Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
windthorst

strammes selbstherrliches Regiment zu führen, und hob die Verfassung auf.
Der Protest der Göttinger Sieben war nur eine der vielen Rechtsverwahrungen,
die besonders von Städten ausgingen. Klagen beim Bundestag blieben
erfolglos. Der König setzte, unterstützt vom Adel, in einer nach der Wahl¬
ordnung von 1819 gewählten Ständeversammlung 1840 ein nach seinen
Wünschen zugeschnittnes Landgrundgesetz durch. "Sein Hauptziel war dabei,
die Verwaltung der Domänen, die vom gesamten Grundbesitz im Königreiche
etwa ein Fünftel betrugen, der ihm lästigen Finanzkontrolle der Stände zu
entziehen und sie königlichen Beamten, die nur ihm verantwortlich sein sollten,
zu übertragen." Natürlich erzeugte diese Reaktion eine Unzufriedenheit im
Lande, die 1848 leicht gefährlich werden konnte, und der König, der bei aller
Selbstherrlichkeit klug war, beugte Revolten dadurch vor, daß er sich über¬
wand, den Schöpfer der Verfassung von 1833 und dermaligen Führer der Oppo¬
sition, Oberbürgermeister Stüve, mit der Leitung der Staatsgeschäfte betraute
und so die Volksbewegung in die Bahn gesetzlicher Reformen lenkte. Durch
das Zusammenwirken aller Berechtigten kam die neue Verfassung zustande.
Windthorst zeigte sich gleich hier als den, der er zeitlebens geblieben ist: den
Verteidiger des strengen Rechts gegen alle Angriffe von rechts wie von links,
was ihm natürlich die entgegengesetztesten Vorwürfe zuzog. Im allgemeinen
unterstützte er das Ministerium des ihm gesinuungsverwaudten Stüve. Als er
die Zurücknahme des Mehrheitsbeschlusses, das Jagdrecht ohne Entschädigung
aufzuheben, durchgesetzt hatte, drückte ihm Stüve die Hand und sagte: "Mit
diesem Beschluß ist die Ehre Hannovers gerettet. Es ist damit bewiesen, daß
es in Hannover nicht möglich gewesen ist, ein Recht zu beseitigen ohne Ent¬
schädigung." Ein Führer der damaligen Opposition, Oppermann, machte
darauf aufmerksam, daß zwar der offizielle Leiter der Regierungspartei Meyer
heiße, daß aber der eigentliche Führer und Organisator, der ihr eine von der
Opposition nicht erreichte Konsistenz verleihe, Windthorst sei. Die Streitig¬
keiten über die Kaiserfrage veranlaßten 1849 die Auflösung der Kammer.
Die Neuwahl im August brachte dieselben Männer wieder, die Frage der
Neuordnung Deutschlands blieb auf der Tagesordnung, und Windthorst bekam
bald Gelegenheit, seinen großdeutschen Standpunkt zu verteidigen und seine
Liebe zu Österreich zu bekunden. Die Frankfurter Nationalversammlung, be¬
merkte er u. a., habe darum scheitern müssen, weil sie den Weg des Rechts
verlassen habe. Angenommen wurde sein Antrag, die königliche Regierung
zu ersuchen, dahin zu wirken, "daß baldtunlichst nach einem das Vertrauen
des deutschen Volkes erweckenden Wahlgesetze eine Vertretung desselben von
den Regierungen berufen und von diesen mit der also berufnen Volksver¬
tretung die Verfassung Deutschlands vereinbart werde". Er schloß mit den
Worten: "Mögen Österreich und Preußen sich vergegenwärtigen, daß nur in
engster Eintracht das Heil zu finden ist; mögen aber auch die Völker be¬
denken, daß Maß und Ziel gehalten werden müsse, daß ihre Wünsche und


windthorst

strammes selbstherrliches Regiment zu führen, und hob die Verfassung auf.
Der Protest der Göttinger Sieben war nur eine der vielen Rechtsverwahrungen,
die besonders von Städten ausgingen. Klagen beim Bundestag blieben
erfolglos. Der König setzte, unterstützt vom Adel, in einer nach der Wahl¬
ordnung von 1819 gewählten Ständeversammlung 1840 ein nach seinen
Wünschen zugeschnittnes Landgrundgesetz durch. „Sein Hauptziel war dabei,
die Verwaltung der Domänen, die vom gesamten Grundbesitz im Königreiche
etwa ein Fünftel betrugen, der ihm lästigen Finanzkontrolle der Stände zu
entziehen und sie königlichen Beamten, die nur ihm verantwortlich sein sollten,
zu übertragen." Natürlich erzeugte diese Reaktion eine Unzufriedenheit im
Lande, die 1848 leicht gefährlich werden konnte, und der König, der bei aller
Selbstherrlichkeit klug war, beugte Revolten dadurch vor, daß er sich über¬
wand, den Schöpfer der Verfassung von 1833 und dermaligen Führer der Oppo¬
sition, Oberbürgermeister Stüve, mit der Leitung der Staatsgeschäfte betraute
und so die Volksbewegung in die Bahn gesetzlicher Reformen lenkte. Durch
das Zusammenwirken aller Berechtigten kam die neue Verfassung zustande.
Windthorst zeigte sich gleich hier als den, der er zeitlebens geblieben ist: den
Verteidiger des strengen Rechts gegen alle Angriffe von rechts wie von links,
was ihm natürlich die entgegengesetztesten Vorwürfe zuzog. Im allgemeinen
unterstützte er das Ministerium des ihm gesinuungsverwaudten Stüve. Als er
die Zurücknahme des Mehrheitsbeschlusses, das Jagdrecht ohne Entschädigung
aufzuheben, durchgesetzt hatte, drückte ihm Stüve die Hand und sagte: „Mit
diesem Beschluß ist die Ehre Hannovers gerettet. Es ist damit bewiesen, daß
es in Hannover nicht möglich gewesen ist, ein Recht zu beseitigen ohne Ent¬
schädigung." Ein Führer der damaligen Opposition, Oppermann, machte
darauf aufmerksam, daß zwar der offizielle Leiter der Regierungspartei Meyer
heiße, daß aber der eigentliche Führer und Organisator, der ihr eine von der
Opposition nicht erreichte Konsistenz verleihe, Windthorst sei. Die Streitig¬
keiten über die Kaiserfrage veranlaßten 1849 die Auflösung der Kammer.
Die Neuwahl im August brachte dieselben Männer wieder, die Frage der
Neuordnung Deutschlands blieb auf der Tagesordnung, und Windthorst bekam
bald Gelegenheit, seinen großdeutschen Standpunkt zu verteidigen und seine
Liebe zu Österreich zu bekunden. Die Frankfurter Nationalversammlung, be¬
merkte er u. a., habe darum scheitern müssen, weil sie den Weg des Rechts
verlassen habe. Angenommen wurde sein Antrag, die königliche Regierung
zu ersuchen, dahin zu wirken, „daß baldtunlichst nach einem das Vertrauen
des deutschen Volkes erweckenden Wahlgesetze eine Vertretung desselben von
den Regierungen berufen und von diesen mit der also berufnen Volksver¬
tretung die Verfassung Deutschlands vereinbart werde". Er schloß mit den
Worten: „Mögen Österreich und Preußen sich vergegenwärtigen, daß nur in
engster Eintracht das Heil zu finden ist; mögen aber auch die Völker be¬
denken, daß Maß und Ziel gehalten werden müsse, daß ihre Wünsche und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0349" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303765"/>
          <fw type="header" place="top"> windthorst</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1553" prev="#ID_1552" next="#ID_1554"> strammes selbstherrliches Regiment zu führen, und hob die Verfassung auf.<lb/>
Der Protest der Göttinger Sieben war nur eine der vielen Rechtsverwahrungen,<lb/>
die besonders von Städten ausgingen. Klagen beim Bundestag blieben<lb/>
erfolglos. Der König setzte, unterstützt vom Adel, in einer nach der Wahl¬<lb/>
ordnung von 1819 gewählten Ständeversammlung 1840 ein nach seinen<lb/>
Wünschen zugeschnittnes Landgrundgesetz durch. &#x201E;Sein Hauptziel war dabei,<lb/>
die Verwaltung der Domänen, die vom gesamten Grundbesitz im Königreiche<lb/>
etwa ein Fünftel betrugen, der ihm lästigen Finanzkontrolle der Stände zu<lb/>
entziehen und sie königlichen Beamten, die nur ihm verantwortlich sein sollten,<lb/>
zu übertragen." Natürlich erzeugte diese Reaktion eine Unzufriedenheit im<lb/>
Lande, die 1848 leicht gefährlich werden konnte, und der König, der bei aller<lb/>
Selbstherrlichkeit klug war, beugte Revolten dadurch vor, daß er sich über¬<lb/>
wand, den Schöpfer der Verfassung von 1833 und dermaligen Führer der Oppo¬<lb/>
sition, Oberbürgermeister Stüve, mit der Leitung der Staatsgeschäfte betraute<lb/>
und so die Volksbewegung in die Bahn gesetzlicher Reformen lenkte. Durch<lb/>
das Zusammenwirken aller Berechtigten kam die neue Verfassung zustande.<lb/>
Windthorst zeigte sich gleich hier als den, der er zeitlebens geblieben ist: den<lb/>
Verteidiger des strengen Rechts gegen alle Angriffe von rechts wie von links,<lb/>
was ihm natürlich die entgegengesetztesten Vorwürfe zuzog. Im allgemeinen<lb/>
unterstützte er das Ministerium des ihm gesinuungsverwaudten Stüve. Als er<lb/>
die Zurücknahme des Mehrheitsbeschlusses, das Jagdrecht ohne Entschädigung<lb/>
aufzuheben, durchgesetzt hatte, drückte ihm Stüve die Hand und sagte: &#x201E;Mit<lb/>
diesem Beschluß ist die Ehre Hannovers gerettet. Es ist damit bewiesen, daß<lb/>
es in Hannover nicht möglich gewesen ist, ein Recht zu beseitigen ohne Ent¬<lb/>
schädigung." Ein Führer der damaligen Opposition, Oppermann, machte<lb/>
darauf aufmerksam, daß zwar der offizielle Leiter der Regierungspartei Meyer<lb/>
heiße, daß aber der eigentliche Führer und Organisator, der ihr eine von der<lb/>
Opposition nicht erreichte Konsistenz verleihe, Windthorst sei. Die Streitig¬<lb/>
keiten über die Kaiserfrage veranlaßten 1849 die Auflösung der Kammer.<lb/>
Die Neuwahl im August brachte dieselben Männer wieder, die Frage der<lb/>
Neuordnung Deutschlands blieb auf der Tagesordnung, und Windthorst bekam<lb/>
bald Gelegenheit, seinen großdeutschen Standpunkt zu verteidigen und seine<lb/>
Liebe zu Österreich zu bekunden. Die Frankfurter Nationalversammlung, be¬<lb/>
merkte er u. a., habe darum scheitern müssen, weil sie den Weg des Rechts<lb/>
verlassen habe. Angenommen wurde sein Antrag, die königliche Regierung<lb/>
zu ersuchen, dahin zu wirken, &#x201E;daß baldtunlichst nach einem das Vertrauen<lb/>
des deutschen Volkes erweckenden Wahlgesetze eine Vertretung desselben von<lb/>
den Regierungen berufen und von diesen mit der also berufnen Volksver¬<lb/>
tretung die Verfassung Deutschlands vereinbart werde". Er schloß mit den<lb/>
Worten: &#x201E;Mögen Österreich und Preußen sich vergegenwärtigen, daß nur in<lb/>
engster Eintracht das Heil zu finden ist; mögen aber auch die Völker be¬<lb/>
