Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Freiherr von Würtzburg, hatte noch kurz nach der Reichstagsauflösung in einem Der bayrische Landesverband trat diesen Rückzug vor dem Zentrum an. Er Aber sehr bald brachen die Bayern die von ihnen gegebnen Zusagen. Sie Um nicht auf Irrwege zu kommen, muß man festhalten, daß es sich nicht um Maßgebliches und Unmaßgebliches Freiherr von Würtzburg, hatte noch kurz nach der Reichstagsauflösung in einem Der bayrische Landesverband trat diesen Rückzug vor dem Zentrum an. Er Aber sehr bald brachen die Bayern die von ihnen gegebnen Zusagen. Sie Um nicht auf Irrwege zu kommen, muß man festhalten, daß es sich nicht um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0714" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/304130"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_3097" prev="#ID_3096"> Freiherr von Würtzburg, hatte noch kurz nach der Reichstagsauflösung in einem<lb/> Rundschreiben an die bayrischen Provinzialverbände und Ortsgruppen einen Stand¬<lb/> punkt bekundet, der sich genau mit dem des Generals Keim deckte, und der sich<lb/> eigentlich aus der Lage ganz von selber ergab. Es war nämlich der Fall eingetreten,<lb/> daß eine politische Partei, das Zentrum, in einer nationalen Frage eine Haltung<lb/> bekundet hatte, die zwar nicht unmittelbar die Flotte betraf, aber doch durch die<lb/> Stellungnahme zu nahe verwandten Fragen mit den Zielen des Flottenvereins in<lb/> direktem Widerspruch stand. Das hatte auch Herr von Würtzburg richtig empfunden<lb/> und daraus geschlossen, daß Mitglieder des Flottenvereins als Wähler ihre nationale<lb/> Überzeugung nur dadurch betätigen konnten, daß sie die Parteien, die in der Ab¬<lb/> stimmung vom 13. Dezember 1906 die nationalen Interessen verleugnet hatten, auch<lb/> als ihre Gegner ansahen. Der Flottenverein hat nationale Forderungen zu vertreten;<lb/> er tut das, solange es geht, ohne Ansehn der Partei. Wenn sich aber eine be¬<lb/> stimmte Partei auf einen mit solchen Forderungen unvereinbarer Standpunkt stellt,<lb/> dann bleibt eben nichts andres übrig, als daß diese Partei bekämpft wird. Sobald<lb/> sich der Verein den Bestrebungen dieser feindlichen Partei unterwirft, folgt er selbst<lb/> parteipolitischer Rücksichten, denen er seine nationalen Ziele unterordnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_3098"> Der bayrische Landesverband trat diesen Rückzug vor dem Zentrum an. Er<lb/> selbst machte sich dadurch von einer Partei abhängig und trieb Parteipolitik. Trotzdem<lb/> war es dieser Landesverband, der dem Präsidium des Gesamtvereins vorwarf, daß<lb/> es parteipolitische Agitation treibe. Bekanntlich kam es bei der nächsten Hauptver¬<lb/> sammlung zu Köln im Mai 1907 zu einer Aussprache und Versöhnung. Die Bayern<lb/> gaben ihren Versuch auf, der Mehrheit des Vereins Vorschriften für die Methode<lb/> ihrer Agitation zu machen, wogegen es das Präsidium des Gesamtvereins den Bayern<lb/> überließ, innerhalb ihres Landesverbandes nach ihrer Weise zu wirken. Das Ver¬<lb/> gangne sollte vergessen sein, und General Keim blieb in seiner alten Stellung.</p><lb/> <p xml:id="ID_3099"> Aber sehr bald brachen die Bayern die von ihnen gegebnen Zusagen. Sie<lb/> fingen mit Beschwerden an über Zeitungsartikel, die ihren Ursprung gar nicht im<lb/> Flottenverein hatten, und endeten, als die Wahl eines neuen geschäftsführenden Vor¬<lb/> sitzenden nötig wurde, mit der satzungswidrigen Forderung, daß General Keim nicht<lb/> gewählt werden dürfe, sonst würde Prinz Ruprecht von Bayern das Protektorat<lb/> über den bayrischen Landesverband niederlegen. Diese vom Zaun gebrochne Drohung<lb/> — Keim war noch gar nicht zur Wahl gestellt, seine Wahl wurde nur vermutet,<lb/> weil er die Hauptlast dieser Geschäfte bereits trug, ohne das Amt inne zu haben —<lb/> wurde in einer für das Präsidium so schroff verletzenden Form wiederholt, daß<lb/> nunmehr das Präsidium den General Keim, der sich gegen die Annahme der Wahl<lb/> sträubte, bat, unter allen Umständen das Amt zu übernehmen. Alsbald erschien in<lb/> der Münchner „Allgemeinen Zeitung" ein heftiger Angriff gegen General Keim,<lb/> wobei auf eine Behauptung zurückgegriffen wurde, die schon bei dem Friedensschluß<lb/> in Köln als unwahr erwiesen worden war. Gleich darauf legte Prinz Ruprecht<lb/> das Protektorat nieder, und der Zwist innerhalb des Vereins und in der Presse<lb/> brach nun in hellen Flammen aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_3100" next="#ID_3101"> Um nicht auf Irrwege zu kommen, muß man festhalten, daß es sich nicht um<lb/> ein Verschulden des Generals Keim, der tatsächlich gar nichts verbrochen hat, ge¬<lb/> schweige denn um irgendeine