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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Deutsch - amerikanische Angelegenheiten

Verwandten jenseits des Ozeans." Ganz in diesem Sinne hatten die deutschen
Sänger von Philadelphia in ihrem Aufrufe an die andern deutschen Vereine
der Stadt gesagt: "Wir wünschen dem hohen Besucher zu zeigen, daß die
deutschamerikanischen Bürger loyale Amerikaner sein können, ohne das liebe
Vaterland zu vergessen." Die Deutschen in der Union wollen also Nord¬
amerikaner sein und nicht, etwa wie unsre Polen, einen Staat im Staate
bilden, aber ihr Zusammenschluß ist ohne Zweifel von nicht geringer Trag¬
weite für die Erhaltung deutschen Wesens und deutscher Kultur, die schon so
oft ohne Dank der Dünger für das Gedeihen andrer Staaten gewesen sind.
Es zeigt sich hierin deutlich, welch glücklichen Griff Kaiser Wilhelm mit der
Sendung seines Bruders nach Nordamerika getan hatte; dem eines großen
Volkes allein würdigen Streben nach Konzentration aller in den verschiednen
Weltteilen angesiedelten Deutschen auf das Mutterland war er unzweifelhaft
in hohem Maße dienlich.

Den Anfang machten wieder die deutschen Kriegervereine, die sich schon
im Januar 1903 nach heimischem Muster in einen Zentralverband zusammen¬
schlossen. Ihnen folgte der "Deutschamerikanische Nationalbund", der in
Philadelphia seinen Sitz hat und schon im Gründungsjahre Hunderttausende
von Mitgliedern in allen Staaten der Union zählte. Er verfolgt an sich
keine politischen Ziele, sondern strebt die Einigung der deutschen Bevölkerung
zur Pflege der Muttersprache, des deutschen Gesangs, freundschaftlicher Be¬
ziehungen zum Mutterlande und die Unterstützung deutscher Schulen an. Eine
wesentliche Förderung erfuhr er durch die Weltausstellung von Se. Louis im
Jahre 1904, auf der nach dem allgemeinen Urteil Deutschland den größten
Eindruck hinterlassen hat. Der "Deutsche Tag" zeigte am 6. Oktober in der
Weltausstellung das Deutschtum der Vereinigten Staaten als geschlossene Ein¬
heit. Vor dem Deutschen Hause, bekanntlich einer Nachbildung des Schlosses
in Charlottenburg, das auf der Ausstellung die Palme des Sieges davon¬
getragen hatte, sprachen die alten Führer der Deutschamerikaner, der inzwischen
verstorbne Karl Schurz und sein Freund Dr. Pretorius, nach ihnen der Bot¬
schafter des Deutschen Reiches und der deutsche Reichskommissar der Welt¬
ausstellung zu einer ungeheuern Menge von Deutschen und Amerikanern. Die
Weltausstellung war ein neuer Markstein auf dem Wege des Zusammen¬
schlusses der Deutschamerikaner und zugleich der Entwicklung freundschaftlicher
Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Präsident
Roosevelt besichtigte auch bei seinem Besuche der Weltausstellung am 26. Sep¬
tember als erstes Staatsgebäude das deutsche Haus. Er ist dank seiner Ab¬
stammung von den holländischen Ureinwandrern auf der Halbinsel Manhattan
-- jetzt Newyork -- dem Nativismus der Neuengländer wenig zugänglich
und wohl infolgedessen mehr veranlagt als jene, den Deutschen gerecht zu
werden, vielleicht auch, weil er ihre Bedeutung bei den Wahlen empfunden
hat. Wie sehr er die Gunst der Deutschamerikaner zu schätzen weiß, hat er


Deutsch - amerikanische Angelegenheiten

Verwandten jenseits des Ozeans." Ganz in diesem Sinne hatten die deutschen
Sänger von Philadelphia in ihrem Aufrufe an die andern deutschen Vereine
der Stadt gesagt: „Wir wünschen dem hohen Besucher zu zeigen, daß die
deutschamerikanischen Bürger loyale Amerikaner sein können, ohne das liebe
Vaterland zu vergessen." Die Deutschen in der Union wollen also Nord¬
amerikaner sein und nicht, etwa wie unsre Polen, einen Staat im Staate
bilden, aber ihr Zusammenschluß ist ohne Zweifel von nicht geringer Trag¬
weite für die Erhaltung deutschen Wesens und deutscher Kultur, die schon so
oft ohne Dank der Dünger für das Gedeihen andrer Staaten gewesen sind.
Es zeigt sich hierin deutlich, welch glücklichen Griff Kaiser Wilhelm mit der
Sendung seines Bruders nach Nordamerika getan hatte; dem eines großen
Volkes allein würdigen Streben nach Konzentration aller in den verschiednen
Weltteilen angesiedelten Deutschen auf das Mutterland war er unzweifelhaft
in hohem Maße dienlich.

Den Anfang machten wieder die deutschen Kriegervereine, die sich schon
im Januar 1903 nach heimischem Muster in einen Zentralverband zusammen¬
schlossen. Ihnen folgte der „Deutschamerikanische Nationalbund", der in
Philadelphia seinen Sitz hat und schon im Gründungsjahre Hunderttausende
von Mitgliedern in allen Staaten der Union zählte. Er verfolgt an sich
keine politischen Ziele, sondern strebt die Einigung der deutschen Bevölkerung
zur Pflege der Muttersprache, des deutschen Gesangs, freundschaftlicher Be¬
ziehungen zum Mutterlande und die Unterstützung deutscher Schulen an. Eine
wesentliche Förderung erfuhr er durch die Weltausstellung von Se. Louis im
Jahre 1904, auf der nach dem allgemeinen Urteil Deutschland den größten
Eindruck hinterlassen hat. Der „Deutsche Tag" zeigte am 6. Oktober in der
Weltausstellung das Deutschtum der Vereinigten Staaten als geschlossene Ein¬
heit. Vor dem Deutschen Hause, bekanntlich einer Nachbildung des Schlosses
in Charlottenburg, das auf der Ausstellung die Palme des Sieges davon¬
getragen hatte, sprachen die alten Führer der Deutschamerikaner, der inzwischen
verstorbne Karl Schurz und sein Freund Dr. Pretorius, nach ihnen der Bot¬
schafter des Deutschen Reiches und der deutsche Reichskommissar der Welt¬
ausstellung zu einer ungeheuern Menge von Deutschen und Amerikanern. Die
Weltausstellung war ein neuer Markstein auf dem Wege des Zusammen¬
schlusses der Deutschamerikaner und zugleich der Entwicklung freundschaftlicher
Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Präsident
Roosevelt besichtigte auch bei seinem Besuche der Weltausstellung am 26. Sep¬
tember als erstes Staatsgebäude das deutsche Haus. Er ist dank seiner Ab¬
stammung von den holländischen Ureinwandrern auf der Halbinsel Manhattan
— jetzt Newyork — dem Nativismus der Neuengländer wenig zugänglich
und wohl infolgedessen mehr veranlagt als jene, den Deutschen gerecht zu
werden, vielleicht auch, weil er ihre Bedeutung bei den Wahlen empfunden
hat. Wie sehr er die Gunst der Deutschamerikaner zu schätzen weiß, hat er


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[0617] Deutsch - amerikanische Angelegenheiten Verwandten jenseits des Ozeans." Ganz in diesem Sinne hatten die deutschen Sänger von Philadelphia in ihrem Aufrufe an die andern deutschen Vereine der Stadt gesagt: „Wir wünschen dem hohen Besucher zu zeigen, daß die deutschamerikanischen Bürger loyale Amerikaner sein können, ohne das liebe Vaterland zu vergessen." Die Deutschen in der Union wollen also Nord¬ amerikaner sein und nicht, etwa wie unsre Polen, einen Staat im Staate bilden, aber ihr Zusammenschluß ist ohne Zweifel von nicht geringer Trag¬ weite für die Erhaltung deutschen Wesens und deutscher Kultur, die schon so oft ohne Dank der Dünger für das Gedeihen andrer Staaten gewesen sind. Es zeigt sich hierin deutlich, welch glücklichen Griff Kaiser Wilhelm mit der Sendung seines Bruders nach Nordamerika getan hatte; dem eines großen Volkes allein würdigen Streben nach Konzentration aller in den verschiednen Weltteilen angesiedelten Deutschen auf das Mutterland war er unzweifelhaft in hohem Maße dienlich. Den Anfang machten wieder die deutschen Kriegervereine, die sich schon im Januar 1903 nach heimischem Muster in einen Zentralverband zusammen¬ schlossen. Ihnen folgte der „Deutschamerikanische Nationalbund", der in Philadelphia seinen Sitz hat und schon im Gründungsjahre Hunderttausende von Mitgliedern in allen Staaten der Union zählte. Er verfolgt an sich keine politischen Ziele, sondern strebt die Einigung der deutschen Bevölkerung zur Pflege der Muttersprache, des deutschen Gesangs, freundschaftlicher Be¬ ziehungen zum Mutterlande und die Unterstützung deutscher Schulen an. Eine wesentliche Förderung erfuhr er durch die Weltausstellung von Se. Louis im Jahre 1904, auf der nach dem allgemeinen Urteil Deutschland den größten Eindruck hinterlassen hat. Der „Deutsche Tag" zeigte am 6. Oktober in der Weltausstellung das Deutschtum der Vereinigten Staaten als geschlossene Ein¬ heit. Vor dem Deutschen Hause, bekanntlich einer Nachbildung des Schlosses in Charlottenburg, das auf der Ausstellung die Palme des Sieges davon¬ getragen hatte, sprachen die alten Führer der Deutschamerikaner, der inzwischen verstorbne Karl Schurz und sein Freund Dr. Pretorius, nach ihnen der Bot¬ schafter des Deutschen Reiches und der deutsche Reichskommissar der Welt¬ ausstellung zu einer ungeheuern Menge von Deutschen und Amerikanern. Die Weltausstellung war ein neuer Markstein auf dem Wege des Zusammen¬ schlusses der Deutschamerikaner und zugleich der Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Präsident Roosevelt besichtigte auch bei seinem Besuche der Weltausstellung am 26. Sep¬ tember als erstes Staatsgebäude das deutsche Haus. Er ist dank seiner Ab¬ stammung von den holländischen Ureinwandrern auf der Halbinsel Manhattan — jetzt Newyork — dem Nativismus der Neuengländer wenig zugänglich und wohl infolgedessen mehr veranlagt als jene, den Deutschen gerecht zu werden, vielleicht auch, weil er ihre Bedeutung bei den Wahlen empfunden hat. Wie sehr er die Gunst der Deutschamerikaner zu schätzen weiß, hat er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/617>, abgerufen am 25.08.2024.