Lage nach
der Schlacht bei Austerlitz schreibt der Nouvellist Februar 1806: Östreich
gleicht einem Verwundeten, der in der Hitze des Gefechtes seinen Blutverlust
nicht empfindet; aber, wenn es erst zur Besinnung kommt, wird es erst die
tödliche Wunde fühlen, die ihm seine Diener geschlagen haben.

Die Gefühle Preußens im Jahre 1806 zeigt ein aus der Fama, Leipzig,
abgeschriebnes Gedicht: Preußens Stimmung beim Ausmarsch seiner Truppen
zur Verteidigung des Vaterlands:

[Beginn Spaltensatz] Da ziehen sie in langen Reihn,
Zu Fuß, zu Roß, die tapfern Krieger.
Der Held darf nicht den Helden scheun:
Die gute Sache ruft den Sieger. [Spaltenumbruch] Zurück! So rufen sie beherzt
Der Wolke zu, die immer weiter
Des Horizontes Mitte schwärzt;
Zurück! Laß unsern Himmel heiter! Blitzschwanger drohst du unsrer Saat:
Doch wisse, daß wir Friedrichs Land bewohnen,
Wenn sich ein Ungewitter naht,
Zerteilen es die Preußen mit Kanonen. [Ende Spaltensatz] Nicht für den Ruhm, der nur zerstört,
Nicht für den Durst nach Land und Schätzen;
Nein für den eignen, stillen Herd
Sieht man den Wasserstadt sie wetzen.

An Friedrich August von Sachsen wendet sich ein lateinisches Akrostichon,
Nemorig,<z ?g.x, das in der Leipziger Zeitung 1807 erschien. Die Anfangs¬
buchstaben der Verszeilen ergeben den Namen Napoleon, die Endbuchstaben
die Worte Lg-ssar, Rex.

Der schon obengenannte Münster sieht prophetisch den Sturz des großen
Korsen voraus, wenn er sein Gedicht Der Eroberer mit den Worten enden läßt:

Einsam sitzest du auf deinem Throne,
Wie die eiserne Notwendigkeit;
Nur dein Name kommt durch jede Zone
Als die blut'ge Geißel deiner Zeit.
Was du wünschest, wirst du nie vollenden,
Von Begierden grausam aufgezehrt,
Nur ein Werkzeug in den Rachehänden
Wirst auch du durch sie zerstört.

An die edle Königin Luise von Preußen wendet sich ein Gedicht An unsere
Königin von v. Brinckmann. königlich preußischem Gesandten am schwedischen


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[0143] lvas interessierte einen Gebildeten vor hundert Jahren? Nach Frankreich versetzt uns ein von Held verfaßter Lagergesang der zur Landung in England auf der französischen Küste versammelten Armee. Als Gegenstück hierzu lesen wir eine Betrachtung über den Tod Nelsons aus der Geschichte und Politik von Woltmann. Über Österreichs Lage nach der Schlacht bei Austerlitz schreibt der Nouvellist Februar 1806: Östreich gleicht einem Verwundeten, der in der Hitze des Gefechtes seinen Blutverlust nicht empfindet; aber, wenn es erst zur Besinnung kommt, wird es erst die tödliche Wunde fühlen, die ihm seine Diener geschlagen haben. Die Gefühle Preußens im Jahre 1806 zeigt ein aus der Fama, Leipzig, abgeschriebnes Gedicht: Preußens Stimmung beim Ausmarsch seiner Truppen zur Verteidigung des Vaterlands: Da ziehen sie in langen Reihn, Zu Fuß, zu Roß, die tapfern Krieger. Der Held darf nicht den Helden scheun: Die gute Sache ruft den Sieger. Zurück! So rufen sie beherzt Der Wolke zu, die immer weiter Des Horizontes Mitte schwärzt; Zurück! Laß unsern Himmel heiter! Blitzschwanger drohst du unsrer Saat: Doch wisse, daß wir Friedrichs Land bewohnen, Wenn sich ein Ungewitter naht, Zerteilen es die Preußen mit Kanonen. Nicht für den Ruhm, der nur zerstört, Nicht für den Durst nach Land und Schätzen; Nein für den eignen, stillen Herd Sieht man den Wasserstadt sie wetzen. An Friedrich August von Sachsen wendet sich ein lateinisches Akrostichon, Nemorig,<z ?g.x, das in der Leipziger Zeitung 1807 erschien. Die Anfangs¬ buchstaben der Verszeilen ergeben den Namen Napoleon, die Endbuchstaben die Worte Lg-ssar, Rex. Der schon obengenannte Münster sieht prophetisch den Sturz des großen Korsen voraus, wenn er sein Gedicht Der Eroberer mit den Worten enden läßt: Einsam sitzest du auf deinem Throne, Wie die eiserne Notwendigkeit; Nur dein Name kommt durch jede Zone Als die blut'ge Geißel deiner Zeit. Was du wünschest, wirst du nie vollenden, Von Begierden grausam aufgezehrt, Nur ein Werkzeug in den Rachehänden Wirst auch du durch sie zerstört. An die edle Königin Luise von Preußen wendet sich ein Gedicht An unsere Königin von v. Brinckmann. königlich preußischem Gesandten am schwedischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/143>, abgerufen am 22.07.2024.