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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Fachkenntnissen als Subalternoffizier einrückt, sondern auch seinen Beruf mit
guter allgemeiner Bildung antritt, einer Bildung, die sich ganz gut mit der
der Studenten an der Aale- oder Hawardnniversität vergleichen läßt.

Wie schon erwähnt worden ist, dehnt sich der Kursus in Westpoint über
vier Jahre aus, und während dieser Zeit gibt es, mit Ausnahme einiger
Tage der Erholung zu Weihnachten jedes Jahres für alle, keinen vollständigen
Feiertag; nur der dritte Jahrgang hat im Juli und August zwei Monate
Ferien. Vom September bis Juni leben die Kadetten in Baracken und
machen einen strengen Kursus akademischer Bildung durch, wobei die Ein¬
tönigkeit des Bücherstudiums nur gerade durch so viel militärischen Unterricht
und Übungen unterbrochen wird, daß die Jugend frisch erhalten wird. Dieser
militärische Unterricht umfaßt Übungen in der Gymnastik, Reiten, Schwimmen
und die gesellschaftliche Übung des Tanzes. Nachstehend geben wir ein Bei¬
spiel des Programms eines Werktages im Wintersemester in Westpoint:

6 Uhr früh Aufstehen, 6^ Zimmerinspizierung, 6"° Frühstück, 6^ Vor¬
bereitung für den Schulunterricht, 7 bis 1 Uhr Unterricht in den Klaffen,
1 bis 2 Uhr Gabelfrühstück. 2 bis 4^ Unterricht in den Klassen, bis
52° Exerzieren und Turnen, 5-" Parade, 6 Uhr Mittagessen, 6^° bis 7 Uhr
Freizeit, 7 bis 9 Uhr Arbeitszeit aus den Stuben. Diese Arbeitszeit ist
obligatorisch, da vor 9 Uhr abends kein Kadett seine Hängematte aufhängen
darf. Wenn jemand bis 10 Uhr abends arbeiten will, so ist ihm dies ge¬
stattet, doch darf er die Stunde nicht zur Erholung benutzen. Um 10 Uhr
müssen alle Lichter ausgelöscht werden.

Diese gewiß anstrengende Arbeitstätigkeit wird dadurch unterbrochen, daß
eine bestimmte Anzahl Kadetten in die Reitschule, den Turm- und Tanzsaal
abkommandiert wird. Aber auch mit dieser Unterbrechung ist die geistige An¬
strengung groß. Nur der Sonnabend Nachmittag bringt vielleicht etwas Er¬
leichterung, aber der Sonntag ist dafür ein um so schwererer Tag, da er einer
eingehenden militärischen Inspektion gewidmet ist. Das Aufziehen der Tages¬
wachen bringt ebenfalls einem Teil der Kadetten eine gewisse Ausspannung;
eine dauernde Wache von vierzig Kadetten ist immer im Dienst.

Das Sommerhalbjahr ist ausschließlich der militärischen Ausbildung ge¬
widmet. Schon früh im Juni marschiert das ganze Kadettenkorps mit Aus¬
nahme der Ferienklasse in das Lager, wo es zweieinhalb Monate bleibt.
Bisher war das Korps in sechs Kompagnien eingeteilt; im August vorigen
Jahres sind daraus zwei Bataillone gebildet worden. Jede Kompagnie be¬
steht aus Leuten aller Klassen, ohne Rücksicht auf ihren Jahrgang, und wird
durch einen Kadettenhauptmann und einen Kadettenleutnant befehligt. Aber
zum Zweck des Unterrichts hat jede Kompagnie auch einen Offizier der
regulären Armee zum Kompagniechef. Die Verwaltung jedoch und die Zu¬
sammenstellung der Kompagnie liegen in den Händen der Kadettenoffiziere
und Unteroffiziere. Während dieser Sommerausbildung wird jeder Zweig des


Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Fachkenntnissen als Subalternoffizier einrückt, sondern auch seinen Beruf mit
guter allgemeiner Bildung antritt, einer Bildung, die sich ganz gut mit der
der Studenten an der Aale- oder Hawardnniversität vergleichen läßt.

Wie schon erwähnt worden ist, dehnt sich der Kursus in Westpoint über
vier Jahre aus, und während dieser Zeit gibt es, mit Ausnahme einiger
Tage der Erholung zu Weihnachten jedes Jahres für alle, keinen vollständigen
Feiertag; nur der dritte Jahrgang hat im Juli und August zwei Monate
Ferien. Vom September bis Juni leben die Kadetten in Baracken und
machen einen strengen Kursus akademischer Bildung durch, wobei die Ein¬
tönigkeit des Bücherstudiums nur gerade durch so viel militärischen Unterricht
und Übungen unterbrochen wird, daß die Jugend frisch erhalten wird. Dieser
militärische Unterricht umfaßt Übungen in der Gymnastik, Reiten, Schwimmen
und die gesellschaftliche Übung des Tanzes. Nachstehend geben wir ein Bei¬
spiel des Programms eines Werktages im Wintersemester in Westpoint:

6 Uhr früh Aufstehen, 6^ Zimmerinspizierung, 6»° Frühstück, 6^ Vor¬
bereitung für den Schulunterricht, 7 bis 1 Uhr Unterricht in den Klaffen,
1 bis 2 Uhr Gabelfrühstück. 2 bis 4^ Unterricht in den Klassen, bis
52° Exerzieren und Turnen, 5-» Parade, 6 Uhr Mittagessen, 6^° bis 7 Uhr
Freizeit, 7 bis 9 Uhr Arbeitszeit aus den Stuben. Diese Arbeitszeit ist
obligatorisch, da vor 9 Uhr abends kein Kadett seine Hängematte aufhängen
darf. Wenn jemand bis 10 Uhr abends arbeiten will, so ist ihm dies ge¬
stattet, doch darf er die Stunde nicht zur Erholung benutzen. Um 10 Uhr
müssen alle Lichter ausgelöscht werden.

