Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Bilder aus der Grafschaft Glatz Böhmen gezwungen wurde. Einer sächsisch-württembergischen Abteilung, die am Der letzte Akt des Kampfes stand nun bevor, der Angriff auf die Festung Am 20. Juni rückte Vandamme mit etwa 13000 Mann (Rheinbündner, Bilder aus der Grafschaft Glatz Böhmen gezwungen wurde. Einer sächsisch-württembergischen Abteilung, die am Der letzte Akt des Kampfes stand nun bevor, der Angriff auf die Festung Am 20. Juni rückte Vandamme mit etwa 13000 Mann (Rheinbündner, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0702" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/304118"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus der Grafschaft Glatz</fw><lb/> <p xml:id="ID_3026" prev="#ID_3025"> Böhmen gezwungen wurde. Einer sächsisch-württembergischen Abteilung, die am<lb/> 29. Mai über Neurode heranzog und die Verbindung mit Silberberg bedrohte,<lb/> trat Götzen bei Schlegel im Steinetal entgegen und drängte sie über Gabers-<lb/> dorf nach Wartha. Als am 4. Juni ein stärkeres Korps unter General Pernety,<lb/> Bayern und Württemberger aller Waffen, auf derselben Straße heranzog, faßte<lb/> er es bei Rotwalthersdorf am Fuße der Eule in so stürmischem Angriff, daß<lb/> er einen Teil völlig zersprengte und mit mehr als 200 Gefangnen nach Glatz<lb/> zurückkehrte. Aber da am 10. Juni die Nachricht eintraf, daß sich Kösel nicht<lb/> mehr lange halten könne, suchte er in persönlicher Unterhandlung mit Lesebvre<lb/> auf dem „Paßberge" bei Wartha einen vierwöchigen Waffenstillstand zu er¬<lb/> wirken. Meldete doch auch Oberst von dem Knesebeck aus Wien, Osterreich<lb/> werde binnen vierzehn Tagen in den Krieg eintreten, es galt also Zeit zu ge¬<lb/> winnen. Jene Unterhandlungen aber scheiterten, und eine Besprechung mit<lb/> Vandcnnme zwischen den Vorposten am 19. Juni führte zu so heftigen Aus¬<lb/> einandersetzungen mit dem übermütigen Franzosen, der Götzens Offiziere schließlich<lb/> sogar aufforderte, den unsinnigen Mann zu verlassen, da es mit dem Preußischen<lb/> Königtum doch zu Ende sei, daß Götzen abbrach.</p><lb/> <p xml:id="ID_3027"> Der letzte Akt des Kampfes stand nun bevor, der Angriff auf die Festung<lb/> Glatz, und der Graf fah ihm mit Sorgen entgegen. Denn zwar konnte sich<lb/> die Hauptfestung hoch über der Stadt für sich allein lange halten, allein die<lb/> darunter liegende Stadt konnte er nicht aufgeben, schon weil dort die meisten<lb/> Magazine und Lazarette lagen, und sie war trotz ihrer starken Umwallung ge¬<lb/> fährdet, sobald der Feind etwa sich des sie völlig beherrschenden Schäferbcrgs<lb/> bemächtigte. Götzen ließ diesen deshalb stärker befestigen, deckte die Vorstadt<lb/> auf der Neißeinsel (Roßmarkt und Holzplan) durch einen Brückenkopf, die<lb/> „Jungfernschanze", auf dem rechten Ufer, die Königshainer Vorstadt jenseits<lb/> der Reiße durch den befestigten Götz- und Minoritenhof und legte im Süden<lb/> der Stadt, zur Beherrschung der offnen Neißeniederung auf dem Kreuzberge,<lb/> einer langgestreckten, teilweise bewaldeten Anhöhe im Süden, ein verschanztes<lb/> Lager (mit zehn Schanzen) an. Von den 6000 Mann, die ihm zur Verfügung<lb/> standen, bezog beinahe die Hälfte, 2200 Mann Infanterie und 500 Reiter mit<lb/> 22 schweren Geschützen, diese ausgesetzte Stellung, auf dem Schnferberg und in<lb/> der Hauptfestung stand je ein Bataillon, den Stadtwall sollten zwei Bataillone<lb/> mit zwei Jnvalidenkompagnien verteidigen. Alle Kriegsvorräte waren in Glatz<lb/> vereinigt, alles Vieh aus der Umgegend dorthin zusammengetrieben, die Zinsen<lb/> der Landwirte eingezogen, durch eine Zwangsanleihe von den Kaufleuten<lb/> 15 bis 16000 Taler aufgebracht. Alle diese Anordnungen mußte Götzen<lb/> obendrein als Schwerkranker Mann treffen, denn die ungeheuern Anstrengungen<lb/> und Aufregungen dieses schrecklichen Jahres hatten seine sonst stählerne Gesund¬<lb/> heit so erschüttert, daß er schon für den Fall seines Todes Weisungen gab,<lb/> weil er nur noch ein paar Wochen leben zu können meinte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3028" next="#ID_3029"> Am 20. Juni rückte Vandamme mit etwa 13000 Mann (Rheinbündner,<lb/> Polen und Franzosen) von Wartha gegen Glatz heran und nahm sein Haupt¬<lb/> quartier eine Stunde nördlich von der Stadt in dem stattlichen Schloß von<lb/> Pischkowitz, das von seinem bewaldeten Hügel aus neben der Kirche die ganze<lb/> Gegend übersieht. Schon in der Nacht beschoß der Feind das verschanzte Lager,<lb/> am 21. drängte er näher heran, schloß die Stadt völlig ein und eröffnete eine<lb/> stärkere Beschießung, die von den mangelhaften Geschützen der Festung nur<lb/> schwach erwidert werden konnte. Am Abend kam im Auftrage Jervmes der<lb/> Prinz von Hohenzollern, der sich nicht für zu gut hielt, dem Bonaparte als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0702]
Bilder aus der Grafschaft Glatz
Böhmen gezwungen wurde. Einer sächsisch-württembergischen Abteilung, die am
29. Mai über Neurode heranzog und die Verbindung mit Silberberg bedrohte,
trat Götzen bei Schlegel im Steinetal entgegen und drängte sie über Gabers-
dorf nach Wartha. Als am 4. Juni ein stärkeres Korps unter General Pernety,
Bayern und Württemberger aller Waffen, auf derselben Straße heranzog, faßte
er es bei Rotwalthersdorf am Fuße der Eule in so stürmischem Angriff, daß
er einen Teil völlig zersprengte und mit mehr als 200 Gefangnen nach Glatz
zurückkehrte. Aber da am 10. Juni die Nachricht eintraf, daß sich Kösel nicht
mehr lange halten könne, suchte er in persönlicher Unterhandlung mit Lesebvre
auf dem „Paßberge" bei Wartha einen vierwöchigen Waffenstillstand zu er¬
wirken. Meldete doch auch Oberst von dem Knesebeck aus Wien, Osterreich
werde binnen vierzehn Tagen in den Krieg eintreten, es galt also Zeit zu ge¬
winnen. Jene Unterhandlungen aber scheiterten, und eine Besprechung mit
Vandcnnme zwischen den Vorposten am 19. Juni führte zu so heftigen Aus¬
einandersetzungen mit dem übermütigen Franzosen, der Götzens Offiziere schließlich
sogar aufforderte, den unsinnigen Mann zu verlassen, da es mit dem Preußischen
Königtum doch zu Ende sei, daß Götzen abbrach.
Der letzte Akt des Kampfes stand nun bevor, der Angriff auf die Festung
Glatz, und der Graf fah ihm mit Sorgen entgegen. Denn zwar konnte sich
die Hauptfestung hoch über der Stadt für sich allein lange halten, allein die
darunter liegende Stadt konnte er nicht aufgeben, schon weil dort die meisten
Magazine und Lazarette lagen, und sie war trotz ihrer starken Umwallung ge¬
fährdet, sobald der Feind etwa sich des sie völlig beherrschenden Schäferbcrgs
bemächtigte. Götzen ließ diesen deshalb stärker befestigen, deckte die Vorstadt
auf der Neißeinsel (Roßmarkt und Holzplan) durch einen Brückenkopf, die
„Jungfernschanze", auf dem rechten Ufer, die Königshainer Vorstadt jenseits
der Reiße durch den befestigten Götz- und Minoritenhof und legte im Süden
der Stadt, zur Beherrschung der offnen Neißeniederung auf dem Kreuzberge,
einer langgestreckten, teilweise bewaldeten Anhöhe im Süden, ein verschanztes
Lager (mit zehn Schanzen) an. Von den 6000 Mann, die ihm zur Verfügung
standen, bezog beinahe die Hälfte, 2200 Mann Infanterie und 500 Reiter mit
22 schweren Geschützen, diese ausgesetzte Stellung, auf dem Schnferberg und in
der Hauptfestung stand je ein Bataillon, den Stadtwall sollten zwei Bataillone
mit zwei Jnvalidenkompagnien verteidigen. Alle Kriegsvorräte waren in Glatz
vereinigt, alles Vieh aus der Umgegend dorthin zusammengetrieben, die Zinsen
der Landwirte eingezogen, durch eine Zwangsanleihe von den Kaufleuten
15 bis 16000 Taler aufgebracht. Alle diese Anordnungen mußte Götzen
obendrein als Schwerkranker Mann treffen, denn die ungeheuern Anstrengungen
und Aufregungen dieses schrecklichen Jahres hatten seine sonst stählerne Gesund¬
heit so erschüttert, daß er schon für den Fall seines Todes Weisungen gab,
weil er nur noch ein paar Wochen leben zu können meinte.
Am 20. Juni rückte Vandamme mit etwa 13000 Mann (Rheinbündner,
Polen und Franzosen) von Wartha gegen Glatz heran und nahm sein Haupt¬
quartier eine Stunde nördlich von der Stadt in dem stattlichen Schloß von
Pischkowitz, das von seinem bewaldeten Hügel aus neben der Kirche die ganze
Gegend übersieht. Schon in der Nacht beschoß der Feind das verschanzte Lager,
am 21. drängte er näher heran, schloß die Stadt völlig ein und eröffnete eine
stärkere Beschießung, die von den mangelhaften Geschützen der Festung nur
schwach erwidert werden konnte. Am Abend kam im Auftrage Jervmes der
Prinz von Hohenzollern, der sich nicht für zu gut hielt, dem Bonaparte als
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