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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

Gründen versagen. Übrigens sind diese Dinge ja auch genugsam bekannt.
Sie sind oft in der Presse und in den Parlamenten behandelt worden, be¬
sonders lebhaft im Zusammenhang mit den schon erwähnten Gesetzentwürfen
von 1903 und 1905, aber auch sonst, und bekanntlich ist der Entwurf von
1903 gerade an dieser Frage gescheitert. Man hat bei den Erörterungen
allerdings oft darin geirrt, daß man alle diese unerfreulichen Erscheinungen
auf gewisse persönliche Verhältnisse zurückführte. Schuld daran war vielmehr
nur die ungeeignete Organisation der Personalienverwaltung, und auch der
gründlichste Personenwechsel allein hätte an der Sache selbst nichts geändert.
Höchstens würde der Nepotismus andern Bevölkerungskreisen zugute gekommen
sein, aber auch das ist nicht sicher.

Auf den Verwaltungsdienst hat diese ganze Entwicklung geradezu ver¬
heerend gewirkt. Aus äußern Gründen kann ich nur einiges hervorheben,
das sich allenfalls in der Öffentlichkeit erörtern läßt. Vor allem ging in der
Beamtenschaft mit der äußern Einheit auch die innere verloren. Schon die
verschiedne Vorbildung mußte dazu beitragen. Aus Laien, Juristen und Ver-
waltungsbeamten von Beruf ließ sich keine Einheit bilden, deren einzelne An¬
gehörige sich mit derselben Lebendigkeit als Berufs gen offen fühlten und be¬
handelten. Und die Vorbildung war leider nicht das einzige, das die höhern
Beamten der Verwaltung äußerlich und innerlich trennte. So wurden denn
zwischen ihnen Schranken der verschiedensten Art aufgerichtet, die die persön¬
lichen Beziehungen, zum Beispiel den 'geselligen Verkehr, ebenso wie das
dienstliche Zusammenarbeiten, oft genug auf das schwerste schädigten.

Schlimmer war, daß zahlreichen Verwaltungsbeamten, zu denen wahrlich
nicht die schlechtesten ihres Berufs gehörten, die Dienst- und Arbeitsfreudig¬
keit genommen wurde, ohne die gerade in der Verwaltung ein gedeihliches
Wirken nicht möglich ist, indem sie unnötigerweise in ihrem berechtigten Selbst¬
gefühl verletzt, in ihrem Ehrgeiz gekränkt, in ihren Hoffnungen getäuscht und
materiell geschädigt wurden. Schon daß Außenseiter, wie Laien und Juristen,
die Stellen besetzten, die für die Verwaltungsbeamten bestimmt waren, oder
daß bei der Auswahl aus den eignen Reihen nicht die Tüchtigkeit, sondern
der Zufall entschied, mußte dies bewirken. Dazu kamen aber noch allerhand
bedauerliche Nebenumstände, zum Beispiel jener Mangel an Stetigkeit in den
Grundsätzen für die Behandlung der Personalangelegenheiten, den ich früher
erwähnt habe. Diese Grundsätze wechselten nicht nur mit jedem neuen Minister
des Innern, auch derselbe Minister verwarf plötzlich das, was er bis dahin
vielfältig geübt hatte. Übel war auch, daß sich in Personalangelegenheiten
häufig eine Nebenregierung einzelner Stellen geltend machte, denen ein Ein¬
fluß auf diese Dinge verfassungsmäßig nicht zustand. Man hatte manchmal
den Eindruck, als ob die allein verantwortliche Stelle dieser Nebenregierung
gegenüber auf eine eigne Personalienpolitik vollständig verzichtet habe. Für
die Beamten hatte dies zunächst die unerfreuliche Folge, daß sie gänzlich von


Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

Gründen versagen. Übrigens sind diese Dinge ja auch genugsam bekannt.
Sie sind oft in der Presse und in den Parlamenten behandelt worden, be¬
sonders lebhaft im Zusammenhang mit den schon erwähnten Gesetzentwürfen
von 1903 und 1905, aber auch sonst, und bekanntlich ist der Entwurf von
1903 gerade an dieser Frage gescheitert. Man hat bei den Erörterungen
allerdings oft darin geirrt, daß man alle diese unerfreulichen Erscheinungen
auf gewisse persönliche Verhältnisse zurückführte. Schuld daran war vielmehr
nur die ungeeignete Organisation der Personalienverwaltung, und auch der
gründlichste Personenwechsel allein hätte an der Sache selbst nichts geändert.
Höchstens würde der Nepotismus andern Bevölkerungskreisen zugute gekommen
sein, aber auch das ist nicht sicher.

Auf den Verwaltungsdienst hat diese ganze Entwicklung geradezu ver¬
heerend gewirkt. Aus äußern Gründen kann ich nur einiges hervorheben,
das sich allenfalls in der Öffentlichkeit erörtern läßt. Vor allem ging in der
Beamtenschaft mit der äußern Einheit auch die innere verloren. Schon die
verschiedne Vorbildung mußte dazu beitragen. Aus Laien, Juristen und Ver-
waltungsbeamten von Beruf ließ sich keine Einheit bilden, deren einzelne An¬
gehörige sich mit derselben Lebendigkeit als Berufs gen offen fühlten und be¬
handelten. Und die Vorbildung war leider nicht das einzige, das die höhern
Beamten der Verwaltung äußerlich und innerlich trennte. So wurden denn
zwischen ihnen Schranken der verschiedensten Art aufgerichtet, die die persön¬
lichen Beziehungen, zum Beispiel den 'geselligen Verkehr, ebenso wie das
dienstliche Zusammenarbeiten, oft genug auf das schwerste schädigten.

