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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Bulgarien und die Türkei
i

le mit kurzer Unterbrechung nun schon viele Jahre währenden
Unruhen im Gebiete der Balkanstaaten werden über kurz oder
lang doch wohl zu einer Entscheidung durch die Waffen führen.
Besonders Bulgarien und die Türkei stehn sich feindlich gegen¬
über, wie ja erst die Unabhängigkeitserklärnng Bulgariens und der
Streit um die ostrumelische Strecke der Oricntbahuen bewiesen haben. Es dürfte
darum nicht ohne Interesse sein, einmal einen Blick in das noch fast ganz un¬
bekannte Gebiet des befestigte" Innern dieser beiden Reiche zu tun und zu sehn,
wie es hier mit den Vorbereitungen für alle Möglichkeiten eines Kriegs steht.

Die Befestigungen Bulgariens. Bulgarien hat mit drei Kriegsfällen
zu rechnen, mit einem Kriege gegen Rumänien, gegen Serbien und gegen
die Türkei.

In der Erkenntnis der Bedeutung eines schlagfertigen, rasch mobilisations-
fähigen Heeres legt Bulgarien mehr Wert auf die Erfüllung der für eine rasche
Offensive unerläßlichen Voraussetzungen; demgegenüber müssen die Vorkehrungen
für den Fall einer etwa aufgedrungnen Defensive zurückstehn. Die Befestigungen
beschränken sich daher auf die Absperrung der Grcnzräume zur Sicherung eines
ungestörten Anfmarschcs und den fortifikatorischer Schutz der Hauptstadt.

Befestigungen gegen Rumänien. Diese ans türkischer Zeit stammenden
festen Plätze hatten den Zweck, die große Verteidigungslinie der Donau zu
verstärken, die Bucht von Varna gegen Landungen zu schützen und der zur
Verteidigung des Balkans nördlich von dem Gebirge stehenden Armee einen
gesicherten Manövrierraum und gesicherte Depots zu bieten (bnlgarisches
Festuugsviereck Schumla, Rustschuk, Silistrici. Varna). Die untere Donau ist
unterhalb von Kladovo 600 bis 2000 Meter breit, 6 bis 7 Meter tief, stellen¬
weise auch 30 Meter tief, die Talsohle unterhalb vou Vidiu 4 bis 20 Kilo¬
meter breit, naß, versumpft, von zahlreichen Armen, Tümpeln begleitet? von


Grenzboten IV 1908 Is


Bulgarien und die Türkei
i

le mit kurzer Unterbrechung nun schon viele Jahre währenden
Unruhen im Gebiete der Balkanstaaten werden über kurz oder
lang doch wohl zu einer Entscheidung durch die Waffen führen.
Besonders Bulgarien und die Türkei stehn sich feindlich gegen¬
über, wie ja erst die Unabhängigkeitserklärnng Bulgariens und der
Streit um die ostrumelische Strecke der Oricntbahuen bewiesen haben. Es dürfte
darum nicht ohne Interesse sein, einmal einen Blick in das noch fast ganz un¬
bekannte Gebiet des befestigte» Innern dieser beiden Reiche zu tun und zu sehn,
wie es hier mit den Vorbereitungen für alle Möglichkeiten eines Kriegs steht.

Die Befestigungen Bulgariens. Bulgarien hat mit drei Kriegsfällen
zu rechnen, mit einem Kriege gegen Rumänien, gegen Serbien und gegen
die Türkei.

In der Erkenntnis der Bedeutung eines schlagfertigen, rasch mobilisations-
fähigen Heeres legt Bulgarien mehr Wert auf die Erfüllung der für eine rasche
Offensive unerläßlichen Voraussetzungen; demgegenüber müssen die Vorkehrungen
für den Fall einer etwa aufgedrungnen Defensive zurückstehn. Die Befestigungen
beschränken sich daher auf die Absperrung der Grcnzräume zur Sicherung eines
ungestörten Anfmarschcs und den fortifikatorischer Schutz der Hauptstadt.

Befestigungen gegen Rumänien. Diese ans türkischer Zeit stammenden
festen Plätze hatten den Zweck, die große Verteidigungslinie der Donau zu
verstärken, die Bucht von Varna gegen Landungen zu schützen und der zur
Verteidigung des Balkans nördlich von dem Gebirge stehenden Armee einen
gesicherten Manövrierraum und gesicherte Depots zu bieten (bnlgarisches
Festuugsviereck Schumla, Rustschuk, Silistrici. Varna). Die untere Donau ist
unterhalb von Kladovo 600 bis 2000 Meter breit, 6 bis 7 Meter tief, stellen¬
weise auch 30 Meter tief, die Talsohle unterhalb vou Vidiu 4 bis 20 Kilo¬
meter breit, naß, versumpft, von zahlreichen Armen, Tümpeln begleitet? von


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[0113] [Abbildung] Bulgarien und die Türkei i le mit kurzer Unterbrechung nun schon viele Jahre währenden Unruhen im Gebiete der Balkanstaaten werden über kurz oder lang doch wohl zu einer Entscheidung durch die Waffen führen. Besonders Bulgarien und die Türkei stehn sich feindlich gegen¬ über, wie ja erst die Unabhängigkeitserklärnng Bulgariens und der Streit um die ostrumelische Strecke der Oricntbahuen bewiesen haben. Es dürfte darum nicht ohne Interesse sein, einmal einen Blick in das noch fast ganz un¬ bekannte Gebiet des befestigte» Innern dieser beiden Reiche zu tun und zu sehn, wie es hier mit den Vorbereitungen für alle Möglichkeiten eines Kriegs steht. Die Befestigungen Bulgariens. Bulgarien hat mit drei Kriegsfällen zu rechnen, mit einem Kriege gegen Rumänien, gegen Serbien und gegen die Türkei. In der Erkenntnis der Bedeutung eines schlagfertigen, rasch mobilisations- fähigen Heeres legt Bulgarien mehr Wert auf die Erfüllung der für eine rasche Offensive unerläßlichen Voraussetzungen; demgegenüber müssen die Vorkehrungen für den Fall einer etwa aufgedrungnen Defensive zurückstehn. Die Befestigungen beschränken sich daher auf die Absperrung der Grcnzräume zur Sicherung eines ungestörten Anfmarschcs und den fortifikatorischer Schutz der Hauptstadt. Befestigungen gegen Rumänien. Diese ans türkischer Zeit stammenden festen Plätze hatten den Zweck, die große Verteidigungslinie der Donau zu verstärken, die Bucht von Varna gegen Landungen zu schützen und der zur Verteidigung des Balkans nördlich von dem Gebirge stehenden Armee einen gesicherten Manövrierraum und gesicherte Depots zu bieten (bnlgarisches Festuugsviereck Schumla, Rustschuk, Silistrici. Varna). Die untere Donau ist unterhalb von Kladovo 600 bis 2000 Meter breit, 6 bis 7 Meter tief, stellen¬ weise auch 30 Meter tief, die Talsohle unterhalb vou Vidiu 4 bis 20 Kilo¬ meter breit, naß, versumpft, von zahlreichen Armen, Tümpeln begleitet? von Grenzboten IV 1908 Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/113>, abgerufen am 22.07.2024.