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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

allmählich. Zuweilen gab es doch wieder Zuckungen. Erst 1878 beschloß der
Kongreß die Wiederaufnahme der Barzahlungen, jedoch behielt für den Privat-
verkehr das Papiergeld Zwangskurs. In gewissen Augenblicken war das
Vertrauen zu den Greenbacks doch wieder erschüttert. Das war, als die
Doppelwährungspartei entscheidenden Einfluß auf den Kongreß und auf die
Präsidentenwahl zu gewinnen schien. Sie wollte, daß jedermann das stark
entwertete Silber in vollberechtigte Dollars umprägen lassen könne, und daß
der Staat das Papiergeld in solchen minderwertigen Dollars einlöse. Wenn
sich die Aussichten des demokratischen Präsidentschaftkandidaten Bryan besserten,
eilte das Privatpublikum in Massen hin, um seine Greenbacks gegen Gold um¬
zutauschen. Jetzt zweifelt niemand an der Vollwertigkeit des Staatspapiergeldes.
Die amerikanische Regierung schwimmt im Gelde.

Von erleuchteten Fachmännern ist dem Kongreß einmal über das andre
die Notwendigkeit einer zentralen Notenbank mit alleinigem Notenausgaberecht
dargelegt worden. Von 1791 bis 1811 haben die Vereinigten Staaten eine
solche besessen; wenn sie auch ohne Notenmonopol war. so tat sie den Klein¬
bauten doch ernstlich Abbruch. Politische Leidenschaften brachten es mit sich,
daß die Bank schon damals einging, worauf dann der Weizen der kleinen
Zettelbanken blühte. Große Wirrnisse im Geldwesen veranlaßten 1816 die
Gründung einer zweiten Reichsbank, der Unitsä 8t,aw8 ebenfalls ohne
Notenmonopol. Auch dieser erneuerte man die 1837 ablaufende Ermächtigung
nicht. Man hielt sie für ein Werkzeug des wirtschaftlichen Übergewichts des
Nordens, und als deshalb die Partei des Südens, der Sklavenhalter, im
Besitz der Gewalt war, ließ sie die Bank eingehn. Seitdem hat es keine wieder
gegeben. Wenn man wieder an die Sache herangehn wollte, boten die Klein¬
bauten alles auf, um die in Aussicht stehende Neichsnotenbank als gemein¬
schädlich hinzustellen. Wenn man bedenkt, daß die Nationalbanken jährlich
Zwischen 70 und 80 Millionen Dollars Dividenden verteilen, so kann man sich
Wohl erklären, daß sie ihr Notenansgaberecht verteidigen. Weniger begreiflich
ist es. daß sich der Kongreß durch die Flausen der Banken irremachen läßt.

Eine solche Zentralbank mit dem Vorrecht alleiniger Notenausgabe hat
man in England. Holland, Belgien. Frankreich. Österreich-Ungarn, Skandinavien.
Rußland. Deutschland hat seine Neichsbcmk. neben der noch vier der ältern
mittelstaatlichen Banken ein unschädliches Dasein führen. Die Schmelz hat an
Stelle ihrer vielen Zettelbanken neuerdings eine eidgenössische Bank gegründet.
Italien ist allmählich bis auf drei Notenbanken zurückgekommen. Man kann
also sehr wohl sagen, daß alle europäischen Kulturstaaten das System der ein¬
heitlichen Reichsbank mit Notenmonopol angenommen haben. Die gleiche Ein¬
richtung hätte für Amerika den Vorteil, daß die Noten, gerade wie jetzt das
Staatspapiergeld, im ganzen Bereich der Vereinigten Staaten genommen würden.
Weit wichtiger wäre der Vorteil, daß diese Banknoten ohne Zwangskurs an
die Stelle des mit Zwangskurs ausgestatteten Staatspapiergeldes treten könnten.


Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

allmählich. Zuweilen gab es doch wieder Zuckungen. Erst 1878 beschloß der
Kongreß die Wiederaufnahme der Barzahlungen, jedoch behielt für den Privat-
verkehr das Papiergeld Zwangskurs. In gewissen Augenblicken war das
Vertrauen zu den Greenbacks doch wieder erschüttert. Das war, als die
Doppelwährungspartei entscheidenden Einfluß auf den Kongreß und auf die
Präsidentenwahl zu gewinnen schien. Sie wollte, daß jedermann das stark
entwertete Silber in vollberechtigte Dollars umprägen lassen könne, und daß
der Staat das Papiergeld in solchen minderwertigen Dollars einlöse. Wenn
sich die Aussichten des demokratischen Präsidentschaftkandidaten Bryan besserten,
eilte das Privatpublikum in Massen hin, um seine Greenbacks gegen Gold um¬
zutauschen. Jetzt zweifelt niemand an der Vollwertigkeit des Staatspapiergeldes.
Die amerikanische Regierung schwimmt im Gelde.

Von erleuchteten Fachmännern ist dem Kongreß einmal über das andre
die Notwendigkeit einer zentralen Notenbank mit alleinigem Notenausgaberecht
dargelegt worden. Von 1791 bis 1811 haben die Vereinigten Staaten eine
solche besessen; wenn sie auch ohne Notenmonopol war. so tat sie den Klein¬
bauten doch ernstlich Abbruch. Politische Leidenschaften brachten es mit sich,
daß die Bank schon damals einging, worauf dann der Weizen der kleinen
Zettelbanken blühte. Große Wirrnisse im Geldwesen veranlaßten 1816 die
Gründung einer zweiten Reichsbank, der Unitsä 8t,aw8 ebenfalls ohne
Notenmonopol. Auch dieser erneuerte man die 1837 ablaufende Ermächtigung
nicht. Man hielt sie für ein Werkzeug des wirtschaftlichen Übergewichts des
Nordens, und als deshalb die Partei des Südens, der Sklavenhalter, im
Besitz der Gewalt war, ließ sie die Bank eingehn. Seitdem hat es keine wieder
gegeben. Wenn man wieder an die Sache herangehn wollte, boten die Klein¬
bauten alles auf, um die in Aussicht stehende Neichsnotenbank als gemein¬
schädlich hinzustellen. Wenn man bedenkt, daß die Nationalbanken jährlich
Zwischen 70 und 80 Millionen Dollars Dividenden verteilen, so kann man sich
Wohl erklären, daß sie ihr Notenansgaberecht verteidigen. Weniger begreiflich
ist es. daß sich der Kongreß durch die Flausen der Banken irremachen läßt.

