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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Bulgarien und die Türkei

der Timormündung an dominiert das rechte Ufer durch 30 bis 180 Meter
hohes Lehmrideau; an das linke Ufer tritt nur bei Jslaz, Zimnicea, Oltenita,
Harschova, Braila, Galaz und Reni ein 10 bis 30 Meter hohes Talrideau heran.
Diese Verhältnisse begünstigen die Verteidigung der Donaubarriere, indem der
auf dem rechten Ufer stehende Verteidiger gute Übersicht und Waffenwirkung
gegen das Tal, den Strom und das jenseitige Urlaub hat. Die Donau ist
nur bei Tschernavoda und zwar mit einer Eisenbahnbrücke überbrückt. Der Bau
von Brücken ist infolge der großen Breite des Stromes, dann wegen des Windes
und des Wellenschlages sehr schwierig; eine sichere Verbindung ist nur mit
schweren Kriegsbrücken (Schleppschiffe, Schiffe der Landungsbrücken) möglich.
Der Bau einer schweren Brücke dauert nach Bereitstellung des Materials mehrere
Tage. Für die Abwehr der mit großen Schwierigkeiten verbundnen Überbrückung
der Donau erlangen die an den wichtigsten Übergangspunkten bestehenden Be¬
festigungen große Bedeutung; sie bieten selbst einer größern Truppenzahl Unter¬
kunft und Unterhalt, erleichtern in ihrer Gesamtheit die Beobachtung und Sicherung
der durch den Strom gebildeten Grenze und scheinen nach kurzer Ausrüstung
im Mobilisierungsfalle befähigt, die ihnen zugewiesnen Verteidigungsabschnitte
bis zum Eintreffen der in den Becken nördlich vom Balkan stehenden Unter¬
stützungen zu halten.

Vidin ist eine alte Depotfestung. Die Werke sind ausgebessert und um¬
geändert worden. Die Festung besteht aus zwei 1000 Meter voneinander
entfernt stehenden Mauern; der äußere Gürtel beherrscht die benachbarte Zone
am rechten Ufer der Donau, die gegenüberliegenden Inseln und zum großen
Teil das linke Ufer. Der Gürtel der Landseite besteht aus sieben bastionierten
Fronten, deren Zwischenwälle 350 Meter Ausdehnung haben; die Brustwehr hat
3 Meter Höhe, 6 Meter Breite oben und 10 Meter Breite unten; der Graben
hat 5,50 Meter Tiefe und 17 Meter Breite und geht in seinem südlichen Teile
in einen Wassergraben über. Bei hohem Wasserstande dringt die Donau
in einen Teil der Gruben ein. Die innere und die äußere Grabenböschung
bestehn aus Mauerwerk. Längs der Nordfront sowie an einem Teile der
Westfront entlang läuft ein nicht gedeckter Weg von 4 Metern Breite. Je
zwei Zwischenwülle sind durch ein Tor verbunden. Über den Graben gelangt
man auf Brücken und Dämmen ins Innere der Festung.

Die Verteidigungslinie nach der Wasserseite hin, die eine Ausdehnung
von 1500 Metern hat. besteht aus einer Zickzackbrustwehr, die in vielen Teilen
zerfallen ist. Vor der Brustwehr steht eine Mauer mit Schießscharten von 3 bis
4 Metern Dicke und 5 bis 6 Metern Höhe über dem höchsten Wasserstande.
Im Innern liegt die Zitadelle Vida Kate, die jetzt als Magazin dient, sowie
einige Kasematten, die als Depots benutzt werden. Um die Zone des innern
Gürtels läuft eine gedeckte Straße von 4 Metern Breite; der äußere Gürtel
besteht aus Schanzen und Zwischendeckbatterien (11), die von den Türken 1877/78
gebaut, jedoch nachher beseitigt worden sind, wie es der Berliner Vertrag vor-


Bulgarien und die Türkei

der Timormündung an dominiert das rechte Ufer durch 30 bis 180 Meter
hohes Lehmrideau; an das linke Ufer tritt nur bei Jslaz, Zimnicea, Oltenita,
Harschova, Braila, Galaz und Reni ein 10 bis 30 Meter hohes Talrideau heran.
Diese Verhältnisse begünstigen die Verteidigung der Donaubarriere, indem der
auf dem rechten Ufer stehende Verteidiger gute Übersicht und Waffenwirkung
gegen das Tal, den Strom und das jenseitige Urlaub hat. Die Donau ist
nur bei Tschernavoda und zwar mit einer Eisenbahnbrücke überbrückt. Der Bau
von Brücken ist infolge der großen Breite des Stromes, dann wegen des Windes
und des Wellenschlages sehr schwierig; eine sichere Verbindung ist nur mit
schweren Kriegsbrücken (Schleppschiffe, Schiffe der Landungsbrücken) möglich.
Der Bau einer schweren Brücke dauert nach Bereitstellung des Materials mehrere
Tage. Für die Abwehr der mit großen Schwierigkeiten verbundnen Überbrückung
der Donau erlangen die an den wichtigsten Übergangspunkten bestehenden Be¬
festigungen große Bedeutung; sie bieten selbst einer größern Truppenzahl Unter¬
kunft und Unterhalt, erleichtern in ihrer Gesamtheit die Beobachtung und Sicherung
der durch den Strom gebildeten Grenze und scheinen nach kurzer Ausrüstung
im Mobilisierungsfalle befähigt, die ihnen zugewiesnen Verteidigungsabschnitte
bis zum Eintreffen der in den Becken nördlich vom Balkan stehenden Unter¬
stützungen zu halten.

