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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Betrachtungen zu den Aaisermanövern von ^9^?

verschiednen Systeme für uns den gangbarsten und nutzbringendsten Weg zur
Praxis des lenkbarem Luftschiffes bedeutet. Übrigens ist bis jetzt noch keine
andre Armee in der Lage gewesen, einen lenkbarem Ballon bei den Herbst¬
übungen in Gebrauch zu nehmen, sodaß hierin von einem bedeutenden Vorsprung
bei unsern Nachbarn oder Freunden und Verbündeten nicht gut die Rede sein
kann. In Italien, Österreich und Rußland hat man noch nicht einmal ernst¬
hafte Versuche mit lenkbarem Luftschiffer gemacht, und der in England kürzlich
erprobte Militärballon hat trotz aller günstigen Berichte von offizieller Stelle
in Wirklichkeit nicht befriedigt. Und was endlich Frankreich anlangt, so hat
es allerdings die beiden Lebaudyballons. Davon ist aber der eine nur für
Ausbildungszwecke der Luftschiffertruppe bestimmt und liegt dazu im Luft-
schifferpark Meudon bereit, und Patrie, der zweite Ballon vom Lebaudysystem,
wird zurzeit umgebaut. Er konnte deshalb auch nicht, wie ursprünglich von
der Heeresverwaltung beabsichtigt worden war, an der im September bei Verdun
veranstalteten Festungsübung teilnehmen. Ebensowenig ist die Nachricht zu¬
treffend, daß die Franzosen bei ihren jüngsten kriegerischen Unternehmungen
vor Casabianca lenkbare Ballons mitgeführt haben. Sicherlich wäre das eine
vortreffliche Gelegenheit gewesen, diese neusten technischen Hilfsmittel der Krieg¬
führung auf ihre kriegsmüßige Verwendbarkeit zu prüfen, und man hat es in
Paris sicherlich sehr bedauert, dem General Drude kein dazu bereites Material
zur Verfügung stellen zu können. Das Expeditionskorps mußte sich mit dem
Fesselballon begnügen, der gute Dienste bei der Aufklärung geleistet haben soll.

Wie in den beiden vorjährigen Kaisermanövern hat auch diesmal wieder das
Freiwillige Automobilkorps vortrefflich seinen Platz ausgefüllt. Zweiund¬
zwanzig Herren waren mit ihren Wagen auf die Oberleitung und die beiden
Parteien verteilt und haben den nicht leichten Dienst zu voller Zufriedenheit
ihrer Auftraggeber getan. Das Freiwillige Automobilkorps bildet sich auf diese
Weise immer mehr zu einer wichtigen und vollwertigen Ergänzung unsrer modernen
militärischen Organisation aus. Übrigens sind nicht etwa alle Mitglieder des
Kaiserlichen Automobilklubs auch Angehörige des Freiwilligen Automobilkorps.
In dieses werden vielmehr nur die Klubmitglieder eingestellt, die sich verpflichten,
im Kriegsfalle unbeschränkt, in Friedenszeiten innerhalb von vier aufeinander¬
folgenden Jahren mindestens drei Dienstleistungen von je zehn Tagen zu über¬
nehmen. Auch sonst werden große Opfer von den Angehörigen des Korps
verlangt: sie haben ihre Uniform, die sie gegenüber den Militärpersonen als
im Dienst des Heeres stehend kennzeichnet, sich selbst anzuschaffen, ferner für
ihre Ausrüstung, ihre Maschine, ihren Chauffeur, ihre Equipierung selbst zu
sorgen. Der Staat weist ihnen nur eine geringe Entschädigung zu, die ungefähr
dem Satz entspricht, den er an requirierte gewöhnliche Fuhrwerke zu zahlen
haben würde.

