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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Recht am Titel, Vrden und Ehrenzeichen

eine passende Auswahl und die Fernhaltung ungeeigneter Elemente erschwert,
so haben in neuerer Zeit gewisse allgemein bekannte Beispiele schimpflichen
Verhaltens sonst angesehener und mit Auszeichnungen bedachter Personen die
Notwendigkeit spätern Widerrufs von Ehrenerweisungen zur Genüge dargetan,
indem nicht in allen Füllen auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt
worden war.

Der Übereinstimmung in den Ansichten über das Bedürfnis und die Ver¬
pflichtung des Staates, die verschiednen Gruppen der von ihm mit Titeln und
Orden usw. Beehrten vor dem Eindringen unwürdiger Mitglieder rein zu er¬
halten, entspricht nicht ein gleiches Einverständnis über die Mittel. Als solches
könnte zurzeit nur der als ungangbar erkannte Weg, das richterliche Urteil, in
Frage kommen. Ist für die Gegner des landesherrlichen Entziehungsrechts
hiermit die Sache erledigt, zur Ausübung dieses Rechts durch den Staat keine
geeignete Handhabe vorhanden, und somit der Unwürdige vor dem Verlust der
ihm nicht gebührenden Ehrenauszeichnung tatsächlich gesichert, so soll nunmehr
das Entziehungsrecht des Staatsoberhaupts gegenüber den aus Gründen des
materiellen Rechts erhobnen Einwendungen und damit zugleich seine heutige
Anwendbarkeit gerechtfertigt werden.

Zutreffend wird diese Befugnis nicht aus dem Verleihungsrecht des Landes¬
herrn hergeleitet. In Wahrheit gehen diese beiden Rechte nebeneinander her
und müssen auf die im öffentlichen Recht begründete Herrschergewalt des Mon¬
archen als ihre gemeinsame Quelle zurückgeführt werden. Somit fand von jeher
und findet noch jetzt die landesherrliche Entziehungsbefugnis als Attribut des
hvheitlichen Regierungsrechts einen festen Stützpunkt im objektiven Recht. Daß
aber dieses Hoheitsrecht -- ein integrierender Teil der Rechtsordnung -- im
Laufe der Zeit sein Ende gefunden oder eine Schmälerung erfahren habe, ist
nicht zu vermuten, vielmehr müßte von der Gegenseite dargetan werden, daß
und wodurch es beseitigt oder abgeschwächt worden sei. Veränderten Rechts¬
anschauungen, die sich gegen eine veraltete Einrichtung auflehnen, ist in dieser
Hinsicht kein bestimmender Einfluß zuzuschreiben; sie mögen das Bestreben einer
Umgestaltung auf gesetzlichem Wege rechtfertigen, können aber nicht ohne weiteres
hergebrachte und durch die Zeit geheiligte Rechte beseitigen.

Gegenüber dem Versuch, für diesen Beweis strafrechtliche Vorschriften zu
verwerten, kommt in Betracht, daß sich K32ff. des Strafgesetzbuchs nur über
den Verlust von Auszeichnungen und die Unfähigkeit zu ihrer Erlangung als
Folge der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte in den vom Strafgesetzbuch
selbst für hierzu geeignet erklärten Fällen verhalten. Dieses Gesetz hat nur be¬
stimmte Materien geregelt und die landesherrliche Entziehungsbefugnis in andern
Fällen weder ausgeschlossen noch eingeschränkt. Nebenbei bemerkt erscheint es
nicht zweifellos, ob überhaupt auf diesem Gebiete der staatliche Eingriff in be¬
stimmte Nechtsgüter, mag er noch so schwer empfunden werden, als peinliche
Strafe angesehn werden kann, da er jedenfalls nicht Ahndung einer Verletzung


Das Recht am Titel, Vrden und Ehrenzeichen

eine passende Auswahl und die Fernhaltung ungeeigneter Elemente erschwert,
so haben in neuerer Zeit gewisse allgemein bekannte Beispiele schimpflichen
Verhaltens sonst angesehener und mit Auszeichnungen bedachter Personen die
Notwendigkeit spätern Widerrufs von Ehrenerweisungen zur Genüge dargetan,
indem nicht in allen Füllen auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt
worden war.

Der Übereinstimmung in den Ansichten über das Bedürfnis und die Ver¬
pflichtung des Staates, die verschiednen Gruppen der von ihm mit Titeln und
Orden usw. Beehrten vor dem Eindringen unwürdiger Mitglieder rein zu er¬
halten, entspricht nicht ein gleiches Einverständnis über die Mittel. Als solches
könnte zurzeit nur der als ungangbar erkannte Weg, das richterliche Urteil, in
Frage kommen. Ist für die Gegner des landesherrlichen Entziehungsrechts
hiermit die Sache erledigt, zur Ausübung dieses Rechts durch den Staat keine
geeignete Handhabe vorhanden, und somit der Unwürdige vor dem Verlust der
ihm nicht gebührenden Ehrenauszeichnung tatsächlich gesichert, so soll nunmehr
das Entziehungsrecht des Staatsoberhaupts gegenüber den aus Gründen des
materiellen Rechts erhobnen Einwendungen und damit zugleich seine heutige
Anwendbarkeit gerechtfertigt werden.

Zutreffend wird diese Befugnis nicht aus dem Verleihungsrecht des Landes¬
herrn hergeleitet. In Wahrheit gehen diese beiden Rechte nebeneinander her
und müssen auf die im öffentlichen Recht begründete Herrschergewalt des Mon¬
archen als ihre gemeinsame Quelle zurückgeführt werden. Somit fand von jeher
und findet noch jetzt die landesherrliche Entziehungsbefugnis als Attribut des
hvheitlichen Regierungsrechts einen festen Stützpunkt im objektiven Recht. Daß
aber dieses Hoheitsrecht — ein integrierender Teil der Rechtsordnung — im
Laufe der Zeit sein Ende gefunden oder eine Schmälerung erfahren habe, ist
nicht zu vermuten, vielmehr müßte von der Gegenseite dargetan werden, daß
und wodurch es beseitigt oder abgeschwächt worden sei. Veränderten Rechts¬
anschauungen, die sich gegen eine veraltete Einrichtung auflehnen, ist in dieser
Hinsicht kein bestimmender Einfluß zuzuschreiben; sie mögen das Bestreben einer
Umgestaltung auf gesetzlichem Wege rechtfertigen, können aber nicht ohne weiteres
hergebrachte und durch die Zeit geheiligte Rechte beseitigen.

Gegenüber dem Versuch, für diesen Beweis strafrechtliche Vorschriften zu
verwerten, kommt in Betracht, daß sich K32ff. des Strafgesetzbuchs nur über
den Verlust von Auszeichnungen und die Unfähigkeit zu ihrer Erlangung als
Folge der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte in den vom Strafgesetzbuch
selbst für hierzu geeignet erklärten Fällen verhalten. Dieses Gesetz hat nur be¬
stimmte Materien geregelt und die landesherrliche Entziehungsbefugnis in andern
Fällen weder ausgeschlossen noch eingeschränkt. Nebenbei bemerkt erscheint es
nicht zweifellos, ob überhaupt auf diesem Gebiete der staatliche Eingriff in be¬
stimmte Nechtsgüter, mag er noch so schwer empfunden werden, als peinliche
Strafe angesehn werden kann, da er jedenfalls nicht Ahndung einer Verletzung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/413>, abgerufen am 25.08.2024.