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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Mlitcirbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Militärdienstes vorgenommen. Der Grundsatz, nach dem man dabei verfährt,
ist der, dem Kadetten eine tüchtige und praktische Ausbildung in allen mili¬
tärischen Dingen zu geben. Niemand soll in dieser Zeit zu einem Spezialisten
erzogen werden. Bis zu seinem letzten Jahre in der Anstalt weiß der Kadett
noch nicht, bei welcher Waffengattung er eintreten wird, und sogar im letzten
Jahre kann er noch nicht mit absoluter Bestimmtheit sagen, ob er Infanterist,
Kavallerist, Artillerist oder Pionier werden wird. Auf diese Weise soll er¬
reicht werden, jeden Kadetten darauf vorzubereiten, die Pflichten eines Sub-
alternoffizicrs in jeder Waffe, für die er bestimmt werden sollte, zu erlernen.
Dem entspricht auch der Stundenplan der Kadetten, wie wir ihn nachstehend
für die erste Klasse wiedergeben: 7 bis 8 Uhr vormittags Jnfanterieexer-
zieren, bis 9^° Exerzieren mit Belagerungsgeschützen (Abteilungen für drei
zweizöllige Gewehre, Exerzieren der leichten Artillerie, Kavallerieexerzieren,
Reiten, Unterricht in der Seeküstenverteidigung und in der Verwendung der
Maschinengewehre), 10^ bis 12^ praktischer Unterricht im Militärgeniewesen,
2"' bis 3"° Tanzen, 3"° bis 4"" Schwimmen, 5"" Paradeaufstellung des ganzen
Bataillons.

Eingeschobeu werden in dieses Tagesprogramm Dauermärsche, Aufnahmen
im Gelände, Rekognoszierungen, Übungen im Sicherheitsdienst für ruhende
und marschierende Truppen aller Waffengattungen.

Bei weitem der großartigste Zug in Wcstpoint ist die drakonische Strenge,
die dort gehandhabt und auf alle Gebiete der Erziehung ausgedehnt wird.
So darf zum Beispiel der Kadett, der doch im Alter zwischen siebzehn und
sechsundzwanzig Jahren stehn kann, kein Geld besitzen, keine geistigen Ge¬
tränke zu sich nehmen und nicht rauchen. Er wird durch eine Disziplin
niedergehalten, die strenger ist als die, unter der der gemeine Soldat der
regulären Armee steht. Die geringste Nachlässigkeit in der Kleidung oder die
Nichtbeachtung von Befehlen werden durch strenge Strafen geahndet, wie
Arrest oder Eintragung des Namens des Kadetten in die Strafliste, und schon
eine kleine Anzahl solcher Strafeintragungen beraubt den jungen Zögling jedes
Anspruchs auf gewöhnliche gesellige Erholungen.

Was die Auslagen des Kadettenkurses betrifft, so bezieht jeder Kadett,
nachdem er eingetreten ist, 540 Dollars Gehalt, und damit bestreitet er alle
Kosten für Uniform, Wäsche und Verpflegung. Infolgedessen hört der junge Mann
auf, sobald er nach Westpoint kommt, seinen Eltern oder Angehörigen Kosten
zu verursachen, was doch für unbemittelte Familien von großem Wert ist.

Bis in den letzten Jahren waren sehr wenig Leibesübungen außer dem
Hause, wie zum Beispiel Tanzen, Reiten und Turnen, betrieben worden.
Aber in neuerer Zeit hat sich das sehr geändert. Namentlich ist Golf bei
den Kadetten sehr beliebt, und sobald im Sommer eine halbe Stunde erübrigt
werden kann, widmen sich die jungen Leute der Pflege dieses anregenden
Sports. Fußball und Schlagball werden ebenfalls gern gespielt. Am meisten


Das Mlitcirbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Militärdienstes vorgenommen. Der Grundsatz, nach dem man dabei verfährt,
ist der, dem Kadetten eine tüchtige und praktische Ausbildung in allen mili¬
tärischen Dingen zu geben. Niemand soll in dieser Zeit zu einem Spezialisten
erzogen werden. Bis zu seinem letzten Jahre in der Anstalt weiß der Kadett
noch nicht, bei welcher Waffengattung er eintreten wird, und sogar im letzten
Jahre kann er noch nicht mit absoluter Bestimmtheit sagen, ob er Infanterist,
Kavallerist, Artillerist oder Pionier werden wird. Auf diese Weise soll er¬
reicht werden, jeden Kadetten darauf vorzubereiten, die Pflichten eines Sub-
alternoffizicrs in jeder Waffe, für die er bestimmt werden sollte, zu erlernen.
Dem entspricht auch der Stundenplan der Kadetten, wie wir ihn nachstehend
für die erste Klasse wiedergeben: 7 bis 8 Uhr vormittags Jnfanterieexer-
zieren, bis 9^° Exerzieren mit Belagerungsgeschützen (Abteilungen für drei
zweizöllige Gewehre, Exerzieren der leichten Artillerie, Kavallerieexerzieren,
Reiten, Unterricht in der Seeküstenverteidigung und in der Verwendung der
Maschinengewehre), 10^ bis 12^ praktischer Unterricht im Militärgeniewesen,
2»' bis 3»° Tanzen, 3»° bis 4»» Schwimmen, 5»« Paradeaufstellung des ganzen
Bataillons.

Eingeschobeu werden in dieses Tagesprogramm Dauermärsche, Aufnahmen
im Gelände, Rekognoszierungen, Übungen im Sicherheitsdienst für ruhende
und marschierende Truppen aller Waffengattungen.

Bei weitem der großartigste Zug in Wcstpoint ist die drakonische Strenge,
die dort gehandhabt und auf alle Gebiete der Erziehung ausgedehnt wird.
So darf zum Beispiel der Kadett, der doch im Alter zwischen siebzehn und
sechsundzwanzig Jahren stehn kann, kein Geld besitzen, keine geistigen Ge¬
tränke zu sich nehmen und nicht rauchen. Er wird durch eine Disziplin
niedergehalten, die strenger ist als die, unter der der gemeine Soldat der
regulären Armee steht. Die geringste Nachlässigkeit in der Kleidung oder die
Nichtbeachtung von Befehlen werden durch strenge Strafen geahndet, wie
Arrest oder Eintragung des Namens des Kadetten in die Strafliste, und schon
eine kleine Anzahl solcher Strafeintragungen beraubt den jungen Zögling jedes
Anspruchs auf gewöhnliche gesellige Erholungen.

Was die Auslagen des Kadettenkurses betrifft, so bezieht jeder Kadett,
nachdem er eingetreten ist, 540 Dollars Gehalt, und damit bestreitet er alle
Kosten für Uniform, Wäsche und Verpflegung. Infolgedessen hört der junge Mann
auf, sobald er nach Westpoint kommt, seinen Eltern oder Angehörigen Kosten
zu verursachen, was doch für unbemittelte Familien von großem Wert ist.

Bis in den letzten Jahren waren sehr wenig Leibesübungen außer dem
Hause, wie zum Beispiel Tanzen, Reiten und Turnen, betrieben worden.
Aber in neuerer Zeit hat sich das sehr geändert. Namentlich ist Golf bei
den Kadetten sehr beliebt, und sobald im Sommer eine halbe Stunde erübrigt
werden kann, widmen sich die jungen Leute der Pflege dieses anregenden
Sports. Fußball und Schlagball werden ebenfalls gern gespielt. Am meisten


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[0078] Das Mlitcirbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika Militärdienstes vorgenommen. Der Grundsatz, nach dem man dabei verfährt, ist der, dem Kadetten eine tüchtige und praktische Ausbildung in allen mili¬ tärischen Dingen zu geben. Niemand soll in dieser Zeit zu einem Spezialisten erzogen werden. Bis zu seinem letzten Jahre in der Anstalt weiß der Kadett noch nicht, bei welcher Waffengattung er eintreten wird, und sogar im letzten Jahre kann er noch nicht mit absoluter Bestimmtheit sagen, ob er Infanterist, Kavallerist, Artillerist oder Pionier werden wird. Auf diese Weise soll er¬ reicht werden, jeden Kadetten darauf vorzubereiten, die Pflichten eines Sub- alternoffizicrs in jeder Waffe, für die er bestimmt werden sollte, zu erlernen. Dem entspricht auch der Stundenplan der Kadetten, wie wir ihn nachstehend für die erste Klasse wiedergeben: 7 bis 8 Uhr vormittags Jnfanterieexer- zieren, bis 9^° Exerzieren mit Belagerungsgeschützen (Abteilungen für drei zweizöllige Gewehre, Exerzieren der leichten Artillerie, Kavallerieexerzieren, Reiten, Unterricht in der Seeküstenverteidigung und in der Verwendung der Maschinengewehre), 10^ bis 12^ praktischer Unterricht im Militärgeniewesen, 2»' bis 3»° Tanzen, 3»° bis 4»» Schwimmen, 5»« Paradeaufstellung des ganzen Bataillons. Eingeschobeu werden in dieses Tagesprogramm Dauermärsche, Aufnahmen im Gelände, Rekognoszierungen, Übungen im Sicherheitsdienst für ruhende und marschierende Truppen aller Waffengattungen. Bei weitem der großartigste Zug in Wcstpoint ist die drakonische Strenge, die dort gehandhabt und auf alle Gebiete der Erziehung ausgedehnt wird. So darf zum Beispiel der Kadett, der doch im Alter zwischen siebzehn und sechsundzwanzig Jahren stehn kann, kein Geld besitzen, keine geistigen Ge¬ tränke zu sich nehmen und nicht rauchen. Er wird durch eine Disziplin niedergehalten, die strenger ist als die, unter der der gemeine Soldat der regulären Armee steht. Die geringste Nachlässigkeit in der Kleidung oder die Nichtbeachtung von Befehlen werden durch strenge Strafen geahndet, wie Arrest oder Eintragung des Namens des Kadetten in die Strafliste, und schon eine kleine Anzahl solcher Strafeintragungen beraubt den jungen Zögling jedes Anspruchs auf gewöhnliche gesellige Erholungen. Was die Auslagen des Kadettenkurses betrifft, so bezieht jeder Kadett, nachdem er eingetreten ist, 540 Dollars Gehalt, und damit bestreitet er alle Kosten für Uniform, Wäsche und Verpflegung. Infolgedessen hört der junge Mann auf, sobald er nach Westpoint kommt, seinen Eltern oder Angehörigen Kosten zu verursachen, was doch für unbemittelte Familien von großem Wert ist. Bis in den letzten Jahren waren sehr wenig Leibesübungen außer dem Hause, wie zum Beispiel Tanzen, Reiten und Turnen, betrieben worden. Aber in neuerer Zeit hat sich das sehr geändert. Namentlich ist Golf bei den Kadetten sehr beliebt, und sobald im Sommer eine halbe Stunde erübrigt werden kann, widmen sich die jungen Leute der Pflege dieses anregenden Sports. Fußball und Schlagball werden ebenfalls gern gespielt. Am meisten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/78>, abgerufen am 23.07.2024.