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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Goethe und die Boisseree

und ich werden die Erlaubnis erbitten, daß von Senats wegen kein Anstand
zum Bauen dort ist. Die Büste bitten wir Dich, sogleich zu bestellen. Beth¬
mann behält sie allein, wenn aus der Sache nichts wird. Dn kannst mit
Dannecker alles festmachen. Die Subskription ergeht gleichzeitig an alle deutschen
Höfe und an das Publikum." Sulpiz machte dem Dichter am 28. Dezember
ausführliche Mitteilung von dem Entstehen und den bisherigen Vorbereitungen
zur Ausführung des Planes, worauf dieser unter dem 14. Januar 1820 mit
dem folgenden schönen Briefe antwortet: "Nach meinem Bedünken wäre die
Teilnahme meiner lieben Vaterstadt und des übrigen guten Deutschland an
meinem Geburtstage wohl hinreichend gewesen, um dem Verdientesten zu ge¬
nügen und eine bescheidne Betrachtung der Resultate meines Lebens zu er¬
leichtern. Gedenkt man aber, wie Sie vermelden, noch weiter zu gehn, so ist
es rätlich, mit bescheidner Sorgfalt, damit Nemesis nicht ausgerufen werde, zu
verfahren. Mein Alter und meine Gesundheit leiden keine Wagstücke mehr."
Dannecker ist ihm als ausführender Künstler sehr willkommen, aber er hat
Bedenken, wie sich das Zusammentreffen gestalten lasse. Er äußert sich
schließlich mit folgenden Worten: "Sollte es nicht bedenklich sein, meine Freunde,
einen Künstler dahin zu senden, wo er keine Formen mehr finden kann? wo
die Natur auf ihrem Rückzüge sich nur mit dem notwendigen begnügt, was
zum Dasein allenfalls unentbehrlich sein möchte? Wie kann dem Marmor ein
Bild günstig sein, aus dem die Fülle des Lebens geschwunden ist?" Sulpiz
sucht dieses Bedenken freilich aus dem Felde zu schlagen, muß aber von
Dannecker melden, daß dieser wegen der Erkrankung seiner Frau zunächst ganz
außerstande sei, sich in dieser Sache zu beendigen. Goethe schlägt für ihn
Rauch vor, der verdienten Ruhmes genieße und nahe, obgleich noch ohne
persönliche Bekanntschaft, an sein Haus und an die Seinen geknüpft sei. Sulpiz
geht auf diesen Vorschlag ein. Es gibt dann noch manche Besprechungen, auch
über die anzubringenden Reliefs, aber zur Ausführung kam der Plan doch
nicht. Nur die herrliche Büste Goethes von Rauch, die unter allen Ver¬
ewigungen des Dichters einen Ehrenplatz behauptet, ist diesen Umstünden zu
verdanken. Das bekannte Denkmal in Frankfurt ist nicht das, das diesem Sturm
freundschaftlicher Begeisterung seinen Ursprung verdankt hätte.

Die zweite Angelegenheit, deren vorher gedacht worden ist, betraf die Aus¬
gabe letzter Hand sämtlicher Werke des Dichters bei Cotta. Zwischen diesem
und Goethe hatte sich im Laufe der Jahre durch die geschäftliche Verbindung
ein sehr freundschaftliches Verhältnis ausgebildet, das durch häufige Besuche,
die der Buchhändler bei seinen regelmäßigen Reisen zur Leipziger Messe als
Abstecher nach Weimar gemacht hatte, immer mehr an Intimität zunahm.
Sulpiz war mit Cotta ebenfalls nahe befreundet, teils weil das gesamte geistig
vornehme Deutschland in den Kreis seines Umgangs gehörte, teils weil sie durch
das Domwerk miteinander in nahe geschäftliche Beziehung getreten waren. So
war er wie kein andrer geeignet, den ehrlichen Makler und Friedensstifter zu


Goethe und die Boisseree

und ich werden die Erlaubnis erbitten, daß von Senats wegen kein Anstand
zum Bauen dort ist. Die Büste bitten wir Dich, sogleich zu bestellen. Beth¬
mann behält sie allein, wenn aus der Sache nichts wird. Dn kannst mit
Dannecker alles festmachen. Die Subskription ergeht gleichzeitig an alle deutschen
Höfe und an das Publikum." Sulpiz machte dem Dichter am 28. Dezember
ausführliche Mitteilung von dem Entstehen und den bisherigen Vorbereitungen
zur Ausführung des Planes, worauf dieser unter dem 14. Januar 1820 mit
dem folgenden schönen Briefe antwortet: „Nach meinem Bedünken wäre die
Teilnahme meiner lieben Vaterstadt und des übrigen guten Deutschland an
meinem Geburtstage wohl hinreichend gewesen, um dem Verdientesten zu ge¬
nügen und eine bescheidne Betrachtung der Resultate meines Lebens zu er¬
leichtern. Gedenkt man aber, wie Sie vermelden, noch weiter zu gehn, so ist
es rätlich, mit bescheidner Sorgfalt, damit Nemesis nicht ausgerufen werde, zu
verfahren. Mein Alter und meine Gesundheit leiden keine Wagstücke mehr."
Dannecker ist ihm als ausführender Künstler sehr willkommen, aber er hat
Bedenken, wie sich das Zusammentreffen gestalten lasse. Er äußert sich
schließlich mit folgenden Worten: „Sollte es nicht bedenklich sein, meine Freunde,
einen Künstler dahin zu senden, wo er keine Formen mehr finden kann? wo
die Natur auf ihrem Rückzüge sich nur mit dem notwendigen begnügt, was
zum Dasein allenfalls unentbehrlich sein möchte? Wie kann dem Marmor ein
Bild günstig sein, aus dem die Fülle des Lebens geschwunden ist?" Sulpiz
sucht dieses Bedenken freilich aus dem Felde zu schlagen, muß aber von
Dannecker melden, daß dieser wegen der Erkrankung seiner Frau zunächst ganz
außerstande sei, sich in dieser Sache zu beendigen. Goethe schlägt für ihn
Rauch vor, der verdienten Ruhmes genieße und nahe, obgleich noch ohne
persönliche Bekanntschaft, an sein Haus und an die Seinen geknüpft sei. Sulpiz
geht auf diesen Vorschlag ein. Es gibt dann noch manche Besprechungen, auch
über die anzubringenden Reliefs, aber zur Ausführung kam der Plan doch
nicht. Nur die herrliche Büste Goethes von Rauch, die unter allen Ver¬
ewigungen des Dichters einen Ehrenplatz behauptet, ist diesen Umstünden zu
verdanken. Das bekannte Denkmal in Frankfurt ist nicht das, das diesem Sturm
freundschaftlicher Begeisterung seinen Ursprung verdankt hätte.