denken, daß Maß und Ziel gehalten werden müsse, daß ihre Wünsche und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0349] windthorst strammes selbstherrliches Regiment zu führen, und hob die Verfassung auf. Der Protest der Göttinger Sieben war nur eine der vielen Rechtsverwahrungen, die besonders von Städten ausgingen. Klagen beim Bundestag blieben erfolglos. Der König setzte, unterstützt vom Adel, in einer nach der Wahl¬ ordnung von 1819 gewählten Ständeversammlung 1840 ein nach seinen Wünschen zugeschnittnes Landgrundgesetz durch. „Sein Hauptziel war dabei, die Verwaltung der Domänen, die vom gesamten Grundbesitz im Königreiche etwa ein Fünftel betrugen, der ihm lästigen Finanzkontrolle der Stände zu entziehen und sie königlichen Beamten, die nur ihm verantwortlich sein sollten, zu übertragen." Natürlich erzeugte diese Reaktion eine Unzufriedenheit im Lande, die 1848 leicht gefährlich werden konnte, und der König, der bei aller Selbstherrlichkeit klug war, beugte Revolten dadurch vor, daß er sich über¬ wand, den Schöpfer der Verfassung von 1833 und dermaligen Führer der Oppo¬ sition, Oberbürgermeister Stüve, mit der Leitung der Staatsgeschäfte betraute und so die Volksbewegung in die Bahn gesetzlicher Reformen lenkte. Durch das Zusammenwirken aller Berechtigten kam die neue Verfassung zustande. Windthorst zeigte sich gleich hier als den, der er zeitlebens geblieben ist: den Verteidiger des strengen Rechts gegen alle Angriffe von rechts wie von links, was ihm natürlich die entgegengesetztesten Vorwürfe zuzog. Im allgemeinen unterstützte er das Ministerium des ihm gesinuungsverwaudten Stüve. Als er die Zurücknahme des Mehrheitsbeschlusses, das Jagdrecht ohne Entschädigung aufzuheben, durchgesetzt hatte, drückte ihm Stüve die Hand und sagte: „Mit diesem Beschluß ist die Ehre Hannovers gerettet. Es ist damit bewiesen, daß es in Hannover nicht möglich gewesen ist, ein Recht zu beseitigen ohne Ent¬ schädigung." Ein Führer der damaligen Opposition, Oppermann, machte darauf aufmerksam, daß zwar der offizielle Leiter der Regierungspartei Meyer heiße, daß aber der eigentliche Führer und Organisator, der ihr eine von der Opposition nicht erreichte Konsistenz verleihe, Windthorst sei. Die Streitig¬ keiten über die Kaiserfrage veranlaßten 1849 die Auflösung der Kammer. Die Neuwahl im August brachte dieselben Männer wieder, die Frage der Neuordnung Deutschlands blieb auf der Tagesordnung, und Windthorst bekam bald Gelegenheit, seinen großdeutschen Standpunkt zu verteidigen und seine Liebe zu Österreich zu bekunden. Die Frankfurter Nationalversammlung, be¬ merkte er u. a., habe darum scheitern müssen, weil sie den Weg des Rechts verlassen habe. Angenommen wurde sein Antrag, die königliche Regierung zu ersuchen, dahin zu wirken, „daß baldtunlichst nach einem das Vertrauen des deutschen Volkes erweckenden Wahlgesetze eine Vertretung desselben von den Regierungen berufen und von diesen mit der also berufnen Volksver¬ tretung die Verfassung Deutschlands vereinbart werde". Er schloß mit den Worten: „Mögen Österreich und Preußen sich vergegenwärtigen, daß nur in engster Eintracht das Heil zu finden ist; mögen aber auch die Völker be¬ denken, daß Maß und Ziel gehalten werden müsse, daß ihre Wünsche und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/349
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/349>, abgerufen am 03.07.2024.