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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Landgewinnung in der Nordsee

Oland und Grobe durch Steinsetzungen 1320000 Mark. Der Bau sollte in
fünf Jahren vollendet werden, war aber schon Ende des Jahrhunderts in den
Hauptarbeiten fertig, und es zeigte sich, daß an den neuen Dämmen eine starke
Anschlickung begann, wodurch diese zunächst selbst verstärkt wurden, und die
weitere Bildung von Land mit Sicherheit erwartet werden durfte. Die No¬
vembersturmflut des Jahres 1903 lieferte den untrüglichen Beweis, daß nur
durch die Festmachung aller Halligen eine dauernde Sicherung der Eilande selbst
und des Festlandes bewirkt werden kann. Es war wieder viel Halligland fort¬
gerissen, auch die Schutzbauten waren arg beschädigt worden. Die auf der
Hallig Südfall vom Besitzer selbst vorgenommn" Eindeichung war völlig über¬
flutet und weggeschwemmt, damit ein mühevolles Werk vernichtet worden. Die
Regierung ging darum trotz mannigfachen Einspruchs mit der Errichtung eines
dritten Dammes vom Festland nach der Nordostecke der Insel Nordstrand vor,
wofür der Landtag 1906 die Baukosten von 390000 Mark bewilligte. Der Bau
hatte zwar geringe örtliche Schäden im Gefolge, konnte aber die Schiffahrt und
die Fischerei nur in geringem Maße beeinträchtigen. Die Handelswelt von
Husum, die Wattenschiffer, die Gemeindevertretung von Pellworm und die
Krabbenfischer erhoben trotzdem Einspruch, doch die Regierung stellte ihre Pflicht
des Schutzes der Halligbewohner und des Festlandes höher als diese Privat¬
interessen. Die Stadt Husum zog ihren Einspruch gegen die Zusicherung einer
Hafenverbesserung und der Offenhaltung einer viereinhalb Meter tiefen Fahr¬
rinne zum Hafen wieder zurück. Schon im Staatshaushalt für 1905 waren
die Mittel bewilligt worden zum Schutze der Sanddeiche auf den Inseln Pellworm
und Nordstrand durch Steindeiche.

Im Jahre 1906 wurde das große Werk der Festlandmachung der Insel
Nordstrand in der Hauptsache vollendet. Der nach Nordstrand führende Damm
ist der gewaltigste der drei durch das Wattenmeer geführten Bauten. Er hat
eine Länge von drei Kilometern, und seine fünfundsiebzig Zentimeter über die
normale Fluthöhe hinausragende Oberfläche mißt acht Meter in der Breite.
Namentlich von ihm erwartet man eine besondre Förderung der Landgewinnung
durch Anschlicken. Damit sind die Arbeiten für diesen Zweck vorläufig ab¬
geschlossen, und die Schleswig-holsteinische Westküste wird allmählich eine ganz
andre Gestaltung bekommen. Die frühern Inseln Oland, Langeneß, Nordmarsch,
Hamburger Hallig, Pohns Hallig und Nordstrand haben ihren geographischen
Charakter geändert und sind jetzt Halbinseln geworden, seitdem sie durch mächtige
Dämme mit dem Festlande vereinigt worden sind. Was vor Jahrhunderten
die Fluten abgetrennt haben, ist jetzt wieder mit dem Mutterlande verbunden.
Im Norden und im Süden sind diese Dämme errichtet worden, damit sich hinter
ihnen bei Flutzeiten Senkstoffe ablagern und die Anlandung bewirken. In
wenig Jahren schon wird die Küstengestaltung im Westen von Schleswig stark
von der heutigen abweichen, und zwischen den bedeutsamen Deichbauten wird
sich im nächsten halben Jahrhundert eine nach Tausenden von Hektaren zählende


Landgewinnung in der Nordsee

Oland und Grobe durch Steinsetzungen 1320000 Mark. Der Bau sollte in
fünf Jahren vollendet werden, war aber schon Ende des Jahrhunderts in den
Hauptarbeiten fertig, und es zeigte sich, daß an den neuen Dämmen eine starke
Anschlickung begann, wodurch diese zunächst selbst verstärkt wurden, und die
weitere Bildung von Land mit Sicherheit erwartet werden durfte. Die No¬
vembersturmflut des Jahres 1903 lieferte den untrüglichen Beweis, daß nur
durch die Festmachung aller Halligen eine dauernde Sicherung der Eilande selbst
und des Festlandes bewirkt werden kann. Es war wieder viel Halligland fort¬
gerissen, auch die Schutzbauten waren arg beschädigt worden. Die auf der
Hallig Südfall vom Besitzer selbst vorgenommn« Eindeichung war völlig über¬
flutet und weggeschwemmt, damit ein mühevolles Werk vernichtet worden. Die
Regierung ging darum trotz mannigfachen Einspruchs mit der Errichtung eines
dritten Dammes vom Festland nach der Nordostecke der Insel Nordstrand vor,
wofür der Landtag 1906 die Baukosten von 390000 Mark bewilligte. Der Bau
hatte zwar geringe örtliche Schäden im Gefolge, konnte aber die Schiffahrt und
die Fischerei nur in geringem Maße beeinträchtigen. Die Handelswelt von
Husum, die Wattenschiffer, die Gemeindevertretung von Pellworm und die
Krabbenfischer erhoben trotzdem Einspruch, doch die Regierung stellte ihre Pflicht
des Schutzes der Halligbewohner und des Festlandes höher als diese Privat¬
interessen. Die Stadt Husum zog ihren Einspruch gegen die Zusicherung einer
Hafenverbesserung und der Offenhaltung einer viereinhalb Meter tiefen Fahr¬
rinne zum Hafen wieder zurück. Schon im Staatshaushalt für 1905 waren
die Mittel bewilligt worden zum Schutze der Sanddeiche auf den Inseln Pellworm
und Nordstrand durch Steindeiche.

Im Jahre 1906 wurde das große Werk der Festlandmachung der Insel
Nordstrand in der Hauptsache vollendet. Der nach Nordstrand führende Damm
ist der gewaltigste der drei durch das Wattenmeer geführten Bauten. Er hat
eine Länge von drei Kilometern, und seine fünfundsiebzig Zentimeter über die
normale Fluthöhe hinausragende Oberfläche mißt acht Meter in der Breite.
Namentlich von ihm erwartet man eine besondre Förderung der Landgewinnung
durch Anschlicken. Damit sind die Arbeiten für diesen Zweck vorläufig ab¬
geschlossen, und die Schleswig-holsteinische Westküste wird allmählich eine ganz
andre Gestaltung bekommen. Die frühern Inseln Oland, Langeneß, Nordmarsch,
Hamburger Hallig, Pohns Hallig und Nordstrand haben ihren geographischen
Charakter geändert und sind jetzt Halbinseln geworden, seitdem sie durch mächtige
Dämme mit dem Festlande vereinigt worden sind. Was vor Jahrhunderten
die Fluten abgetrennt haben, ist jetzt wieder mit dem Mutterlande verbunden.
Im Norden und im Süden sind diese Dämme errichtet worden, damit sich hinter
ihnen bei Flutzeiten Senkstoffe ablagern und die Anlandung bewirken. In
wenig Jahren schon wird die Küstengestaltung im Westen von Schleswig stark
von der heutigen abweichen, und zwischen den bedeutsamen Deichbauten wird
sich im nächsten halben Jahrhundert eine nach Tausenden von Hektaren zählende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/126>, abgerufen am 22.07.2024.