Aber nicht nur bei uns, sondern auch bei andern Heeren findet sich die
Einrichtung freiwilliger Automobilkorps oder ähnlicher Organisationen, die


Betrachtungen zu den Aaisermanövern von ^9^?

verschiednen Systeme für uns den gangbarsten und nutzbringendsten Weg zur
Praxis des lenkbarem Luftschiffes bedeutet. Übrigens ist bis jetzt noch keine
andre Armee in der Lage gewesen, einen lenkbarem Ballon bei den Herbst¬
übungen in Gebrauch zu nehmen, sodaß hierin von einem bedeutenden Vorsprung
bei unsern Nachbarn oder Freunden und Verbündeten nicht gut die Rede sein
kann. In Italien, Österreich und Rußland hat man noch nicht einmal ernst¬
hafte Versuche mit lenkbarem Luftschiffer gemacht, und der in England kürzlich
erprobte Militärballon hat trotz aller günstigen Berichte von offizieller Stelle
in Wirklichkeit nicht befriedigt. Und was endlich Frankreich anlangt, so hat
es allerdings die beiden Lebaudyballons. Davon ist aber der eine nur für
Ausbildungszwecke der Luftschiffertruppe bestimmt und liegt dazu im Luft-
schifferpark Meudon bereit, und Patrie, der zweite Ballon vom Lebaudysystem,
wird zurzeit umgebaut. Er konnte deshalb auch nicht, wie ursprünglich von
der Heeresverwaltung beabsichtigt worden war, an der im September bei Verdun
veranstalteten Festungsübung teilnehmen. Ebensowenig ist die Nachricht zu¬
treffend, daß die Franzosen bei ihren jüngsten kriegerischen Unternehmungen
vor Casabianca lenkbare Ballons mitgeführt haben. Sicherlich wäre das eine
vortreffliche Gelegenheit gewesen, diese neusten technischen Hilfsmittel der Krieg¬
führung auf ihre kriegsmüßige Verwendbarkeit zu prüfen, und man hat es in
Paris sicherlich sehr bedauert, dem General Drude kein dazu bereites Material
zur Verfügung stellen zu können. Das Expeditionskorps mußte sich mit dem
Fesselballon begnügen, der gute Dienste bei der Aufklärung geleistet haben soll.

Wie in den beiden vorjährigen Kaisermanövern hat auch diesmal wieder das
Freiwillige Automobilkorps vortrefflich seinen Platz ausgefüllt. Zweiund¬
zwanzig Herren waren mit ihren Wagen auf die Oberleitung und die beiden
Parteien verteilt und haben den nicht leichten Dienst zu voller Zufriedenheit
ihrer Auftraggeber getan. Das Freiwillige Automobilkorps bildet sich auf diese
Weise immer mehr zu einer wichtigen und vollwertigen Ergänzung unsrer modernen
militärischen Organisation aus. Übrigens sind nicht etwa alle Mitglieder des
Kaiserlichen Automobilklubs auch Angehörige des Freiwilligen Automobilkorps.
In dieses werden vielmehr nur die Klubmitglieder eingestellt, die sich verpflichten,
im Kriegsfalle unbeschränkt, in Friedenszeiten innerhalb von vier aufeinander¬
folgenden Jahren mindestens drei Dienstleistungen von je zehn Tagen zu über¬
nehmen. Auch sonst werden große Opfer von den Angehörigen des Korps
verlangt: sie haben ihre Uniform, die sie gegenüber den Militärpersonen als
im Dienst des Heeres stehend kennzeichnet, sich selbst anzuschaffen, ferner für
ihre Ausrüstung, ihre Maschine, ihren Chauffeur, ihre Equipierung selbst zu
sorgen. Der Staat weist ihnen nur eine geringe Entschädigung zu, die ungefähr
dem Satz entspricht, den er an requirierte gewöhnliche Fuhrwerke zu zahlen
haben würde.

