Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Recht am Titel, <Z)rden und Ehrenzeichen

Wesentlich dieselben Erwägungen, die in den erwähnten Abhandlungen des Ver¬
fassers zum Ausdruck gebracht worden sind. Zugleich wurde dort die Rücksicht
auf den Landesherrn betont, die peinliche Lage, die für ihn aus der Zurück¬
nahme seines fürstlichen Wortes und aus der Notwendigkeit erwächst, dielleicht
ohne völlig sichere Grundlagen Entscheidungen treffen zu müssen, die -- nicht
allein bei den zunächst betroffnen -- tadelnden Urteilen ausgesetzt sind.
Schwerer als das Fehlen eingehender Bestimmungen über die zur Entziehung
leitenden Gründe fällt der Mangel eines geordneten Verfahrens ins Gewicht.
In erster Beziehung dürfte, wie in den Statuten des Königlichen Hausordens
von Hohenzollern, schon der Hinweis auf anstößigen Lebenswandel und Be-
tätigung unehrenhafter Gesinnung ausreichen, während neben der Verscigung
rechtlichen Gehörs auch noch die Ausschließung sachlicher Prüfung der An¬
schuldigung durch einen berufnen Anklüger, desgleichen die einer Verhandlung
im Beisein des Beschuldigten unter Zulassung von Rcchtsbeiständen zu ernsten
Bedenken Anlaß gibt.

Nicht minder bedenklich erscheint es, daß -- im Gegensatz zur Entziehung
der Rechte aus Privilegien wegen Mißbrauchs und aus dem Lehnsverbande
wegen Felonie -- hier die Entscheidung als einseitiger Verwaltungsakt des
Staatsoberhaupts ergeht. Vollkommen begründet ist nach alledem die Meinung,
daß solche Verhältnisse unbefriedigend seien und den herrschenden Anschauungen
wie den Grundsätzen des heutigen öffentlichen Rechts widersprächen. Auch wer
keinem Zweifel an dem äußern Bestände und der innern Berechtigung der
landesherrlichen Befugnis Raum gibt, muß das Bestreben als berechtigt an¬
erkennen, unter Ausschaltung der persönlichen Mitwirkung des Staatsoberhaupts
das im staatlichen Interesse nach wie vor zu verfolgende Ziel auf einem andern,
minder anfechtbaren Wege zu erreichen. Dem Glanz der Krone würde dadurch
ebensowenig Abbruch geschehen wie früher durch die gesetzlichen Vorschriften,
wonach die mit der Aberkennung der Ehrenrechte verbundn" Entziehung von
Titeln, Orden usw. den Strafgerichten, die Entziehung amtlicher Titel den
Disziplinarbehörden übertragen worden find.

Von andrer Seite, auch von Laband, wird nicht verkannt, daß dem Staate
für seine Zwecke das Recht zur Entziehung von Titeln, Orden usw. unent¬
behrlich sei, sowohl wegen Unwttrdigkeit als auch dann, "wenn die Verleihung
aus Irrtum, zum Beispiel infolge einer Namensverwechslung oder eines andern
Irrtums in der Person, erfolgt oder wenn sie von dem damit Bedachten durch
Angabe falscher Tatsachen oder Verschweigung erheblicher Umstände erschlichen
ist". In allen derartigen Füllen soll die Entziehung stattfinden können, jedoch nur
durch richterliches Urteil, in den Fällen der letzten Art "unter analoger, sach¬
gemäßer Anwendung der Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften
wegen Irrtums oder Betrugs". Wie man sich die rechtliche Natur und die
Durchsetzung dieser Ansprüche des Staates zu denken habe, wird nicht näher
angegeben, mithin erhebt sich -- sofern nicht vom Strafrichter gemäß dem