Die zweite Angelegenheit, deren vorher gedacht worden ist, betraf die Aus¬
gabe letzter Hand sämtlicher Werke des Dichters bei Cotta. Zwischen diesem
und Goethe hatte sich im Laufe der Jahre durch die geschäftliche Verbindung
ein sehr freundschaftliches Verhältnis ausgebildet, das durch häufige Besuche,
die der Buchhändler bei seinen regelmäßigen Reisen zur Leipziger Messe als
Abstecher nach Weimar gemacht hatte, immer mehr an Intimität zunahm.
Sulpiz war mit Cotta ebenfalls nahe befreundet, teils weil das gesamte geistig
vornehme Deutschland in den Kreis seines Umgangs gehörte, teils weil sie durch
das Domwerk miteinander in nahe geschäftliche Beziehung getreten waren. So
war er wie kein andrer geeignet, den ehrlichen Makler und Friedensstifter zu


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[0156] Goethe und die Boisseree und ich werden die Erlaubnis erbitten, daß von Senats wegen kein Anstand zum Bauen dort ist. Die Büste bitten wir Dich, sogleich zu bestellen. Beth¬ mann behält sie allein, wenn aus der Sache nichts wird. Dn kannst mit Dannecker alles festmachen. Die Subskription ergeht gleichzeitig an alle deutschen Höfe und an das Publikum." Sulpiz machte dem Dichter am 28. Dezember ausführliche Mitteilung von dem Entstehen und den bisherigen Vorbereitungen zur Ausführung des Planes, worauf dieser unter dem 14. Januar 1820 mit dem folgenden schönen Briefe antwortet: „Nach meinem Bedünken wäre die Teilnahme meiner lieben Vaterstadt und des übrigen guten Deutschland an meinem Geburtstage wohl hinreichend gewesen, um dem Verdientesten zu ge¬ nügen und eine bescheidne Betrachtung der Resultate meines Lebens zu er¬ leichtern. Gedenkt man aber, wie Sie vermelden, noch weiter zu gehn, so ist es rätlich, mit bescheidner Sorgfalt, damit Nemesis nicht ausgerufen werde, zu verfahren. Mein Alter und meine Gesundheit leiden keine Wagstücke mehr." Dannecker ist ihm als ausführender Künstler sehr willkommen, aber er hat Bedenken, wie sich das Zusammentreffen gestalten lasse. Er äußert sich schließlich mit folgenden Worten: „Sollte es nicht bedenklich sein, meine Freunde, einen Künstler dahin zu senden, wo er keine Formen mehr finden kann? wo die Natur auf ihrem Rückzüge sich nur mit dem notwendigen begnügt, was zum Dasein allenfalls unentbehrlich sein möchte? Wie kann dem Marmor ein Bild günstig sein, aus dem die Fülle des Lebens geschwunden ist?" Sulpiz sucht dieses Bedenken freilich aus dem Felde zu schlagen, muß aber von Dannecker melden, daß dieser wegen der Erkrankung seiner Frau zunächst ganz außerstande sei, sich in dieser Sache zu beendigen. Goethe schlägt für ihn Rauch vor, der verdienten Ruhmes genieße und nahe, obgleich noch ohne persönliche Bekanntschaft, an sein Haus und an die Seinen geknüpft sei. Sulpiz geht auf diesen Vorschlag ein. Es gibt dann noch manche Besprechungen, auch über die anzubringenden Reliefs, aber zur Ausführung kam der Plan doch nicht. Nur die herrliche Büste Goethes von Rauch, die unter allen Ver¬ ewigungen des Dichters einen Ehrenplatz behauptet, ist diesen Umstünden zu verdanken. Das bekannte Denkmal in Frankfurt ist nicht das, das diesem Sturm freundschaftlicher Begeisterung seinen Ursprung verdankt hätte. Die zweite Angelegenheit, deren vorher gedacht worden ist, betraf die Aus¬ gabe letzter Hand sämtlicher Werke des Dichters bei Cotta. Zwischen diesem und Goethe hatte sich im Laufe der Jahre durch die geschäftliche Verbindung ein sehr freundschaftliches Verhältnis ausgebildet, das durch häufige Besuche, die der Buchhändler bei seinen regelmäßigen Reisen zur Leipziger Messe als Abstecher nach Weimar gemacht hatte, immer mehr an Intimität zunahm. Sulpiz war mit Cotta ebenfalls nahe befreundet, teils weil das gesamte geistig vornehme Deutschland in den Kreis seines Umgangs gehörte, teils weil sie durch das Domwerk miteinander in nahe geschäftliche Beziehung getreten waren. So war er wie kein andrer geeignet, den ehrlichen Makler und Friedensstifter zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/156>, abgerufen am 23.07.2024.