Diese gewiß anstrengende Arbeitstätigkeit wird dadurch unterbrochen, daß
eine bestimmte Anzahl Kadetten in die Reitschule, den Turm- und Tanzsaal
abkommandiert wird. Aber auch mit dieser Unterbrechung ist die geistige An¬
strengung groß. Nur der Sonnabend Nachmittag bringt vielleicht etwas Er¬
leichterung, aber der Sonntag ist dafür ein um so schwererer Tag, da er einer
eingehenden militärischen Inspektion gewidmet ist. Das Aufziehen der Tages¬
wachen bringt ebenfalls einem Teil der Kadetten eine gewisse Ausspannung;
eine dauernde Wache von vierzig Kadetten ist immer im Dienst.

Das Sommerhalbjahr ist ausschließlich der militärischen Ausbildung ge¬
widmet. Schon früh im Juni marschiert das ganze Kadettenkorps mit Aus¬
nahme der Ferienklasse in das Lager, wo es zweieinhalb Monate bleibt.
Bisher war das Korps in sechs Kompagnien eingeteilt; im August vorigen
Jahres sind daraus zwei Bataillone gebildet worden. Jede Kompagnie be¬
steht aus Leuten aller Klassen, ohne Rücksicht auf ihren Jahrgang, und wird
durch einen Kadettenhauptmann und einen Kadettenleutnant befehligt. Aber
zum Zweck des Unterrichts hat jede Kompagnie auch einen Offizier der
regulären Armee zum Kompagniechef. Die Verwaltung jedoch und die Zu¬
sammenstellung der Kompagnie liegen in den Händen der Kadettenoffiziere
und Unteroffiziere. Während dieser Sommerausbildung wird jeder Zweig des


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[0077] Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika Fachkenntnissen als Subalternoffizier einrückt, sondern auch seinen Beruf mit guter allgemeiner Bildung antritt, einer Bildung, die sich ganz gut mit der der Studenten an der Aale- oder Hawardnniversität vergleichen läßt. Wie schon erwähnt worden ist, dehnt sich der Kursus in Westpoint über vier Jahre aus, und während dieser Zeit gibt es, mit Ausnahme einiger Tage der Erholung zu Weihnachten jedes Jahres für alle, keinen vollständigen Feiertag; nur der dritte Jahrgang hat im Juli und August zwei Monate Ferien. Vom September bis Juni leben die Kadetten in Baracken und machen einen strengen Kursus akademischer Bildung durch, wobei die Ein¬ tönigkeit des Bücherstudiums nur gerade durch so viel militärischen Unterricht und Übungen unterbrochen wird, daß die Jugend frisch erhalten wird. Dieser militärische Unterricht umfaßt Übungen in der Gymnastik, Reiten, Schwimmen und die gesellschaftliche Übung des Tanzes. Nachstehend geben wir ein Bei¬ spiel des Programms eines Werktages im Wintersemester in Westpoint: 6 Uhr früh Aufstehen, 6^ Zimmerinspizierung, 6»° Frühstück, 6^ Vor¬ bereitung für den Schulunterricht, 7 bis 1 Uhr Unterricht in den Klaffen, 1 bis 2 Uhr Gabelfrühstück. 2 bis 4^ Unterricht in den Klassen, bis 52° Exerzieren und Turnen, 5-» Parade, 6 Uhr Mittagessen, 6^° bis 7 Uhr Freizeit, 7 bis 9 Uhr Arbeitszeit aus den Stuben. Diese Arbeitszeit ist obligatorisch, da vor 9 Uhr abends kein Kadett seine Hängematte aufhängen darf. Wenn jemand bis 10 Uhr abends arbeiten will, so ist ihm dies ge¬ stattet, doch darf er die Stunde nicht zur Erholung benutzen. Um 10 Uhr müssen alle Lichter ausgelöscht werden. Diese gewiß anstrengende Arbeitstätigkeit wird dadurch unterbrochen, daß eine bestimmte Anzahl Kadetten in die Reitschule, den Turm- und Tanzsaal abkommandiert wird. Aber auch mit dieser Unterbrechung ist die geistige An¬ strengung groß. Nur der Sonnabend Nachmittag bringt vielleicht etwas Er¬ leichterung, aber der Sonntag ist dafür ein um so schwererer Tag, da er einer eingehenden militärischen Inspektion gewidmet ist. Das Aufziehen der Tages¬ wachen bringt ebenfalls einem Teil der Kadetten eine gewisse Ausspannung; eine dauernde Wache von vierzig Kadetten ist immer im Dienst. Das Sommerhalbjahr ist ausschließlich der militärischen Ausbildung ge¬ widmet. Schon früh im Juni marschiert das ganze Kadettenkorps mit Aus¬ nahme der Ferienklasse in das Lager, wo es zweieinhalb Monate bleibt. Bisher war das Korps in sechs Kompagnien eingeteilt; im August vorigen Jahres sind daraus zwei Bataillone gebildet worden. Jede Kompagnie be¬ steht aus Leuten aller Klassen, ohne Rücksicht auf ihren Jahrgang, und wird durch einen Kadettenhauptmann und einen Kadettenleutnant befehligt. Aber zum Zweck des Unterrichts hat jede Kompagnie auch einen Offizier der regulären Armee zum Kompagniechef. Die Verwaltung jedoch und die Zu¬ sammenstellung der Kompagnie liegen in den Händen der Kadettenoffiziere und Unteroffiziere. Während dieser Sommerausbildung wird jeder Zweig des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/77>, abgerufen am 25.08.2024.