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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Landgewinnung in der Nordsee

Fläche erheben und mit dem Festlande vereinigen. Innerhalb der beiden ältern
Dämme hat sich der Boden schon merklich erhöht, immer größer werden die
Flächen, wo sich schon die Salioornig, zeigt, die später den Futterpflanzen Platz
machen wird. Der Insel Nordstrand wird schon, sobald nur der neue Damm
vollständig gesichert ist, eine Flüche besten Marschbodens von 650 Hektaren
durch Eindeichung angegliedert werden. Ein Hektar kostet heute rund 3000 Mark.
Die Kosten der Dammbauten werden also schnell durch das gewonnene Land
gedeckt werden. Auch die Anschlickung zu beiden Seiten des neuen Dammes
geht überraschend schnell vor sich; selbst in der Pohnstiefe an seiner Nordseite,
in der sich wegen der starken Strömung die Abdämmung am schwierigsten ge¬
staltet hatte, ist schon eine ungeheure Schlammasse angesammelt. Wenn irgendwo,
hat es sich hier um die Erfüllung einer großen Kulturaufgabe gehandelt, denn
das ganze Wattenmeer läßt sich der See abringen als neuer Landteil von der
größten Fruchtbarkeit. Ohne Neid kann Deutschland jetzt auf das großartige
Vorhaben Hollands blicken, den größten Teil des Zuydersees durch Abdämmung
in Land zu verwandeln, denn der Landgewinn an der cimbrischen Küste wird bei
voller Durchführung der Pläne an Menge dem holländischen etwa gleichkommen,
an Güte und Wert ihm aber überlegen sein, da er nur aus hochliegenden,
trocknem und gesundem Lande bestehn wird, während bei den Holländern ein
Teil unter dem Meeresspiegel liegt und sie zu fortwährenden Entwässerung?'-
arbeiten zwingen kann.

Es wird noch einige Menschenalter dauern, bevor alles wieder gut ge¬
macht sein wird, was Sorglosigkeit und Uneinigkeit in frühern Jahrhunderten
gesündigt haben. Vorläufig hat die preußische Regierung noch in Aussicht ge¬
nommen, die äußerste, den Fluten besonders ausgesetzte Hallig Hooge durch
Schutzarbeiten zu sichern; es sind schon Versuchsarbeiten eingeleitet worden.
Vor zweihundert Jahren umfaßte ihre Fläche noch 1300, jetzt kaum mehr
500 Hektare, die Zahl der Bewohner ist in 110 Jahren von 480 auf 135 ge¬
sunken. Als gutes Vorzeichen möge gelten, daß sich in den letzten Jahren auf
einzelnen Halligen die Ratte zeigt, die früher ebenso wie Hamster und Igel,
obwohl sie auf dem benachbarten Festlande häufig sind, die Halligen mied. Es
ging die Sage, die Ratten blieben fern, weil sie die Halligen als doch dem
Untergange geweiht ansähen. Es möge hier noch angeführt werden, daß auch
an der holsteinischen Küste zum Teil auf Privatkosten größere Eindeichungen
von Vorland in Angriff genommen oder schon durchgeführt wordeu sind. In
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind 8600 Hektare dem Meer ab¬
gerungen worden, von denen 7000 auch schon von festen Seedeichen eingeschlossen
sind, während 1600 nur niedre Sommerdeiche besitzen. In einigen Jahrzehnten
wird sich Holstein um volle 15000 Hektare vergrößert haben. Die gewonnenen
Ländereien führen Namen wie Kaiser-Wilhelms-Koog, Kaiserin-Auguste-Viktoria-
Koog, Friedrichs-Koog usw. Die Namen der Kooge an der holsteinischen West¬
küste geben gewissermaßen ein Bild der Geschichte dieses Landesteils.


Landgewinnung in der Nordsee

Fläche erheben und mit dem Festlande vereinigen. Innerhalb der beiden ältern
Dämme hat sich der Boden schon merklich erhöht, immer größer werden die
Flächen, wo sich schon die Salioornig, zeigt, die später den Futterpflanzen Platz
machen wird. Der Insel Nordstrand wird schon, sobald nur der neue Damm
vollständig gesichert ist, eine Flüche besten Marschbodens von 650 Hektaren
durch Eindeichung angegliedert werden. Ein Hektar kostet heute rund 3000 Mark.
Die Kosten der Dammbauten werden also schnell durch das gewonnene Land
gedeckt werden. Auch die Anschlickung zu beiden Seiten des neuen Dammes
geht überraschend schnell vor sich; selbst in der Pohnstiefe an seiner Nordseite,
in der sich wegen der starken Strömung die Abdämmung am schwierigsten ge¬
staltet hatte, ist schon eine ungeheure Schlammasse angesammelt. Wenn irgendwo,
hat es sich hier um die Erfüllung einer großen Kulturaufgabe gehandelt, denn
das ganze Wattenmeer läßt sich der See abringen als neuer Landteil von der
größten Fruchtbarkeit. Ohne Neid kann Deutschland jetzt auf das großartige
Vorhaben Hollands blicken, den größten Teil des Zuydersees durch Abdämmung
in Land zu verwandeln, denn der Landgewinn an der cimbrischen Küste wird bei
voller Durchführung der Pläne an Menge dem holländischen etwa gleichkommen,
an Güte und Wert ihm aber überlegen sein, da er nur aus hochliegenden,
trocknem und gesundem Lande bestehn wird, während bei den Holländern ein
Teil unter dem Meeresspiegel liegt und sie zu fortwährenden Entwässerung?'-
arbeiten zwingen kann.

Es wird noch einige Menschenalter dauern, bevor alles wieder gut ge¬
macht sein wird, was Sorglosigkeit und Uneinigkeit in frühern Jahrhunderten
gesündigt haben. Vorläufig hat die preußische Regierung noch in Aussicht ge¬
nommen, die äußerste, den Fluten besonders ausgesetzte Hallig Hooge durch
Schutzarbeiten zu sichern; es sind schon Versuchsarbeiten eingeleitet worden.
Vor zweihundert Jahren umfaßte ihre Fläche noch 1300, jetzt kaum mehr
500 Hektare, die Zahl der Bewohner ist in 110 Jahren von 480 auf 135 ge¬
sunken. Als gutes Vorzeichen möge gelten, daß sich in den letzten Jahren auf
einzelnen Halligen die Ratte zeigt, die früher ebenso wie Hamster und Igel,
obwohl sie auf dem benachbarten Festlande häufig sind, die Halligen mied. Es
ging die Sage, die Ratten blieben fern, weil sie die Halligen als doch dem
Untergange geweiht ansähen. Es möge hier noch angeführt werden, daß auch
an der holsteinischen Küste zum Teil auf Privatkosten größere Eindeichungen
von Vorland in Angriff genommen oder schon durchgeführt wordeu sind. In
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind 8600 Hektare dem Meer ab¬
gerungen worden, von denen 7000 auch schon von festen Seedeichen eingeschlossen
sind, während 1600 nur niedre Sommerdeiche besitzen. In einigen Jahrzehnten
wird sich Holstein um volle 15000 Hektare vergrößert haben. Die gewonnenen
Ländereien führen Namen wie Kaiser-Wilhelms-Koog, Kaiserin-Auguste-Viktoria-
Koog, Friedrichs-Koog usw. Die Namen der Kooge an der holsteinischen West¬
küste geben gewissermaßen ein Bild der Geschichte dieses Landesteils.


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[0127] Landgewinnung in der Nordsee Fläche erheben und mit dem Festlande vereinigen. Innerhalb der beiden ältern Dämme hat sich der Boden schon merklich erhöht, immer größer werden die Flächen, wo sich schon die Salioornig, zeigt, die später den Futterpflanzen Platz machen wird. Der Insel Nordstrand wird schon, sobald nur der neue Damm vollständig gesichert ist, eine Flüche besten Marschbodens von 650 Hektaren durch Eindeichung angegliedert werden. Ein Hektar kostet heute rund 3000 Mark. Die Kosten der Dammbauten werden also schnell durch das gewonnene Land gedeckt werden. Auch die Anschlickung zu beiden Seiten des neuen Dammes geht überraschend schnell vor sich; selbst in der Pohnstiefe an seiner Nordseite, in der sich wegen der starken Strömung die Abdämmung am schwierigsten ge¬ staltet hatte, ist schon eine ungeheure Schlammasse angesammelt. Wenn irgendwo, hat es sich hier um die Erfüllung einer großen Kulturaufgabe gehandelt, denn das ganze Wattenmeer läßt sich der See abringen als neuer Landteil von der größten Fruchtbarkeit. Ohne Neid kann Deutschland jetzt auf das großartige Vorhaben Hollands blicken, den größten Teil des Zuydersees durch Abdämmung in Land zu verwandeln, denn der Landgewinn an der cimbrischen Küste wird bei voller Durchführung der Pläne an Menge dem holländischen etwa gleichkommen, an Güte und Wert ihm aber überlegen sein, da er nur aus hochliegenden, trocknem und gesundem Lande bestehn wird, während bei den Holländern ein Teil unter dem Meeresspiegel liegt und sie zu fortwährenden Entwässerung?'- arbeiten zwingen kann. Es wird noch einige Menschenalter dauern, bevor alles wieder gut ge¬ macht sein wird, was Sorglosigkeit und Uneinigkeit in frühern Jahrhunderten gesündigt haben. Vorläufig hat die preußische Regierung noch in Aussicht ge¬ nommen, die äußerste, den Fluten besonders ausgesetzte Hallig Hooge durch Schutzarbeiten zu sichern; es sind schon Versuchsarbeiten eingeleitet worden. Vor zweihundert Jahren umfaßte ihre Fläche noch 1300, jetzt kaum mehr 500 Hektare, die Zahl der Bewohner ist in 110 Jahren von 480 auf 135 ge¬ sunken. Als gutes Vorzeichen möge gelten, daß sich in den letzten Jahren auf einzelnen Halligen die Ratte zeigt, die früher ebenso wie Hamster und Igel, obwohl sie auf dem benachbarten Festlande häufig sind, die Halligen mied. Es ging die Sage, die Ratten blieben fern, weil sie die Halligen als doch dem Untergange geweiht ansähen. Es möge hier noch angeführt werden, daß auch an der holsteinischen Küste zum Teil auf Privatkosten größere Eindeichungen von Vorland in Angriff genommen oder schon durchgeführt wordeu sind. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind 8600 Hektare dem Meer ab¬ gerungen worden, von denen 7000 auch schon von festen Seedeichen eingeschlossen sind, während 1600 nur niedre Sommerdeiche besitzen. In einigen Jahrzehnten wird sich Holstein um volle 15000 Hektare vergrößert haben. Die gewonnenen Ländereien führen Namen wie Kaiser-Wilhelms-Koog, Kaiserin-Auguste-Viktoria- Koog, Friedrichs-Koog usw. Die Namen der Kooge an der holsteinischen West¬ küste geben gewissermaßen ein Bild der Geschichte dieses Landesteils.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/127>, abgerufen am 22.07.2024.