Vidin ist eine alte Depotfestung. Die Werke sind ausgebessert und um¬
geändert worden. Die Festung besteht aus zwei 1000 Meter voneinander
entfernt stehenden Mauern; der äußere Gürtel beherrscht die benachbarte Zone
am rechten Ufer der Donau, die gegenüberliegenden Inseln und zum großen
Teil das linke Ufer. Der Gürtel der Landseite besteht aus sieben bastionierten
Fronten, deren Zwischenwälle 350 Meter Ausdehnung haben; die Brustwehr hat
3 Meter Höhe, 6 Meter Breite oben und 10 Meter Breite unten; der Graben
hat 5,50 Meter Tiefe und 17 Meter Breite und geht in seinem südlichen Teile
in einen Wassergraben über. Bei hohem Wasserstande dringt die Donau
in einen Teil der Gruben ein. Die innere und die äußere Grabenböschung
bestehn aus Mauerwerk. Längs der Nordfront sowie an einem Teile der
Westfront entlang läuft ein nicht gedeckter Weg von 4 Metern Breite. Je
zwei Zwischenwülle sind durch ein Tor verbunden. Über den Graben gelangt
man auf Brücken und Dämmen ins Innere der Festung.

Die Verteidigungslinie nach der Wasserseite hin, die eine Ausdehnung
von 1500 Metern hat. besteht aus einer Zickzackbrustwehr, die in vielen Teilen
zerfallen ist. Vor der Brustwehr steht eine Mauer mit Schießscharten von 3 bis
4 Metern Dicke und 5 bis 6 Metern Höhe über dem höchsten Wasserstande.
Im Innern liegt die Zitadelle Vida Kate, die jetzt als Magazin dient, sowie
einige Kasematten, die als Depots benutzt werden. Um die Zone des innern
Gürtels läuft eine gedeckte Straße von 4 Metern Breite; der äußere Gürtel
besteht aus Schanzen und Zwischendeckbatterien (11), die von den Türken 1877/78
gebaut, jedoch nachher beseitigt worden sind, wie es der Berliner Vertrag vor-


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[0114] Bulgarien und die Türkei der Timormündung an dominiert das rechte Ufer durch 30 bis 180 Meter hohes Lehmrideau; an das linke Ufer tritt nur bei Jslaz, Zimnicea, Oltenita, Harschova, Braila, Galaz und Reni ein 10 bis 30 Meter hohes Talrideau heran. Diese Verhältnisse begünstigen die Verteidigung der Donaubarriere, indem der auf dem rechten Ufer stehende Verteidiger gute Übersicht und Waffenwirkung gegen das Tal, den Strom und das jenseitige Urlaub hat. Die Donau ist nur bei Tschernavoda und zwar mit einer Eisenbahnbrücke überbrückt. Der Bau von Brücken ist infolge der großen Breite des Stromes, dann wegen des Windes und des Wellenschlages sehr schwierig; eine sichere Verbindung ist nur mit schweren Kriegsbrücken (Schleppschiffe, Schiffe der Landungsbrücken) möglich. Der Bau einer schweren Brücke dauert nach Bereitstellung des Materials mehrere Tage. Für die Abwehr der mit großen Schwierigkeiten verbundnen Überbrückung der Donau erlangen die an den wichtigsten Übergangspunkten bestehenden Be¬ festigungen große Bedeutung; sie bieten selbst einer größern Truppenzahl Unter¬ kunft und Unterhalt, erleichtern in ihrer Gesamtheit die Beobachtung und Sicherung der durch den Strom gebildeten Grenze und scheinen nach kurzer Ausrüstung im Mobilisierungsfalle befähigt, die ihnen zugewiesnen Verteidigungsabschnitte bis zum Eintreffen der in den Becken nördlich vom Balkan stehenden Unter¬ stützungen zu halten. Vidin ist eine alte Depotfestung. Die Werke sind ausgebessert und um¬ geändert worden. Die Festung besteht aus zwei 1000 Meter voneinander entfernt stehenden Mauern; der äußere Gürtel beherrscht die benachbarte Zone am rechten Ufer der Donau, die gegenüberliegenden Inseln und zum großen Teil das linke Ufer. Der Gürtel der Landseite besteht aus sieben bastionierten Fronten, deren Zwischenwälle 350 Meter Ausdehnung haben; die Brustwehr hat 3 Meter Höhe, 6 Meter Breite oben und 10 Meter Breite unten; der Graben hat 5,50 Meter Tiefe und 17 Meter Breite und geht in seinem südlichen Teile in einen Wassergraben über. Bei hohem Wasserstande dringt die Donau in einen Teil der Gruben ein. Die innere und die äußere Grabenböschung bestehn aus Mauerwerk. Längs der Nordfront sowie an einem Teile der Westfront entlang läuft ein nicht gedeckter Weg von 4 Metern Breite. Je zwei Zwischenwülle sind durch ein Tor verbunden. Über den Graben gelangt man auf Brücken und Dämmen ins Innere der Festung. Die Verteidigungslinie nach der Wasserseite hin, die eine Ausdehnung von 1500 Metern hat. besteht aus einer Zickzackbrustwehr, die in vielen Teilen zerfallen ist. Vor der Brustwehr steht eine Mauer mit Schießscharten von 3 bis 4 Metern Dicke und 5 bis 6 Metern Höhe über dem höchsten Wasserstande. Im Innern liegt die Zitadelle Vida Kate, die jetzt als Magazin dient, sowie einige Kasematten, die als Depots benutzt werden. Um die Zone des innern Gürtels läuft eine gedeckte Straße von 4 Metern Breite; der äußere Gürtel besteht aus Schanzen und Zwischendeckbatterien (11), die von den Türken 1877/78 gebaut, jedoch nachher beseitigt worden sind, wie es der Berliner Vertrag vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/114>, abgerufen am 22.07.2024.