Das Recht am Titel, <Z)rden und Ehrenzeichen

Wesentlich dieselben Erwägungen, die in den erwähnten Abhandlungen des Ver¬
fassers zum Ausdruck gebracht worden sind. Zugleich wurde dort die Rücksicht
auf den Landesherrn betont, die peinliche Lage, die für ihn aus der Zurück¬
nahme seines fürstlichen Wortes und aus der Notwendigkeit erwächst, dielleicht
ohne völlig sichere Grundlagen Entscheidungen treffen zu müssen, die — nicht
allein bei den zunächst betroffnen — tadelnden Urteilen ausgesetzt sind.
Schwerer als das Fehlen eingehender Bestimmungen über die zur Entziehung
leitenden Gründe fällt der Mangel eines geordneten Verfahrens ins Gewicht.
In erster Beziehung dürfte, wie in den Statuten des Königlichen Hausordens
von Hohenzollern, schon der Hinweis auf anstößigen Lebenswandel und Be-
tätigung unehrenhafter Gesinnung ausreichen, während neben der Verscigung
rechtlichen Gehörs auch noch die Ausschließung sachlicher Prüfung der An¬
schuldigung durch einen berufnen Anklüger, desgleichen die einer Verhandlung
im Beisein des Beschuldigten unter Zulassung von Rcchtsbeiständen zu ernsten
Bedenken Anlaß gibt.

Nicht minder bedenklich erscheint es, daß — im Gegensatz zur Entziehung
der Rechte aus Privilegien wegen Mißbrauchs und aus dem Lehnsverbande
wegen Felonie — hier die Entscheidung als einseitiger Verwaltungsakt des
Staatsoberhaupts ergeht. Vollkommen begründet ist nach alledem die Meinung,
daß solche Verhältnisse unbefriedigend seien und den herrschenden Anschauungen
wie den Grundsätzen des heutigen öffentlichen Rechts widersprächen. Auch wer
keinem Zweifel an dem äußern Bestände und der innern Berechtigung der
landesherrlichen Befugnis Raum gibt, muß das Bestreben als berechtigt an¬
erkennen, unter Ausschaltung der persönlichen Mitwirkung des Staatsoberhaupts
das im staatlichen Interesse nach wie vor zu verfolgende Ziel auf einem andern,
minder anfechtbaren Wege zu erreichen. Dem Glanz der Krone würde dadurch
ebensowenig Abbruch geschehen wie früher durch die gesetzlichen Vorschriften,
wonach die mit der Aberkennung der Ehrenrechte verbundn« Entziehung von
Titeln, Orden usw. den Strafgerichten, die Entziehung amtlicher Titel den
Disziplinarbehörden übertragen worden find.

Von andrer Seite, auch von Laband, wird nicht verkannt, daß dem Staate
für seine Zwecke das Recht zur Entziehung von Titeln, Orden usw. unent¬
behrlich sei, sowohl wegen Unwttrdigkeit als auch dann, „wenn die Verleihung
aus Irrtum, zum Beispiel infolge einer Namensverwechslung oder eines andern
Irrtums in der Person, erfolgt oder wenn sie von dem damit Bedachten durch
Angabe falscher Tatsachen oder Verschweigung erheblicher Umstände erschlichen
ist". In allen derartigen Füllen soll die Entziehung stattfinden können, jedoch nur
durch richterliches Urteil, in den Fällen der letzten Art „unter analoger, sach¬
gemäßer Anwendung der Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften
wegen Irrtums oder Betrugs". Wie man sich die rechtliche Natur und die
Durchsetzung dieser Ansprüche des Staates zu denken habe, wird nicht näher
angegeben, mithin erhebt sich — sofern nicht vom Strafrichter gemäß dem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303827"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Recht am Titel, &lt;Z)rden und Ehrenzeichen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1810" prev="#ID_1809"> Wesentlich dieselben Erwägungen, die in den erwähnten Abhandlungen des Ver¬<lb/>
fassers zum Ausdruck gebracht worden sind. Zugleich wurde dort die Rücksicht<lb/>
auf den Landesherrn betont, die peinliche Lage, die für ihn aus der Zurück¬<lb/>
nahme seines fürstlichen Wortes und aus der Notwendigkeit erwächst, dielleicht<lb/>
ohne völlig sichere Grundlagen Entscheidungen treffen zu müssen, die &#x2014; nicht<lb/>
allein bei den zunächst betroffnen &#x2014; tadelnden Urteilen ausgesetzt sind.<lb/>
Schwerer als das Fehlen eingehender Bestimmungen über die zur Entziehung<lb/>
leitenden Gründe fällt der Mangel eines geordneten Verfahrens ins Gewicht.<lb/>
In erster Beziehung dürfte, wie in den Statuten des Königlichen Hausordens<lb/>
von Hohenzollern, schon der Hinweis auf anstößigen Lebenswandel und Be-<lb/>
tätigung unehrenhafter Gesinnung ausreichen, während neben der Verscigung<lb/>
rechtlichen Gehörs auch noch die Ausschließung sachlicher Prüfung der An¬<lb/>
schuldigung durch einen berufnen Anklüger, desgleichen die einer Verhandlung<lb/>
im Beisein des Beschuldigten unter Zulassung von Rcchtsbeiständen zu ernsten<lb/>
Bedenken Anlaß gibt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1811"> Nicht minder bedenklich erscheint es, daß &#x2014; im Gegensatz zur Entziehung<lb/>
der Rechte aus Privilegien wegen Mißbrauchs und aus dem Lehnsverbande<lb/>
wegen Felonie &#x2014; hier die Entscheidung als einseitiger Verwaltungsakt des<lb/>
Staatsoberhaupts ergeht. Vollkommen begründet ist nach alledem die Meinung,<lb/>
daß solche Verhältnisse unbefriedigend seien und den herrschenden Anschauungen<lb/>
wie den Grundsätzen des heutigen öffentlichen Rechts widersprächen. Auch wer<lb/>
keinem Zweifel an dem äußern Bestände und der innern Berechtigung der<lb/>
landesherrlichen Befugnis Raum gibt, muß das Bestreben als berechtigt an¬<lb/>
erkennen, unter Ausschaltung der persönlichen Mitwirkung des Staatsoberhaupts<lb/>
das im staatlichen Interesse nach wie vor zu verfolgende Ziel auf einem andern,<lb/>
minder anfechtbaren Wege zu erreichen. Dem Glanz der Krone würde dadurch<lb/>
ebensowenig Abbruch geschehen wie früher durch die gesetzlichen Vorschriften,<lb/>
wonach die mit der Aberkennung der Ehrenrechte verbundn« Entziehung von<lb/>
Titeln, Orden usw. den Strafgerichten, die Entziehung amtlicher Titel den<lb/>
Disziplinarbehörden übertragen worden find.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1812" next="#ID_1813"> Von andrer Seite, auch von Laband, wird nicht verkannt, daß dem Staate<lb/>
für seine Zwecke das Recht zur Entziehung von Titeln, Orden usw. unent¬<lb/>
behrlich sei, sowohl wegen Unwttrdigkeit als auch dann, &#x201E;wenn die Verleihung<lb/>
aus Irrtum, zum Beispiel infolge einer Namensverwechslung oder eines andern<lb/>
Irrtums in der Person, erfolgt oder wenn sie von dem damit Bedachten durch<lb/>
Angabe falscher Tatsachen oder Verschweigung erheblicher Umstände erschlichen<lb/>
ist". In allen derartigen Füllen soll die Entziehung stattfinden können, jedoch nur<lb/>
durch richterliches Urteil, in den Fällen der letzten Art &#x201E;unter analoger, sach¬<lb/>
gemäßer Anwendung der Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften<lb/>
wegen Irrtums oder Betrugs". Wie man sich die rechtliche Natur und die<lb/>
Durchsetzung dieser Ansprüche des Staates zu denken habe, wird nicht näher<lb/>
angegeben, mithin erhebt sich &#x2014; sofern nicht vom Strafrichter gemäß dem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0411] Das Recht am Titel, <Z)rden und Ehrenzeichen Wesentlich dieselben Erwägungen, die in den erwähnten Abhandlungen des Ver¬ fassers zum Ausdruck gebracht worden sind. Zugleich wurde dort die Rücksicht auf den Landesherrn betont, die peinliche Lage, die für ihn aus der Zurück¬ nahme seines fürstlichen Wortes und aus der Notwendigkeit erwächst, dielleicht ohne völlig sichere Grundlagen Entscheidungen treffen zu müssen, die — nicht allein bei den zunächst betroffnen — tadelnden Urteilen ausgesetzt sind. Schwerer als das Fehlen eingehender Bestimmungen über die zur Entziehung leitenden Gründe fällt der Mangel eines geordneten Verfahrens ins Gewicht. In erster Beziehung dürfte, wie in den Statuten des Königlichen Hausordens von Hohenzollern, schon der Hinweis auf anstößigen Lebenswandel und Be- tätigung unehrenhafter Gesinnung ausreichen, während neben der Verscigung rechtlichen Gehörs auch noch die Ausschließung sachlicher Prüfung der An¬ schuldigung durch einen berufnen Anklüger, desgleichen die einer Verhandlung im Beisein des Beschuldigten unter Zulassung von Rcchtsbeiständen zu ernsten Bedenken Anlaß gibt. Nicht minder bedenklich erscheint es, daß — im Gegensatz zur Entziehung der Rechte aus Privilegien wegen Mißbrauchs und aus dem Lehnsverbande wegen Felonie — hier die Entscheidung als einseitiger Verwaltungsakt des Staatsoberhaupts ergeht. Vollkommen begründet ist nach alledem die Meinung, daß solche Verhältnisse unbefriedigend seien und den herrschenden Anschauungen wie den Grundsätzen des heutigen öffentlichen Rechts widersprächen. Auch wer keinem Zweifel an dem äußern Bestände und der innern Berechtigung der landesherrlichen Befugnis Raum gibt, muß das Bestreben als berechtigt an¬ erkennen, unter Ausschaltung der persönlichen Mitwirkung des Staatsoberhaupts das im staatlichen Interesse nach wie vor zu verfolgende Ziel auf einem andern, minder anfechtbaren Wege zu erreichen. Dem Glanz der Krone würde dadurch ebensowenig Abbruch geschehen wie früher durch die gesetzlichen Vorschriften, wonach die mit der Aberkennung der Ehrenrechte verbundn« Entziehung von Titeln, Orden usw. den Strafgerichten, die Entziehung amtlicher Titel den Disziplinarbehörden übertragen worden find. Von andrer Seite, auch von Laband, wird nicht verkannt, daß dem Staate für seine Zwecke das Recht zur Entziehung von Titeln, Orden usw. unent¬ behrlich sei, sowohl wegen Unwttrdigkeit als auch dann, „wenn die Verleihung aus Irrtum, zum Beispiel infolge einer Namensverwechslung oder eines andern Irrtums in der Person, erfolgt oder wenn sie von dem damit Bedachten durch Angabe falscher Tatsachen oder Verschweigung erheblicher Umstände erschlichen ist". In allen derartigen Füllen soll die Entziehung stattfinden können, jedoch nur durch richterliches Urteil, in den Fällen der letzten Art „unter analoger, sach¬ gemäßer Anwendung der Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften wegen Irrtums oder Betrugs". Wie man sich die rechtliche Natur und die Durchsetzung dieser Ansprüche des Staates zu denken habe, wird nicht näher angegeben, mithin erhebt sich — sofern nicht vom Strafrichter gemäß dem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/411
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/411>, abgerufen am 23.07.2024.