Schlimmer war, daß zahlreichen Verwaltungsbeamten, zu denen wahrlich
nicht die schlechtesten ihres Berufs gehörten, die Dienst- und Arbeitsfreudig¬
keit genommen wurde, ohne die gerade in der Verwaltung ein gedeihliches
Wirken nicht möglich ist, indem sie unnötigerweise in ihrem berechtigten Selbst¬
gefühl verletzt, in ihrem Ehrgeiz gekränkt, in ihren Hoffnungen getäuscht und
materiell geschädigt wurden. Schon daß Außenseiter, wie Laien und Juristen,
die Stellen besetzten, die für die Verwaltungsbeamten bestimmt waren, oder
daß bei der Auswahl aus den eignen Reihen nicht die Tüchtigkeit, sondern
der Zufall entschied, mußte dies bewirken. Dazu kamen aber noch allerhand
bedauerliche Nebenumstände, zum Beispiel jener Mangel an Stetigkeit in den
Grundsätzen für die Behandlung der Personalangelegenheiten, den ich früher
erwähnt habe. Diese Grundsätze wechselten nicht nur mit jedem neuen Minister
des Innern, auch derselbe Minister verwarf plötzlich das, was er bis dahin
vielfältig geübt hatte. Übel war auch, daß sich in Personalangelegenheiten
häufig eine Nebenregierung einzelner Stellen geltend machte, denen ein Ein¬
fluß auf diese Dinge verfassungsmäßig nicht zustand. Man hatte manchmal
den Eindruck, als ob die allein verantwortliche Stelle dieser Nebenregierung
gegenüber auf eine eigne Personalienpolitik vollständig verzichtet habe. Für
die Beamten hatte dies zunächst die unerfreuliche Folge, daß sie gänzlich von


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[0073] Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen Gründen versagen. Übrigens sind diese Dinge ja auch genugsam bekannt. Sie sind oft in der Presse und in den Parlamenten behandelt worden, be¬ sonders lebhaft im Zusammenhang mit den schon erwähnten Gesetzentwürfen von 1903 und 1905, aber auch sonst, und bekanntlich ist der Entwurf von 1903 gerade an dieser Frage gescheitert. Man hat bei den Erörterungen allerdings oft darin geirrt, daß man alle diese unerfreulichen Erscheinungen auf gewisse persönliche Verhältnisse zurückführte. Schuld daran war vielmehr nur die ungeeignete Organisation der Personalienverwaltung, und auch der gründlichste Personenwechsel allein hätte an der Sache selbst nichts geändert. Höchstens würde der Nepotismus andern Bevölkerungskreisen zugute gekommen sein, aber auch das ist nicht sicher. Auf den Verwaltungsdienst hat diese ganze Entwicklung geradezu ver¬ heerend gewirkt. Aus äußern Gründen kann ich nur einiges hervorheben, das sich allenfalls in der Öffentlichkeit erörtern läßt. Vor allem ging in der Beamtenschaft mit der äußern Einheit auch die innere verloren. Schon die verschiedne Vorbildung mußte dazu beitragen. Aus Laien, Juristen und Ver- waltungsbeamten von Beruf ließ sich keine Einheit bilden, deren einzelne An¬ gehörige sich mit derselben Lebendigkeit als Berufs gen offen fühlten und be¬ handelten. Und die Vorbildung war leider nicht das einzige, das die höhern Beamten der Verwaltung äußerlich und innerlich trennte. So wurden denn zwischen ihnen Schranken der verschiedensten Art aufgerichtet, die die persön¬ lichen Beziehungen, zum Beispiel den 'geselligen Verkehr, ebenso wie das dienstliche Zusammenarbeiten, oft genug auf das schwerste schädigten. Schlimmer war, daß zahlreichen Verwaltungsbeamten, zu denen wahrlich nicht die schlechtesten ihres Berufs gehörten, die Dienst- und Arbeitsfreudig¬ keit genommen wurde, ohne die gerade in der Verwaltung ein gedeihliches Wirken nicht möglich ist, indem sie unnötigerweise in ihrem berechtigten Selbst¬ gefühl verletzt, in ihrem Ehrgeiz gekränkt, in ihren Hoffnungen getäuscht und materiell geschädigt wurden. Schon daß Außenseiter, wie Laien und Juristen, die Stellen besetzten, die für die Verwaltungsbeamten bestimmt waren, oder daß bei der Auswahl aus den eignen Reihen nicht die Tüchtigkeit, sondern der Zufall entschied, mußte dies bewirken. Dazu kamen aber noch allerhand bedauerliche Nebenumstände, zum Beispiel jener Mangel an Stetigkeit in den Grundsätzen für die Behandlung der Personalangelegenheiten, den ich früher erwähnt habe. Diese Grundsätze wechselten nicht nur mit jedem neuen Minister des Innern, auch derselbe Minister verwarf plötzlich das, was er bis dahin vielfältig geübt hatte. Übel war auch, daß sich in Personalangelegenheiten häufig eine Nebenregierung einzelner Stellen geltend machte, denen ein Ein¬ fluß auf diese Dinge verfassungsmäßig nicht zustand. Man hatte manchmal den Eindruck, als ob die allein verantwortliche Stelle dieser Nebenregierung gegenüber auf eine eigne Personalienpolitik vollständig verzichtet habe. Für die Beamten hatte dies zunächst die unerfreuliche Folge, daß sie gänzlich von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/73>, abgerufen am 21.11.2024.