Aber nicht nur bei uns, sondern auch bei andern Heeren findet sich die
Einrichtung freiwilliger Automobilkorps oder ähnlicher Organisationen, die


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[0234] Betrachtungen zu den Aaisermanövern von ^9^? verschiednen Systeme für uns den gangbarsten und nutzbringendsten Weg zur Praxis des lenkbarem Luftschiffes bedeutet. Übrigens ist bis jetzt noch keine andre Armee in der Lage gewesen, einen lenkbarem Ballon bei den Herbst¬ übungen in Gebrauch zu nehmen, sodaß hierin von einem bedeutenden Vorsprung bei unsern Nachbarn oder Freunden und Verbündeten nicht gut die Rede sein kann. In Italien, Österreich und Rußland hat man noch nicht einmal ernst¬ hafte Versuche mit lenkbarem Luftschiffer gemacht, und der in England kürzlich erprobte Militärballon hat trotz aller günstigen Berichte von offizieller Stelle in Wirklichkeit nicht befriedigt. Und was endlich Frankreich anlangt, so hat es allerdings die beiden Lebaudyballons. Davon ist aber der eine nur für Ausbildungszwecke der Luftschiffertruppe bestimmt und liegt dazu im Luft- schifferpark Meudon bereit, und Patrie, der zweite Ballon vom Lebaudysystem, wird zurzeit umgebaut. Er konnte deshalb auch nicht, wie ursprünglich von der Heeresverwaltung beabsichtigt worden war, an der im September bei Verdun veranstalteten Festungsübung teilnehmen. Ebensowenig ist die Nachricht zu¬ treffend, daß die Franzosen bei ihren jüngsten kriegerischen Unternehmungen vor Casabianca lenkbare Ballons mitgeführt haben. Sicherlich wäre das eine vortreffliche Gelegenheit gewesen, diese neusten technischen Hilfsmittel der Krieg¬ führung auf ihre kriegsmüßige Verwendbarkeit zu prüfen, und man hat es in Paris sicherlich sehr bedauert, dem General Drude kein dazu bereites Material zur Verfügung stellen zu können. Das Expeditionskorps mußte sich mit dem Fesselballon begnügen, der gute Dienste bei der Aufklärung geleistet haben soll. Wie in den beiden vorjährigen Kaisermanövern hat auch diesmal wieder das Freiwillige Automobilkorps vortrefflich seinen Platz ausgefüllt. Zweiund¬ zwanzig Herren waren mit ihren Wagen auf die Oberleitung und die beiden Parteien verteilt und haben den nicht leichten Dienst zu voller Zufriedenheit ihrer Auftraggeber getan. Das Freiwillige Automobilkorps bildet sich auf diese Weise immer mehr zu einer wichtigen und vollwertigen Ergänzung unsrer modernen militärischen Organisation aus. Übrigens sind nicht etwa alle Mitglieder des Kaiserlichen Automobilklubs auch Angehörige des Freiwilligen Automobilkorps. In dieses werden vielmehr nur die Klubmitglieder eingestellt, die sich verpflichten, im Kriegsfalle unbeschränkt, in Friedenszeiten innerhalb von vier aufeinander¬ folgenden Jahren mindestens drei Dienstleistungen von je zehn Tagen zu über¬ nehmen. Auch sonst werden große Opfer von den Angehörigen des Korps verlangt: sie haben ihre Uniform, die sie gegenüber den Militärpersonen als im Dienst des Heeres stehend kennzeichnet, sich selbst anzuschaffen, ferner für ihre Ausrüstung, ihre Maschine, ihren Chauffeur, ihre Equipierung selbst zu sorgen. Der Staat weist ihnen nur eine geringe Entschädigung zu, die ungefähr dem Satz entspricht, den er an requirierte gewöhnliche Fuhrwerke zu zahlen haben würde. Aber nicht nur bei uns, sondern auch bei andern Heeren findet sich die Einrichtung freiwilliger Automobilkorps oder ähnlicher Organisationen, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/234>, abgerufen am 01.10.2024.