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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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England und Indien

chauvinistischsten des ganzen Landes geriert), so darf man auch die ebenfalls
mit Vorliebe gegen Deutschland Front machende und gegen uns hetzende ^rrn^
ana I^v^ einstig als das beste Organ der englischen Offizierkreise bezeichnen.
Nicht allein, daß dieses Blatt über das ganze britische Weltreich verbreitet und
in den meisten Klubs der Rsgulg-r ^rin^ wie der ^uxiliar^ ?0re<?s zu finden
ist, seine Auslassungen erfreuen sich auch, wie man in beinahe jeder Nummer
aus den ihm vom Leserkreise zugehenden Zuschriften ersehen kann, fast immer
der ungeteilten Zustimmung aller militärischen Kreise. Wie freundlich sich die
^rin^ -ma Mvz^ (?Ä^6et6 aber über ihre deutschen Vettern (dlooä is tnioksr
etiam vatsr!), deren Heer und Politik bei jeder Gelegenheit zu nußern beliebt,
davon haben ja unsre Tageszeitungen genugsam hübsche Proben geliefert, zumal
in der neuern Zeit.

In ihrer Nummer vom 11- Mai d. I. konnte man folgenden kummervollen
Alarmruf lesen:

"Nicht ohne Grund ist unsre Aufmerksamkeit jetzt auf Indien gerichtet, da
man sich unmöglich der Überzeugung zu entzieh" vermag, daß die Lage des Landes
durchaus nicht so ist, wie es wünschenswert wäre. Sind wir auch von dem
Stande der Dinge entfernt, die der großen indischen Revolution von 1857
vorherging, so fordert doch die allgemeine Lage in steigendem Grade Wachsam¬
keit und Vorsicht in allem, was sich auf das große Reich bezieht. Die Mi߬
stimmung der Rassen ist in verschiednen Distrikten Nordindicns im Wachsen
begriffen, sogar unter unsern kriegstüchtigsten Stämmen, und in mehreren Teilen
Bengalens ist eine bemerkbare Unruhe vorhanden. Großer Antagonismus herrscht
zwischen den Hindus und der mohammedanischen Bevölkerung, von denen die
zuerst genannten gegen die Vritenherrschaft oder wenigstens die britische Regierung
große Feindseligkeit an den Tag legen. Ihre Boykottierung britischer Waren
hat dazu geführt, die Preise in eine Höhe zu treiben, die für die unfreundliche
Gesinnung zwischen beiden Rassen charakteristisch ist, und die ernsten Unruhen
zu Lahore und Rawak Pindi offenbaren einen tief im Innern festgewurzelten
Haß, der wohl hauptsächlich mit der Besteuerung des ländlichen Grundbesitzes
in Zusammenhang steht. Bei dem Aufstande zu Lahore, der für mehrere andre
typisch geworden ist, trat eine bedauerliche Schwäche in der Unterdrückung der
aufreizenden Äußerungen des Blattes Punjabi zutage, indem man nicht mit
schweren Freiheitsstrafen gegen den Verfasser und den Herausgeber einschritt.
Zwar wurde die Geldbuße von dem Berufungsgencht aufrecht erhalten, aber die
Freiheitsstrafen wurden bedenklich gemildert, was den Erfolg hatte, daß die
Verurteilten von den Eingebornen als Märtyrer behandelt wurden, während
man die Europäer auf der Straße insultierte.... Hinsichtlich des Aufstands zu
Rawak Pindi gaben aufrührerische Reden zu den Unruhen die Veranlassung,
deren treibende Kräfte die eingebornen Advokaten waren Es unterliegt keinem
Zweifel, daß die Hindus, besonders in den gebildeten und studierten Bevölkerungs¬
klassen, eine wachsende Feindseligkeit geg-n unsre Herrschaft zur Schau tragen.


England und Indien

chauvinistischsten des ganzen Landes geriert), so darf man auch die ebenfalls
mit Vorliebe gegen Deutschland Front machende und gegen uns hetzende ^rrn^
ana I^v^ einstig als das beste Organ der englischen Offizierkreise bezeichnen.
Nicht allein, daß dieses Blatt über das ganze britische Weltreich verbreitet und
in den meisten Klubs der Rsgulg-r ^rin^ wie der ^uxiliar^ ?0re<?s zu finden
ist, seine Auslassungen erfreuen sich auch, wie man in beinahe jeder Nummer
aus den ihm vom Leserkreise zugehenden Zuschriften ersehen kann, fast immer
der ungeteilten Zustimmung aller militärischen Kreise. Wie freundlich sich die
^rin^ -ma Mvz^ (?Ä^6et6 aber über ihre deutschen Vettern (dlooä is tnioksr
etiam vatsr!), deren Heer und Politik bei jeder Gelegenheit zu nußern beliebt,
davon haben ja unsre Tageszeitungen genugsam hübsche Proben geliefert, zumal
in der neuern Zeit.

In ihrer Nummer vom 11- Mai d. I. konnte man folgenden kummervollen
Alarmruf lesen:

„Nicht ohne Grund ist unsre Aufmerksamkeit jetzt auf Indien gerichtet, da
man sich unmöglich der Überzeugung zu entzieh« vermag, daß die Lage des Landes
durchaus nicht so ist, wie es wünschenswert wäre. Sind wir auch von dem
Stande der Dinge entfernt, die der großen indischen Revolution von 1857
vorherging, so fordert doch die allgemeine Lage in steigendem Grade Wachsam¬
keit und Vorsicht in allem, was sich auf das große Reich bezieht. Die Mi߬
stimmung der Rassen ist in verschiednen Distrikten Nordindicns im Wachsen
begriffen, sogar unter unsern kriegstüchtigsten Stämmen, und in mehreren Teilen
Bengalens ist eine bemerkbare Unruhe vorhanden. Großer Antagonismus herrscht
zwischen den Hindus und der mohammedanischen Bevölkerung, von denen die
zuerst genannten gegen die Vritenherrschaft oder wenigstens die britische Regierung
große Feindseligkeit an den Tag legen. Ihre Boykottierung britischer Waren
hat dazu geführt, die Preise in eine Höhe zu treiben, die für die unfreundliche
Gesinnung zwischen beiden Rassen charakteristisch ist, und die ernsten Unruhen
zu Lahore und Rawak Pindi offenbaren einen tief im Innern festgewurzelten
Haß, der wohl hauptsächlich mit der Besteuerung des ländlichen Grundbesitzes
in Zusammenhang steht. Bei dem Aufstande zu Lahore, der für mehrere andre
typisch geworden ist, trat eine bedauerliche Schwäche in der Unterdrückung der
aufreizenden Äußerungen des Blattes Punjabi zutage, indem man nicht mit
schweren Freiheitsstrafen gegen den Verfasser und den Herausgeber einschritt.
Zwar wurde die Geldbuße von dem Berufungsgencht aufrecht erhalten, aber die
Freiheitsstrafen wurden bedenklich gemildert, was den Erfolg hatte, daß die
Verurteilten von den Eingebornen als Märtyrer behandelt wurden, während
man die Europäer auf der Straße insultierte.... Hinsichtlich des Aufstands zu
Rawak Pindi gaben aufrührerische Reden zu den Unruhen die Veranlassung,
deren treibende Kräfte die eingebornen Advokaten waren Es unterliegt keinem
Zweifel, daß die Hindus, besonders in den gebildeten und studierten Bevölkerungs¬
klassen, eine wachsende Feindseligkeit geg-n unsre Herrschaft zur Schau tragen.


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[0015] England und Indien chauvinistischsten des ganzen Landes geriert), so darf man auch die ebenfalls mit Vorliebe gegen Deutschland Front machende und gegen uns hetzende ^rrn^ ana I^v^ einstig als das beste Organ der englischen Offizierkreise bezeichnen. Nicht allein, daß dieses Blatt über das ganze britische Weltreich verbreitet und in den meisten Klubs der Rsgulg-r ^rin^ wie der ^uxiliar^ ?0re<?s zu finden ist, seine Auslassungen erfreuen sich auch, wie man in beinahe jeder Nummer aus den ihm vom Leserkreise zugehenden Zuschriften ersehen kann, fast immer der ungeteilten Zustimmung aller militärischen Kreise. Wie freundlich sich die ^rin^ -ma Mvz^ (?Ä^6et6 aber über ihre deutschen Vettern (dlooä is tnioksr etiam vatsr!), deren Heer und Politik bei jeder Gelegenheit zu nußern beliebt, davon haben ja unsre Tageszeitungen genugsam hübsche Proben geliefert, zumal in der neuern Zeit. In ihrer Nummer vom 11- Mai d. I. konnte man folgenden kummervollen Alarmruf lesen: „Nicht ohne Grund ist unsre Aufmerksamkeit jetzt auf Indien gerichtet, da man sich unmöglich der Überzeugung zu entzieh« vermag, daß die Lage des Landes durchaus nicht so ist, wie es wünschenswert wäre. Sind wir auch von dem Stande der Dinge entfernt, die der großen indischen Revolution von 1857 vorherging, so fordert doch die allgemeine Lage in steigendem Grade Wachsam¬ keit und Vorsicht in allem, was sich auf das große Reich bezieht. Die Mi߬ stimmung der Rassen ist in verschiednen Distrikten Nordindicns im Wachsen begriffen, sogar unter unsern kriegstüchtigsten Stämmen, und in mehreren Teilen Bengalens ist eine bemerkbare Unruhe vorhanden. Großer Antagonismus herrscht zwischen den Hindus und der mohammedanischen Bevölkerung, von denen die zuerst genannten gegen die Vritenherrschaft oder wenigstens die britische Regierung große Feindseligkeit an den Tag legen. Ihre Boykottierung britischer Waren hat dazu geführt, die Preise in eine Höhe zu treiben, die für die unfreundliche Gesinnung zwischen beiden Rassen charakteristisch ist, und die ernsten Unruhen zu Lahore und Rawak Pindi offenbaren einen tief im Innern festgewurzelten Haß, der wohl hauptsächlich mit der Besteuerung des ländlichen Grundbesitzes in Zusammenhang steht. Bei dem Aufstande zu Lahore, der für mehrere andre typisch geworden ist, trat eine bedauerliche Schwäche in der Unterdrückung der aufreizenden Äußerungen des Blattes Punjabi zutage, indem man nicht mit schweren Freiheitsstrafen gegen den Verfasser und den Herausgeber einschritt. Zwar wurde die Geldbuße von dem Berufungsgencht aufrecht erhalten, aber die Freiheitsstrafen wurden bedenklich gemildert, was den Erfolg hatte, daß die Verurteilten von den Eingebornen als Märtyrer behandelt wurden, während man die Europäer auf der Straße insultierte.... Hinsichtlich des Aufstands zu Rawak Pindi gaben aufrührerische Reden zu den Unruhen die Veranlassung, deren treibende Kräfte die eingebornen Advokaten waren Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Hindus, besonders in den gebildeten und studierten Bevölkerungs¬ klassen, eine wachsende Feindseligkeit geg-n unsre Herrschaft zur Schau tragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/15>, abgerufen am 23.07.2024.