Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Innere Kolonisation in Preußen sondern muß als eine gemeinnützige Angelegenheit betrieben werden. In diesem Innere Kolonisation in Preußen sondern muß als eine gemeinnützige Angelegenheit betrieben werden. In diesem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303558"/> <fw type="header" place="top"> Innere Kolonisation in Preußen</fw><lb/> <p xml:id="ID_545" prev="#ID_544" next="#ID_546"> sondern muß als eine gemeinnützige Angelegenheit betrieben werden. In diesem<lb/> Sinne wurde die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft gegründet, die sich aber, weil<lb/> es ihr an Kapital gebrach, nicht lange hielt. Die pommersche Ansiedlungsgesell¬<lb/> schaft fand Staatshilfe. Einen weit größern Umfang als die Tätigkeit dieser<lb/> zwei Gesellschaften erreichte die der 1896 gegründeten Landbank, die freilich, als<lb/> ein Privatunternehmen, auf Geschäftsgewinn nicht verzichten konnte. Sie hat ihn<lb/> übrigens mehr aus Holzverkäufen erlangt als aus dem Überschuß des Verkaufs¬<lb/> preises der Parzellen über den Einkaufspreis der Güter, und sie hat gewöhnlich<lb/> in Verbindung mit einer Generalkommission parzelliert. Die Generalkommissionen<lb/> nämlich können, da sie nicht wie die Ansiedlungskommission mit einem Fonds<lb/> dotiert sind, der Hilfe eines Geldinstituts nicht entbehren, und die Landbank<lb/> ihrerseits kaun wieder der Privatparzellcmten nicht entbehren, denn Bankbeamte<lb/> haben natürlich nicht die Sach- und Ortskenntnis, die zu diesem Geschäft not¬<lb/> wendig ist. Die Privatparzellanteu verlieren dabei gewöhnlich ihre Selbständig¬<lb/> keit und werden besoldete Agenten der Bank. Auch Gutsbesitzer, die selbst<lb/> parzellieren — der Verkauf von Außenschlügen pflegt den Wert des Gutes zu<lb/> erhöhen statt ihn zu vermindern —, bedienen sich meist eines gewerbsmäßigen<lb/> Parzellanten. Die Käufer der Grundstücke müssen dann doppelt bluten, weil auch<lb/> der Gutsbesitzer seinen Profit haben will (einige wenige haben freilich in gemein¬<lb/> nütziger Absicht kolonisiert, einige auch, um sich einen Stamm von Arbeitern zu<lb/> sichern). Der Landhunger der kleinen Leute und das Verlangen der Tage¬<lb/> löhner nach Selbständigkeit sind jedoch so stark, daß sie den Kauf auch unter<lb/> ungünstigen Bedingungen wagen, und bei eisernem Fleiß und Ausdauer kommen<lb/> sie gewöhnlich auch durch und vorwärts. In der Mitte der neunziger Jahre<lb/> waren in der Provinz Westpreußen die privaten Rentengutbildungen zahlreicher<lb/> als in allen andern Provinzen. Aber da die Generalkommission beim Einkauf<lb/> wie beim Verkauf bloß nach wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitsgründen verfuhr und<lb/> vielfach deutsches Land in polnische Hände brachte, wurde ihre Tätigkeit gehemmt<lb/> und zum Stillstand gebracht. Die Ausgabe der Rentenbriefe wurde verzögert,<lb/> was weniger bemittelte Parzellanten in eine schwierige Lage versetzte, und für<lb/> die Dotierung von Gemeinde, Kirche und Schule wurden unerschwingliche Kautionen<lb/> gefordert. Was den Fortgang der von der Ansiedlungskommission betriebneu<lb/> Kolonisation betrifft, so hatte die allmähliche Erschöpfung des ersten Hundert¬<lb/> millionenfonds die Verlangsamung der Ankäufe in den Jahren 1888 bis 1897<lb/> zur Folge; die Fläche des alljährlich angekauften Landes blieb weit unter<lb/> 10000 Hektar. Nach der Bewilligung der zweiten Hundertmillionen schwankte<lb/> sie zwischen 10000 und 20000 Hektar, und nachdem weitere 150 Millionen zu¬<lb/> geschossen worden waren, betrug die im Jahre 1903 angekaufte Fläche fast<lb/> 40000 Hektar. Der politische Zweck der Ansiedlungskommission hat in neuerer<lb/> Zeit ihre Praxis in zweifacher Weise geändert. Während bis vor wenigen Jahren<lb/> vorzugsweise spannfähige Bauernwirtschaften geschaffen wurden, wird jetzt die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