Eine solche Zentralbank mit dem Vorrecht alleiniger Notenausgabe hat
man in England. Holland, Belgien. Frankreich. Österreich-Ungarn, Skandinavien.
Rußland. Deutschland hat seine Neichsbcmk. neben der noch vier der ältern
mittelstaatlichen Banken ein unschädliches Dasein führen. Die Schmelz hat an
Stelle ihrer vielen Zettelbanken neuerdings eine eidgenössische Bank gegründet.
Italien ist allmählich bis auf drei Notenbanken zurückgekommen. Man kann
also sehr wohl sagen, daß alle europäischen Kulturstaaten das System der ein¬
heitlichen Reichsbank mit Notenmonopol angenommen haben. Die gleiche Ein¬
richtung hätte für Amerika den Vorteil, daß die Noten, gerade wie jetzt das
Staatspapiergeld, im ganzen Bereich der Vereinigten Staaten genommen würden.
Weit wichtiger wäre der Vorteil, daß diese Banknoten ohne Zwangskurs an
die Stelle des mit Zwangskurs ausgestatteten Staatspapiergeldes treten könnten.


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[0567] Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika allmählich. Zuweilen gab es doch wieder Zuckungen. Erst 1878 beschloß der Kongreß die Wiederaufnahme der Barzahlungen, jedoch behielt für den Privat- verkehr das Papiergeld Zwangskurs. In gewissen Augenblicken war das Vertrauen zu den Greenbacks doch wieder erschüttert. Das war, als die Doppelwährungspartei entscheidenden Einfluß auf den Kongreß und auf die Präsidentenwahl zu gewinnen schien. Sie wollte, daß jedermann das stark entwertete Silber in vollberechtigte Dollars umprägen lassen könne, und daß der Staat das Papiergeld in solchen minderwertigen Dollars einlöse. Wenn sich die Aussichten des demokratischen Präsidentschaftkandidaten Bryan besserten, eilte das Privatpublikum in Massen hin, um seine Greenbacks gegen Gold um¬ zutauschen. Jetzt zweifelt niemand an der Vollwertigkeit des Staatspapiergeldes. Die amerikanische Regierung schwimmt im Gelde. Von erleuchteten Fachmännern ist dem Kongreß einmal über das andre die Notwendigkeit einer zentralen Notenbank mit alleinigem Notenausgaberecht dargelegt worden. Von 1791 bis 1811 haben die Vereinigten Staaten eine solche besessen; wenn sie auch ohne Notenmonopol war. so tat sie den Klein¬ bauten doch ernstlich Abbruch. Politische Leidenschaften brachten es mit sich, daß die Bank schon damals einging, worauf dann der Weizen der kleinen Zettelbanken blühte. Große Wirrnisse im Geldwesen veranlaßten 1816 die Gründung einer zweiten Reichsbank, der Unitsä 8t,aw8 ebenfalls ohne Notenmonopol. Auch dieser erneuerte man die 1837 ablaufende Ermächtigung nicht. Man hielt sie für ein Werkzeug des wirtschaftlichen Übergewichts des Nordens, und als deshalb die Partei des Südens, der Sklavenhalter, im Besitz der Gewalt war, ließ sie die Bank eingehn. Seitdem hat es keine wieder gegeben. Wenn man wieder an die Sache herangehn wollte, boten die Klein¬ bauten alles auf, um die in Aussicht stehende Neichsnotenbank als gemein¬ schädlich hinzustellen. Wenn man bedenkt, daß die Nationalbanken jährlich Zwischen 70 und 80 Millionen Dollars Dividenden verteilen, so kann man sich Wohl erklären, daß sie ihr Notenansgaberecht verteidigen. Weniger begreiflich ist es. daß sich der Kongreß durch die Flausen der Banken irremachen läßt. Eine solche Zentralbank mit dem Vorrecht alleiniger Notenausgabe hat man in England. Holland, Belgien. Frankreich. Österreich-Ungarn, Skandinavien. Rußland. Deutschland hat seine Neichsbcmk. neben der noch vier der ältern mittelstaatlichen Banken ein unschädliches Dasein führen. Die Schmelz hat an Stelle ihrer vielen Zettelbanken neuerdings eine eidgenössische Bank gegründet. Italien ist allmählich bis auf drei Notenbanken zurückgekommen. Man kann also sehr wohl sagen, daß alle europäischen Kulturstaaten das System der ein¬ heitlichen Reichsbank mit Notenmonopol angenommen haben. Die gleiche Ein¬ richtung hätte für Amerika den Vorteil, daß die Noten, gerade wie jetzt das Staatspapiergeld, im ganzen Bereich der Vereinigten Staaten genommen würden. Weit wichtiger wäre der Vorteil, daß diese Banknoten ohne Zwangskurs an die Stelle des mit Zwangskurs ausgestatteten Staatspapiergeldes treten könnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/567>, abgerufen am 01.10.2024.