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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Beteiligung aber findet das erst kürzlich zugelassene Polospiel. Diese Neuerung
wurde vom Obersten Treat von der Artillerie der Vereinigten Staaten und
Kommandanten von Westpoint eingeführt, indem er zugleich auch die Be¬
schaffung von vierzig Ponys auf Staatskosten für das Spiel durchsetzte.
Auffallend mag es vielen erscheinen, daß so großer Wert auf den Tanzunter¬
richt gelegt wird. Der Zweck ist aber nicht nur der, den jungen Leuten die
verschiednen Tünze und Tanzformen beizubringen und dadurch ihre Körper
geschmeidig, biegsam und gewandt zu machen und zu erhalten, sondern sie sollen
auf diese Weise auch gesellschaftlich gute Umgangsformen annehmen, wie sie
von dem amerikanischen Offizier verlangt werden.

Was die Baulichkeiten der Kadettenanstalt anlangt, so sind das Zentral¬
gebäude, die Reitschule, das Wohnhaus der Kadetten, die Bibliothek und der
Turnsaal alt, aber in schönem Stil gebaut. Neuerdings sind zu diesen
Bauten noch hinzugekommen die Garnisonoffiziersmesse und der Cullum-
Prachtsaal; jene dient als Klubhaus für die sechzig Offiziere, die als Lehrer
zur Akademie kommandiert sind, und ist auf Staatskosten hergestellt, der
Cullumsaal dagegen ist ein großartiger öffentlicher Unterhaltungssaal mit ge¬
räumigem Ballsaal, Theater, Bibliothek und mit Schlafsälen im Erdgeschoß
und wurde aus einem Fonds gebaut, den General Cullum für diese Zwecke
gestiftet hatte.

Während der Sommermonate im Lager sind die dreihundert Kadetten in
bequemen und geräumigen Zelten untergebracht. Das jetzt gebräuchliche Zelt
setzt sich aus zwei Flügeln zusammen, ist aus khakifarbner Leinwand und
ähnelt dem Muster des indischen Lagerzeltes. Da es ein permanentes Lager
ist, das die Kadetten alljährlich aufnimmt, so ist das Zelt hoch über dem
Boden angebracht und zwischen hölzernen Strebepfeilern aufgehängt. Für
jedes Zelt sind zwei Kadetten bestimmt, mit Ausnahme der Kadettenoffiziere
und der ältern Unteroffiziere, denen je ein Zelt zukommt. Die Kadetten
haben keine andern Sachen oder Kleidungsstücke bei sich als die vorgeschriebnen,
und da alles streng vorschriftsmäßig ist, sehen alle Zelte vollkommen gleich aus.
Die Offiziere der regulären Armee und der Kommandeur der Akademie bewohnen
Zelte am Anfang der Zeltreihen, obgleich sie natürlich nicht im Lager sind.

Allabendlich um sechseinhalb Uhr tritt das ganze Kadettenkorps, wenn es
das Wetter irgendwie gestattet, zu einer feierlichen Parade an. Dabei muß man
aber nicht an eine Parade in unserm Sinne denken, es ist mehr ein mili¬
tärischer Appell, wie beim Antreten zum Gebet, auch erinnert der Vorgang
an das Abholen der Fahnen und Standarten bei uns. Unter Trommelschlag
treten die Kompagnien in den Alleen in ihrem Lager an. Eine Fahnen¬
wache, bestehend aus einem Kadettenfahnentrüger und einer Rotte, marschiert
zum Zelt des Kommandanten und holt die Fahnen des Korps ab. Diese
tragen sie durch das Lager bis vor die Mitte der Kompagnie, die an diesem
Tage die Fahnenwache zu übernehmen hat. Die Kompagnie marschiert dann


Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Beteiligung aber findet das erst kürzlich zugelassene Polospiel. Diese Neuerung
wurde vom Obersten Treat von der Artillerie der Vereinigten Staaten und
Kommandanten von Westpoint eingeführt, indem er zugleich auch die Be¬
schaffung von vierzig Ponys auf Staatskosten für das Spiel durchsetzte.
Auffallend mag es vielen erscheinen, daß so großer Wert auf den Tanzunter¬
richt gelegt wird. Der Zweck ist aber nicht nur der, den jungen Leuten die
verschiednen Tünze und Tanzformen beizubringen und dadurch ihre Körper
geschmeidig, biegsam und gewandt zu machen und zu erhalten, sondern sie sollen
auf diese Weise auch gesellschaftlich gute Umgangsformen annehmen, wie sie
von dem amerikanischen Offizier verlangt werden.

Was die Baulichkeiten der Kadettenanstalt anlangt, so sind das Zentral¬
gebäude, die Reitschule, das Wohnhaus der Kadetten, die Bibliothek und der
Turnsaal alt, aber in schönem Stil gebaut. Neuerdings sind zu diesen
Bauten noch hinzugekommen die Garnisonoffiziersmesse und der Cullum-
Prachtsaal; jene dient als Klubhaus für die sechzig Offiziere, die als Lehrer
zur Akademie kommandiert sind, und ist auf Staatskosten hergestellt, der
Cullumsaal dagegen ist ein großartiger öffentlicher Unterhaltungssaal mit ge¬
räumigem Ballsaal, Theater, Bibliothek und mit Schlafsälen im Erdgeschoß
und wurde aus einem Fonds gebaut, den General Cullum für diese Zwecke
gestiftet hatte.

Während der Sommermonate im Lager sind die dreihundert Kadetten in
bequemen und geräumigen Zelten untergebracht. Das jetzt gebräuchliche Zelt
setzt sich aus zwei Flügeln zusammen, ist aus khakifarbner Leinwand und
ähnelt dem Muster des indischen Lagerzeltes. Da es ein permanentes Lager
ist, das die Kadetten alljährlich aufnimmt, so ist das Zelt hoch über dem
Boden angebracht und zwischen hölzernen Strebepfeilern aufgehängt. Für
jedes Zelt sind zwei Kadetten bestimmt, mit Ausnahme der Kadettenoffiziere
und der ältern Unteroffiziere, denen je ein Zelt zukommt. Die Kadetten
haben keine andern Sachen oder Kleidungsstücke bei sich als die vorgeschriebnen,
und da alles streng vorschriftsmäßig ist, sehen alle Zelte vollkommen gleich aus.
Die Offiziere der regulären Armee und der Kommandeur der Akademie bewohnen
Zelte am Anfang der Zeltreihen, obgleich sie natürlich nicht im Lager sind.

Allabendlich um sechseinhalb Uhr tritt das ganze Kadettenkorps, wenn es
das Wetter irgendwie gestattet, zu einer feierlichen Parade an. Dabei muß man
aber nicht an eine Parade in unserm Sinne denken, es ist mehr ein mili¬
tärischer Appell, wie beim Antreten zum Gebet, auch erinnert der Vorgang
an das Abholen der Fahnen und Standarten bei uns. Unter Trommelschlag
treten die Kompagnien in den Alleen in ihrem Lager an. Eine Fahnen¬
wache, bestehend aus einem Kadettenfahnentrüger und einer Rotte, marschiert
zum Zelt des Kommandanten und holt die Fahnen des Korps ab. Diese
tragen sie durch das Lager bis vor die Mitte der Kompagnie, die an diesem
Tage die Fahnenwache zu übernehmen hat. Die Kompagnie marschiert dann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/79>, abgerufen am 23.07.2024.