Innere Kolonisation in Preußen
sondern muß als eine gemeinnützige Angelegenheit betrieben werden. In diesem
Sinne wurde die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft gegründet, die sich aber, weil
es ihr an Kapital gebrach, nicht lange hielt. Die pommersche Ansiedlungsgesell¬
schaft fand Staatshilfe. Einen weit größern Umfang als die Tätigkeit dieser
zwei Gesellschaften erreichte die der 1896 gegründeten Landbank, die freilich, als
ein Privatunternehmen, auf Geschäftsgewinn nicht verzichten konnte. Sie hat ihn
übrigens mehr aus Holzverkäufen erlangt als aus dem Überschuß des Verkaufs¬
preises der Parzellen über den Einkaufspreis der Güter, und sie hat gewöhnlich
in Verbindung mit einer Generalkommission parzelliert. Die Generalkommissionen
nämlich können, da sie nicht wie die Ansiedlungskommission mit einem Fonds
dotiert sind, der Hilfe eines Geldinstituts nicht entbehren, und die Landbank
ihrerseits kaun wieder der Privatparzellcmten nicht entbehren, denn Bankbeamte
haben natürlich nicht die Sach- und Ortskenntnis, die zu diesem Geschäft not¬
wendig ist. Die Privatparzellanteu verlieren dabei gewöhnlich ihre Selbständig¬
keit und werden besoldete Agenten der Bank. Auch Gutsbesitzer, die selbst
parzellieren — der Verkauf von Außenschlügen pflegt den Wert des Gutes zu
erhöhen statt ihn zu vermindern —, bedienen sich meist eines gewerbsmäßigen
Parzellanten. Die Käufer der Grundstücke müssen dann doppelt bluten, weil auch
der Gutsbesitzer seinen Profit haben will (einige wenige haben freilich in gemein¬
nütziger Absicht kolonisiert, einige auch, um sich einen Stamm von Arbeitern zu
sichern). Der Landhunger der kleinen Leute und das Verlangen der Tage¬
löhner nach Selbständigkeit sind jedoch so stark, daß sie den Kauf auch unter
ungünstigen Bedingungen wagen, und bei eisernem Fleiß und Ausdauer kommen
sie gewöhnlich auch durch und vorwärts. In der Mitte der neunziger Jahre
waren in der Provinz Westpreußen die privaten Rentengutbildungen zahlreicher
als in allen andern Provinzen. Aber da die Generalkommission beim Einkauf
wie beim Verkauf bloß nach wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitsgründen verfuhr und
vielfach deutsches Land in polnische Hände brachte, wurde ihre Tätigkeit gehemmt
und zum Stillstand gebracht. Die Ausgabe der Rentenbriefe wurde verzögert,
was weniger bemittelte Parzellanten in eine schwierige Lage versetzte, und für
die Dotierung von Gemeinde, Kirche und Schule wurden unerschwingliche Kautionen
gefordert. Was den Fortgang der von der Ansiedlungskommission betriebneu
Kolonisation betrifft, so hatte die allmähliche Erschöpfung des ersten Hundert¬
millionenfonds die Verlangsamung der Ankäufe in den Jahren 1888 bis 1897
zur Folge; die Fläche des alljährlich angekauften Landes blieb weit unter
10000 Hektar. Nach der Bewilligung der zweiten Hundertmillionen schwankte
sie zwischen 10000 und 20000 Hektar, und nachdem weitere 150 Millionen zu¬
geschossen worden waren, betrug die im Jahre 1903 angekaufte Fläche fast
40000 Hektar. Der politische Zweck der Ansiedlungskommission hat in neuerer
Zeit ihre Praxis in zweifacher Weise geändert. Während bis vor wenigen Jahren
vorzugsweise spannfähige Bauernwirtschaften geschaffen wurden, wird jetzt die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |