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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

Präsidenten einer der größten und schwierigsten Regierungen im Westen der
Monarchie. Ein besonders starkes Stück dieser Art war, daß man vor etwa
zwei Jahren einen Konsistorialrat unmittelbar aus dieser Stellung heraus zum
Abteilungsdirigenten an einer westlichen Regierung machte, obwohl er die Be¬
fähigung für diese Stellung nicht hatte. Dieser Fall bedeutete also geradezu
eine Gesetzesverletzung. Ein andres Bild: Als vor Jahresfrist die Behörden
für die Leitung des Baues der neuen Schiffahrtskanäle eingerichtet wurden,
besetzte man die sämtlichen Verwaltungsstellen daran mit Juristen. Zwei von
diesen Herren, die beide noch recht jung waren, erhielten den Titel und den
Rang eines Oberregierungsrats und die Zulage eines Stellvertreters eines
Regierungspräsidenten. Auch die andern Beamten erhielten allerhand Vor¬
teile -- außerdem natürlich eine befriedigende selbständige Tätigkeit. Ein
sachlicher Grund für diese auffallende Bevorzugung des Juristentums ist nicht
erkennbar; sie ist vielmehr offenbar nur ein Beispiel jener früher geschilderten
Nebenregierung.

Welchen Umfang der Mitbewerb der Juristen bei der Besetzung der hohem
Stellen in der Verwaltung angenommen hat, habe ich in meinem ersten Artikel
für das Oberverwaltungsgericht und die Stellen der Verwaltungsgerichts¬
direktoren zahlenmüßig gezeigt*); hier einige weitere Zahlen. Von den 129 Ober¬
regierungsräten, die es im Herbst 1905 in der allgemeinen Verwaltung gab,
waren mindestens 71 (55 vom Hundert) Juristen, wahrscheinlich aber noch vier bis
fünf mehr. Daß diese überwiegende Besetzung einer Stelle, die den Ver¬
waltungsbeamten vorbehalten sein sollte, mit Juristen nicht eine Nachwirkung
jeuer Zeit war, wo es keinen Verwaltnngsnachwuchs gab, zeigt die Entwicklung
der letzten Jahre. Denn unter den 76 Oberregierungsräten, die in den sechs
Jahren vom 1. Oktober 1900 bis zum 30. September 1906 neu ernannt
worden sind, waren 24 (31,5 vom Hundert) Juristen, also sicherlich weit mehr, als
der Gesamtzahl der Juristen unter den Beamten der Verwaltung, die in der
Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes von 1879 in den allgemeinen Ver¬
waltungsdienst eingetreten sind, entsprach. In den einzelnen Jahren schwankte
der Anteil der Juristen an den Beförderungen zum Oberregierungsrat zwischen
14,2 vom Hundert (1905/06) und 61.5 vom Hundert (1903/04). Ähnlich über¬
wogen nach dem Staatshandbuch für 1904 damals in den Zentralbehörden der
allgemeinen Verwaltung die Juristen über die Verwaltungsbeamten. Es waren von
den 94 Unterstaatssekretären, Ministerialdirektoren und etatsmäßigen Räten bei
diesen Behörden, die nicht Techniker waren, mindestens 53 (56,4 vom Hundert)
Juristen und höchstens 41 Verwaltungsbeamte. Das Kultusministerium hatte
fast nur Juristen (17 : 4), auch das Finanzministerium hatte sehr viele (14 : 6).
Unter den fünfzehn Unterstaatssekretüren und Ministerialdirektoren waren nicht
weniger als elf (73,3 vom Hundert) Juristen und nur vier Verwaltungsbeamte.



Grenzboten 1903, Heft 5, S, 268, Anmerkung.
Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

Präsidenten einer der größten und schwierigsten Regierungen im Westen der
Monarchie. Ein besonders starkes Stück dieser Art war, daß man vor etwa
zwei Jahren einen Konsistorialrat unmittelbar aus dieser Stellung heraus zum
Abteilungsdirigenten an einer westlichen Regierung machte, obwohl er die Be¬
fähigung für diese Stellung nicht hatte. Dieser Fall bedeutete also geradezu
eine Gesetzesverletzung. Ein andres Bild: Als vor Jahresfrist die Behörden
für die Leitung des Baues der neuen Schiffahrtskanäle eingerichtet wurden,
besetzte man die sämtlichen Verwaltungsstellen daran mit Juristen. Zwei von
diesen Herren, die beide noch recht jung waren, erhielten den Titel und den
Rang eines Oberregierungsrats und die Zulage eines Stellvertreters eines
Regierungspräsidenten. Auch die andern Beamten erhielten allerhand Vor¬
teile — außerdem natürlich eine befriedigende selbständige Tätigkeit. Ein
sachlicher Grund für diese auffallende Bevorzugung des Juristentums ist nicht
erkennbar; sie ist vielmehr offenbar nur ein Beispiel jener früher geschilderten
Nebenregierung.

Welchen Umfang der Mitbewerb der Juristen bei der Besetzung der hohem
Stellen in der Verwaltung angenommen hat, habe ich in meinem ersten Artikel
für das Oberverwaltungsgericht und die Stellen der Verwaltungsgerichts¬
direktoren zahlenmüßig gezeigt*); hier einige weitere Zahlen. Von den 129 Ober¬
regierungsräten, die es im Herbst 1905 in der allgemeinen Verwaltung gab,
waren mindestens 71 (55 vom Hundert) Juristen, wahrscheinlich aber noch vier bis
fünf mehr. Daß diese überwiegende Besetzung einer Stelle, die den Ver¬
waltungsbeamten vorbehalten sein sollte, mit Juristen nicht eine Nachwirkung
jeuer Zeit war, wo es keinen Verwaltnngsnachwuchs gab, zeigt die Entwicklung
der letzten Jahre. Denn unter den 76 Oberregierungsräten, die in den sechs
Jahren vom 1. Oktober 1900 bis zum 30. September 1906 neu ernannt
worden sind, waren 24 (31,5 vom Hundert) Juristen, also sicherlich weit mehr, als
der Gesamtzahl der Juristen unter den Beamten der Verwaltung, die in der
Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes von 1879 in den allgemeinen Ver¬
waltungsdienst eingetreten sind, entsprach. In den einzelnen Jahren schwankte
der Anteil der Juristen an den Beförderungen zum Oberregierungsrat zwischen
14,2 vom Hundert (1905/06) und 61.5 vom Hundert (1903/04). Ähnlich über¬
wogen nach dem Staatshandbuch für 1904 damals in den Zentralbehörden der
allgemeinen Verwaltung die Juristen über die Verwaltungsbeamten. Es waren von
den 94 Unterstaatssekretären, Ministerialdirektoren und etatsmäßigen Räten bei
diesen Behörden, die nicht Techniker waren, mindestens 53 (56,4 vom Hundert)
Juristen und höchstens 41 Verwaltungsbeamte. Das Kultusministerium hatte
fast nur Juristen (17 : 4), auch das Finanzministerium hatte sehr viele (14 : 6).
Unter den fünfzehn Unterstaatssekretüren und Ministerialdirektoren waren nicht
weniger als elf (73,3 vom Hundert) Juristen und nur vier Verwaltungsbeamte.



Grenzboten 1903, Heft 5, S, 268, Anmerkung.
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[0075] Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen Präsidenten einer der größten und schwierigsten Regierungen im Westen der Monarchie. Ein besonders starkes Stück dieser Art war, daß man vor etwa zwei Jahren einen Konsistorialrat unmittelbar aus dieser Stellung heraus zum Abteilungsdirigenten an einer westlichen Regierung machte, obwohl er die Be¬ fähigung für diese Stellung nicht hatte. Dieser Fall bedeutete also geradezu eine Gesetzesverletzung. Ein andres Bild: Als vor Jahresfrist die Behörden für die Leitung des Baues der neuen Schiffahrtskanäle eingerichtet wurden, besetzte man die sämtlichen Verwaltungsstellen daran mit Juristen. Zwei von diesen Herren, die beide noch recht jung waren, erhielten den Titel und den Rang eines Oberregierungsrats und die Zulage eines Stellvertreters eines Regierungspräsidenten. Auch die andern Beamten erhielten allerhand Vor¬ teile — außerdem natürlich eine befriedigende selbständige Tätigkeit. Ein sachlicher Grund für diese auffallende Bevorzugung des Juristentums ist nicht erkennbar; sie ist vielmehr offenbar nur ein Beispiel jener früher geschilderten Nebenregierung. Welchen Umfang der Mitbewerb der Juristen bei der Besetzung der hohem Stellen in der Verwaltung angenommen hat, habe ich in meinem ersten Artikel für das Oberverwaltungsgericht und die Stellen der Verwaltungsgerichts¬ direktoren zahlenmüßig gezeigt*); hier einige weitere Zahlen. Von den 129 Ober¬ regierungsräten, die es im Herbst 1905 in der allgemeinen Verwaltung gab, waren mindestens 71 (55 vom Hundert) Juristen, wahrscheinlich aber noch vier bis fünf mehr. Daß diese überwiegende Besetzung einer Stelle, die den Ver¬ waltungsbeamten vorbehalten sein sollte, mit Juristen nicht eine Nachwirkung jeuer Zeit war, wo es keinen Verwaltnngsnachwuchs gab, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre. Denn unter den 76 Oberregierungsräten, die in den sechs Jahren vom 1. Oktober 1900 bis zum 30. September 1906 neu ernannt worden sind, waren 24 (31,5 vom Hundert) Juristen, also sicherlich weit mehr, als der Gesamtzahl der Juristen unter den Beamten der Verwaltung, die in der Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes von 1879 in den allgemeinen Ver¬ waltungsdienst eingetreten sind, entsprach. In den einzelnen Jahren schwankte der Anteil der Juristen an den Beförderungen zum Oberregierungsrat zwischen 14,2 vom Hundert (1905/06) und 61.5 vom Hundert (1903/04). Ähnlich über¬ wogen nach dem Staatshandbuch für 1904 damals in den Zentralbehörden der allgemeinen Verwaltung die Juristen über die Verwaltungsbeamten. Es waren von den 94 Unterstaatssekretären, Ministerialdirektoren und etatsmäßigen Räten bei diesen Behörden, die nicht Techniker waren, mindestens 53 (56,4 vom Hundert) Juristen und höchstens 41 Verwaltungsbeamte. Das Kultusministerium hatte fast nur Juristen (17 : 4), auch das Finanzministerium hatte sehr viele (14 : 6). Unter den fünfzehn Unterstaatssekretüren und Ministerialdirektoren waren nicht weniger als elf (73,3 vom Hundert) Juristen und nur vier Verwaltungsbeamte. Grenzboten 1903, Heft 5, S, 268, Anmerkung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/75>, abgerufen am 13.12.2024.