Spitze gegen den Prinzen Ruprecht handelt, sondern<lb/> erstens um ein die Form und die Satzungen stark verletzendes Vorgehn des<lb/> bayrischen Landesverbandes gegen das Präsidium, und zweitens um eine grund¬<lb/> sätzliche Differenz zwischen Bayern und dem Gesamtverein. Die Sache soll dem¬<lb/> nächst durch eine außerordentliche Hauptversammlung geschlichtet werden. Man er¬<lb/> kennt aber schon jetzt die wahren Motive des Streits. Die Vorschiebung eines<lb/> bayrischen Prinzen, der jedenfalls nicht so hätte handeln können, wenn ihm nicht</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0714]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Freiherr von Würtzburg, hatte noch kurz nach der Reichstagsauflösung in einem
Rundschreiben an die bayrischen Provinzialverbände und Ortsgruppen einen Stand¬
punkt bekundet, der sich genau mit dem des Generals Keim deckte, und der sich
eigentlich aus der Lage ganz von selber ergab. Es war nämlich der Fall eingetreten,
daß eine politische Partei, das Zentrum, in einer nationalen Frage eine Haltung
bekundet hatte, die zwar nicht unmittelbar die Flotte betraf, aber doch durch die
Stellungnahme zu nahe verwandten Fragen mit den Zielen des Flottenvereins in
direktem Widerspruch stand. Das hatte auch Herr von Würtzburg richtig empfunden
und daraus geschlossen, daß Mitglieder des Flottenvereins als Wähler ihre nationale
Überzeugung nur dadurch betätigen konnten, daß sie die Parteien, die in der Ab¬
stimmung vom 13. Dezember 1906 die nationalen Interessen verleugnet hatten, auch
als ihre Gegner ansahen. Der Flottenverein hat nationale Forderungen zu vertreten;
er tut das, solange es geht, ohne Ansehn der Partei. Wenn sich aber eine be¬
stimmte Partei auf einen mit solchen Forderungen unvereinbarer Standpunkt stellt,
dann bleibt eben nichts andres übrig, als daß diese Partei bekämpft wird. Sobald
sich der Verein den Bestrebungen dieser feindlichen Partei unterwirft, folgt er selbst
parteipolitischer Rücksichten, denen er seine nationalen Ziele unterordnet.
Der bayrische Landesverband trat diesen Rückzug vor dem Zentrum an. Er
selbst machte sich dadurch von einer Partei abhängig und trieb Parteipolitik. Trotzdem
war es dieser Landesverband, der dem Präsidium des Gesamtvereins vorwarf, daß
es parteipolitische Agitation treibe. Bekanntlich kam es bei der nächsten Hauptver¬
sammlung zu Köln im Mai 1907 zu einer Aussprache und Versöhnung. Die Bayern
gaben ihren Versuch auf, der Mehrheit des Vereins Vorschriften für die Methode
ihrer Agitation zu machen, wogegen es das Präsidium des Gesamtvereins den Bayern
überließ, innerhalb ihres Landesverbandes nach ihrer Weise zu wirken. Das Ver¬
gangne sollte vergessen sein, und General Keim blieb in seiner alten Stellung.
Aber sehr bald brachen die Bayern die von ihnen gegebnen Zusagen. Sie
fingen mit Beschwerden an über Zeitungsartikel, die ihren Ursprung gar nicht im
Flottenverein hatten, und endeten, als die Wahl eines neuen geschäftsführenden Vor¬
sitzenden nötig wurde, mit der satzungswidrigen Forderung, daß General Keim nicht
gewählt werden dürfe, sonst würde Prinz Ruprecht von Bayern das Protektorat
über den bayrischen Landesverband niederlegen. Diese vom Zaun gebrochne Drohung
— Keim war noch gar nicht zur Wahl gestellt, seine Wahl wurde nur vermutet,
weil er die Hauptlast dieser Geschäfte bereits trug, ohne das Amt inne zu haben —
wurde in einer für das Präsidium so schroff verletzenden Form wiederholt, daß
nunmehr das Präsidium den General Keim, der sich gegen die Annahme der Wahl
sträubte, bat, unter allen Umständen das Amt zu übernehmen. Alsbald erschien in
der Münchner „Allgemeinen Zeitung" ein heftiger Angriff gegen General Keim,
wobei auf eine Behauptung zurückgegriffen wurde, die schon bei dem Friedensschluß
in Köln als unwahr erwiesen worden war. Gleich darauf legte Prinz Ruprecht
das Protektorat nieder, und der Zwist innerhalb des Vereins und in der Presse
brach nun in hellen Flammen aus.
Um nicht auf Irrwege zu kommen, muß man festhalten, daß es sich nicht um
ein Verschulden des Generals Keim, der tatsächlich gar nichts verbrochen hat, ge¬
schweige denn um irgendeine Spitze gegen den Prinzen Ruprecht handelt, sondern
erstens um ein die Form und die Satzungen stark verletzendes Vorgehn des
bayrischen Landesverbandes gegen das Präsidium, und zweitens um eine grund¬
sätzliche Differenz zwischen Bayern und dem Gesamtverein. Die Sache soll dem¬
nächst durch eine außerordentliche Hauptversammlung geschlichtet werden. Man er¬
kennt aber schon jetzt die wahren Motive des Streits. Die Vorschiebung eines
bayrischen Prinzen, der jedenfalls nicht so hätte handeln können, wenn ihm nicht
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